Mittwoch, Januar 15

Die Ausweisung aus Down Under treibt den Serben auch drei Jahre später noch um. Djokovic lechzt weiterhin nach Anerkennung – weshalb er immer wieder mit aussergewöhnlichen Aktionen von sich reden macht.

Rekorde sind im Tennis zum einen ein Zeichen für die individuelle Klasse eines Spielers. Zum anderen können sie aber auch eine Art Alterserscheinung sein. Die neuste Bestmarke, die sich Novak Djokovic am Mittwoch in der zweiten Runde des Australian Open sicherte, ist beides. Der Sieg des Serben gegen den 21-jährigen Portugiesen Jaime Faria war im Prinzip nur eine Pflichterfüllung. Der Erfolg war zugleich aber auch der 430. Match von Djokovic an einem der vier Major-Turniere. Damit überflügelte er Roger Federer, der die Rangliste mit den meisten Partien an Major-Turnieren bisher angeführt hatte.

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Djokovic entreisst dem Baselbieter eine Bestmarke nach der anderen. Einzig bei der Anzahl der Turniersiege liegt Federer weiterhin vorne. Er gewann 103 Turniere, Djokovic bringt es mittlerweile auf 98. Angeführt wird diese Rangliste weiterhin vom Amerikaner Jimmy Connors (109).

Novak Djokovic wird im kommenden Mai 38 Jahre alt. Auch er nähert sich langsam, aber unaufhaltsam dem Ende seiner Karriere. Kann er Federer und Connors noch einholen? Die vergangene Saison verlief für den erfolgsverwöhnten Serben alles andere als optimal. Mit der Olympia-Goldmedaille in Paris schloss er die einzig nennenswerte Lücke, die es in seinem Palmarès noch gab. Abgesehen davon verlief das Jahr für seine Verhältnisse allerdings enttäuschend: Djokovic gewann kein weiteres Turnier und fiel im Ranking von Position 1 auf 7 zurück.

Andy Murray als Quelle für neue Hoffnung

Vor allem aber zeigte er ungewohnte Schwächen. Er verlor Partien, die er noch vor kurzem kaum verloren hätte. Auch deshalb trennte er sich von seinem langjährigen Begleiter Goran Ivanisevic. Einige rätselten über mangelnde Motivation und das nahende Karriereende des langjährigen Dominators.

Doch dann, als sich die meisten seiner Konkurrenten auf die Weihnachtsfeier vorbereiteten, überraschte Djokovic nicht nur diese, sondern die gesamte Tennisszene mit der Ankündigung, für das Australian Open seinen ehemaligen Rivalen Andy Murray als Coach und Berater ins Team zu holen. Das war ein Signal an seine teilweise halb so alten Rivalen: Seht her, ich bin noch längst nicht bereit, euch die Bühne zu überlassen.

Djokovic wird getrieben von einem Ehrgeiz, der zuweilen fast manische Züge anzunehmen scheint. Aus seiner Optik bringen ihm die Konkurrenten, aber auch ein Teil der Öffentlichkeit immer noch zu wenig Respekt entgegen. Auch deshalb macht er immer wieder mit aussergewöhnlichen Aktionen von sich reden, die zuweilen ziemlich in die Hose gehen und zum Bumerang für Djokovic und dessen Image werden.

Einmal behauptete er, einen Heiler zu kennen, der allein durch seine Gedanken giftiges in heilendes Wasser verwandeln könne. Mitten in der Corona-Pandemie lud er seine Kollegen zur Adria-Tour in der Nähe seiner Heimat ein. Doch statt zum befreienden Anlass wurde das Happening zum Superspreader-Event, an dem sich mehrere Spieler mit Covid infizierten. Auch Djokovic und seine Frau Jelena waren betroffen.

2022 weigerte sich Djokovic beharrlich, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, damit machte er sich speziell in Australien zum Geächteten. Beim Versuch, mit einer Ausnahmegenehmigung nach Australien einzureisen, wurde er von den Behörden festgenommen, vorübergehend inhaftiert und schliesslich wie ein Schwerverbrecher ausser Landes geschafft.

Djokovic sagt, er habe Blei und Quecksilber im Körper gehabt

Dieses dunkelste Kapitel in seiner Vita ist der Ausgangspunkt der jüngsten Kontroverse um den serbischen Tennisstar. Vor dem Australian Open sprach er in einem längeren Interview mit dem «GQ-Magazin» erstmals ausführlich über die Zeit, die er in einem Ausschaffungsgefängnis in Melbourne verbracht hatte. Nach seiner Rückkehr nach Serbien habe er sich «sehr krank» gefühlt, sagte Djokovic. Das ganze habe sich zuerst wie eine Grippe angefühlt. Als die Symptome aber nicht abgeklungen seien, habe er sich umfassenden Untersuchungen unterzogen. Toxikologische Tests hätten dabei ergeben, dass er Blei und Quecksilber im Körper gehabt habe.

Djokovic lebt nach einem strikten Ernährungsplan. Er ernährt sich glutenfrei, trinkt fast ausschliesslich temperiertes Wasser. Auf tierische Produkte verzichtet Djokovic weitgehend; er konsumiert vornehmlich vegane Lebensmittel. In den ersten Jahren seiner Karriere hatte er wiederholt an körperlichen Problemen gelitten und immer wieder Partien aufgeben oder ganze Turniere absagen müssen. Die Umstellung der Ernährung habe ihm dabei geholfen, diese in den Griff zu bekommen – und zu jenem Mentalitätsmonster zu werden, das er heute ist. Seine Überzeugungen fasste er 2012 im Buch «Serve to Win» zusammen.

Die spezielle Geschichte prägte das Bild von Djokovic als egozentrischem Sonderling, der in der Tennisszene ein Aussenseiter geblieben ist. Obwohl er sich wiederholt für schwächere, vor allem wirtschaftlich schlechtergestellte Konkurrenten einsetzte, flogen die Sympathien meist anderen zu. In Duellen gegen seine langjährigen Rivalen Roger Federer und Rafael Nadal hatte er jeweils nicht nur diese, sondern meist auch den Grossteil der Zuschauer gegen sich.

US OPEN 2020: Tennis-Skandal - So hat Novak Djokovic die Linienrichterin abgeschossen

John McEnroe war in den 1970er und 1980er Jahren so etwas wie das Enfant terrible des Tennissports. Heute ist er einer der am meisten zitierten Beobachter des Tenniszirkus. Nachdem Djokovic am US Open 2020 eine Linienrichterin mit einem weggeschlagenen Ball getroffen hatte und disqualifiziert worden war, sagte McEnroe dem amerikanischen Fernsehsender CBS: «Ob er es mag oder nicht: Djokovic wird für den Rest seiner Karriere der ‹bad guy› bleiben. Es ist ein Fleck, den er niemals auslöschen kann. Es wird interessant sein, wie er das emotional packt.»

Am Australian Open 2008 hat Djokovic seinen ersten Major-Titel errungen, seither hat er das Turnier in Down Under zehn Mal gewonnen. Auch in diesem Jahr gehört er zu den meistgenannten Titelanwärtern, auch wenn die Konkurrenz grösser und vor allem auch jünger geworden. ist. Der Start ins Turnier ist Djokovic einigermassen geglückt. In den ersten zwei Runden hat er gegen den Amerikaner Nishesh Basavareddy (ATP 107) und den Portugiesen Jaime Faria (125) zwar je einen Satz abgegeben. Wirklich getestet wurde er aber noch nicht. Die Hoffnung auf den 25. Major-Titel lebt. Auch das wäre natürlich wieder ein Rekord.

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