Mittwoch, November 12

In einem mit Spannung erwarteten Fernsehinterview hat Präsident Joe Biden die Forderungen zurückgewiesen, er solle sich aus dem Präsidentschaftswahlkampf zurückziehen. Er bezeichnete sich vielmehr erneut als der beste Anwärter fürs Weisse Haus.

Das war kein Interview. Das war eine Intervention. 22 Minuten lang hat der prominente Fernsehjournalist George Stephanopoulos am Freitag versucht, Joe Biden davon zu überzeugen, dass dessen Wahlkampf nach der katastrophalen Auftritt in der TV-Debatte gegen Donald Trump in einer Krise steckt. Doch der demokratische Präsidentschaftskandidat wollte sich von Stephanopoulos, der in den Neunzigerjahren für den damaligen Präsidenten Bill Clinton gearbeitet hatte, nicht überzeugen lassen.

Stattdessen griff Biden auf das Erklärungsmuster zurück, das er sich mit Hilfe seiner Berater in den vergangenen, dramatischen Tagen zurechtgelegt hat. So war sein Auftritt in der TV-Debatte in den Augen des 81 Jahre alten Präsidenten ein einmaliger Aussetzer.

Biden sagte: «Ich hatte ganz einfach einen schlechten Abend», weil er sich angeblich zwei Tage vor dem Fernsehduell mit einer wirklich heftigen Erkältung angesteckt hatte. Es gebe keine Hinweise darauf, dass er unter einer schwerwiegenden Erkrankung leide. Den Vorschlag des Moderators, sich einer unabhängigen gesundheitlichen Überprüfung zu unterziehen, wies Biden deshalb zurück. Niemand habe ihm bisher gesagt, er müsse sich testen lassen, sagte der Präsident.

Stephanopoulos, der für den Fernsehsender ABC arbeitet, gab nicht auf. Er fragte Biden, ob er nicht das Gefühl habe, er sei gebrechlicher als bei seinem Amtsantritt. Der Präsident antwortete mit einem festen «Nein». Natürlich sei er nicht mehr so schnell unterwegs wie in jüngeren Jahren, sagte er sinngemäss weiter, aber «ich bin immer noch in guter Verfassung». Er zweifle deshalb auch nicht daran, dass er vier weitere Jahre als Präsident tätig sein könne.

Der Moderator bohrte weiter. Er konfrontierte Biden mit seinen schlechten Umfragewerten. Und mit den zahlreichen anonymen Stimmen in seiner Demokratischen Partei, die ein Rückzug des Präsidenten fordern. Biden gab zurück, er sei bisher nicht persönlich mit solchen Forderungen konfrontiert worden. Die Führungsriege der Partei jedenfalls stehe hinter ihm. Und er sagte: «Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden gibt, der besser als ich qualifiziert ist, Präsident zu werden oder dieses Rennen zu gewinnen.»

Bezeichnend war auch die Antwort auf die Frage, wie er sich fühlen würde, wenn Trump im kommenden Januar erneut den Amtseid ablegen würde. Biden sagte: «So lange ich alles gegeben habe», könnte er mit seiner Niederlage leben. Dabei sagt doch der aktuelle Präsident regelmässig über den Ex-Präsidenten, Trump wolle die amerikanische Republik zerstören.

«Ich bleibe im Rennen», sagt Biden

Skeptische Abgeordnete im Repräsentantenhaus oder Senat, die an der Zugkraft Bidens in der kommenden Wahl zweifeln, lassen sich von solchen Aussagen nicht zufrieden stellen. Sie werden das lange Wochenende in den USA dazu nutzen, eine offene Revolte gegen Biden zu organisieren.

Im Gespräch mit George Stephanopoulos verkündete Biden, nur der liebe Gott («The Lord Almighty») könnte ihn im direkten Gespräch davon überzeugen, das Handtuch zu werfen. Zuvor hatte er an einem Wahlkampfauftritt in Madison (Wisconsin) verkündet, er gebe nicht auf. «Ich bleibe im Rennen.» Das sind nicht die Worte eines Politikers, der in den kommenden Stunden die schwerste Entscheidung in seiner langen Karriere treffen und alles hinwerfen will. Andererseits sind das auch nicht unbedingt Worte, die dafür sorgen werden, dass sich die Panikstimmung unter Amtsträgern der Demokraten legen wird.

In Washington jedenfalls lautete der Konsens nach dem 22 Minuten langen Fernsehgespräch: Der Überlebenskampf von Biden dauert an. Seine Darbietung war nicht derart katastrophal, als dass seine Familie ihn von einem Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf überzeugen könnte. Keine seiner Antworten wird aber wohl skeptische Wählerinnen und Wähler davon überzeugt haben, ihm noch einmal eine Chance zu geben.

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