Samstag, September 21

Der Rechnungsfehler hat massive Kritik und Verunsicherung ausgelöst. Nun gibt sich der Bund zuversichtlich. Und er weist klarer auf Unsicherheiten hin – etwa zur Entwicklung der Auslandrenten.

Ausgestanden ist die Affäre um die falschen AHV-Zahlen noch lange nicht. Die Resultate der Administrativuntersuchung, die Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider im August angeordnet hat, werden erst Ende Jahr erwartet. Stéphane Rossini, der Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV), muss mutmasslich manch unbequeme Frage beantworten – nicht zuletzt jene, weshalb er seine Chefin nicht früher informiert hat. Die Vergangenheitsbewältigung ist wichtig, aber nicht alles.

Mindestens so dringlich stellt sich im Hinblick auf die AHV die Frage, wie die Schweiz die Zukunft bewältigen will. Wie wird sie die erste Säule der Altersvorsorge künftig finanzieren? Wie geht sie damit um, dass die Zahl der Pensionierten in den nächsten Jahrzehnten stärker zunimmt als die Zahl der Erwerbstätigen, die das System finanzieren? Ohne verlässliche Zahlen können Politik und Volk über all diese Fragen nicht vernünftig entscheiden.

Keine Indizien für Schwarzmalerei

Wie treffsicher die neuen AHV-Perspektiven sind, die das Amt am Montag präsentiert hat, wird man naturgemäss erst im Nachhinein wissen. Schon heute aber ist sicher, dass das BSV vieles unternommen hat und weiterhin unternimmt, um das Vertrauen von Politik und Öffentlichkeit wiederherzustellen.

Insbesondere hat das Amt zwei externe Forschungsinstitute beigezogen, um seine eigenen Arbeiten kritisch überprüfen zu können. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH und das Büro Demografik haben in den vergangenen Wochen eigene Modelle zur Berechnung der künftigen Ausgaben der AHV entwickelt. Die Ergebnisse lassen hoffen: Die neuen Zahlen des Bundesamts selbst liegen im grossen Ganzen innerhalb der Bandbreiten der beiden externen Modelle.

Und dort, wo grössere Abweichungen zu sehen sind, geht das BSV eher von tieferen Ausgaben aus als die externen Fachleute – so viel zum Thema «amtliche Schwarzmalerei», von der die Linke so gerne spricht. Das Amt sieht sich denn auch bestätigt und betont, die externen Projektionen stützten die eigenen Zahlen.

So einfach ist es nicht

Nachhaltig erstaunlich ist, dass sich das Amt bei den Ausgaben der AHV um mehrere Milliarden vertan hat. Dass es schwierig ist, die Einnahmen des Sozialwerks abzuschätzen, die auf vielen verschiedenen Faktoren basieren, war schon länger bekannt. Bei den Ausgaben hingegen konnte man annehmen, dass die Vorhersage deutlich simpler sei, weil lange im Voraus bekannt ist, in welchem Jahr wie viele Personen das Pensionsalter erreichen. Anhand der individuellen AHV-Konten sollte sich auch vorhersehen lassen, wie hoch die künftigen Renten ungefähr ausfallen. Konnte man meinen – doch so einfach ist es nicht, wie die Panne zeigte.

Hinweise auf die Gründe sind den Dokumentationen zu entnehmen, die das BSV am Montag veröffentlicht hat. Insbesondere fällt es dem Amt schwer, die künftigen Renten von Ausländern zu antizipieren, die nicht ihre ganze Berufskarriere in der Schweiz verbringen. Zum Beispiel erfahren die Schweizer Behörden bei Personen, die wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, oft erst zum Zeitpunkt des möglichen Rentenbezugs, dass sie bereits verstorben sind.

In anderen Fällen erhalten ausländische Staatsangehörige laut dem BSV nach einer Auswanderung statt einer Rente nur eine Abfindung. Bürger von Ländern ohne Sozialversicherungsabkommen wiederum haben bei der Auswanderung kein Anrecht auf eine Rente, bekommen jedoch eine Beitragsrückerstattung.

Wer will, kann nachrechnen

Kurz und ungut: Der zunehmende Anteil von Pensionierten im Ausland, deren Zahl sich in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelt hat, macht die Vorhersage der AHV-Ausgaben schwieriger. Man könnte meinen, das falle gesamthaft nicht so stark ins Gewicht, zumal der Grossteil der Pensionierten weiterhin in der Schweiz lebt. Allerdings war auch der Rechnungsfehler nicht so gross, wie man angesichts mancher Reaktion meinen konnte: Die Abweichung bei den Ausgaben im Jahr 2033 gemäss den bisherigen und den neuen Zahlen beträgt laut dem BSV real 2,5 Milliarden Franken oder 3,6 Prozent.

Das Amt zeigt sich zuversichtlich: Man verfüge nun wieder über «solide technische Grundlagen» und könne «zuverlässige Projektionen und Informationen» liefern. Wer es nicht glaubt, kann bald nachrechnen: Das BSV hat am Montag angekündigt, den Code seines Hauptmodells in den kommenden Wochen zu publizieren.

In Zukunft will das Amt mit mehreren Modellen arbeiten und stärker auf Unsicherheiten hinweisen. Die AHV-Zahlen sollen fortan Bandbreiten umfassen, damit das Publikum erkennt, mit welchen Abweichungen zu rechnen ist. Einen Anfang hat das Amt bereits gemacht. In den am Montag publizierten Unterlagen ist immer wieder dieser Satz zu finden: «Perspektiven über einen längeren Zeitraum sind mit zunehmender Unsicherheit behaftet und können daher erheblich revidiert werden.»

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