Dienstag, Oktober 22

Die Dynamik von SAPs Weg in die Cloud ist ungebrochen. Allerdings könnte abermals die Kappungsgrenze der Deutschen Börse den weiteren Kursauftrieb bremsen. Bleibt nur der Umzug des Listings nach New York?

Der Höhenflug von Europas grösstem Softwarekonzern SAP setzt sich fort. Die Zahlen, die SAP am Montagabend nach US-Börsenschluss veröffentlichte, zeigen eine ungebrochene Dynamik des Cloud- und Softwaregeschäfts bei kräftig steigenden Gewinnen und Cashflows. SAP hob den Ausblick für 2024 abermals leicht an.

Entsprechend euphorisch starteten die Aktien am Dienstagmorgen mit einem Kursplus von über 5% in den Handel. Im Momentum Screen für den Dax, der die Aktien nach relativer Stärke sortiert, rangiert SAP auf Platz sechs, was ebenfalls für einen weiteren Aufschwung spricht.

Mit dem zuletzt schwächelnden niederländischen Chipmaschinenprimus ASML konkurriert SAP inzwischen um die Position als Europas wertvollster Tech-Konzern.

SAP-Chef Christian Klein hatte im Herbst 2020 – später als viele Rivalen – begonnen, das Geschäft in die Cloud umzusteuern. Dort sind deutlich höhere Wachstumsraten und Margen zu erzielen als bei Lizenzverkauf und Wartung von Software beim Kunden («on premise»). Nach anfänglichen Widerständen, auch bei vielen Kunden, holt der weltgrösste Anbieter sogenannter Enterprise-Resource-Planning-Software (ERP-Software) seit diesem Jahr gewaltig auf. Dies belegen auch die Zahlen für das dritte Quartal.

Von Juli bis September stiegen die Cloud-Erlöse abermals um 25% auf 4,35 Mrd €. Dies trieb den um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 27% auf 2,24 Mrd. €, und damit kräftiger als von Analysten erwartet. Der Konzernumsatz nahm um 9% auf 8,47 Mrd. € zu, der Nettogewinn kletterte um 13% auf 1,44 Mrd. €.

Auf dieser Basis peilt SAP für das Gesamtjahr nun Cloud- und Software-Erlöse von 29,5 bis 29,8 statt 29 bis 29,5 Mrd. € an. Das Betriebsergebnis werde bei 7,8 bis 8 statt 7,6 bis 7,9 Mrd. € liegen, so der Konzern. Der Free Cashflow soll im Gesamtjahr nun 3,5 bis 4 Mrd. € erreichen, statt der bisher prognostizierten 3,5 Mrd. €.

Dass das Wachstum auch für die nähere Zukunft gesichert scheint, belegt der sogenannte Current Cloud Backlog: Die Cloud-Buchungen für die nächsten zwölf Monate legten um 25% auf 15,4 Mrd. € zu.

Künstliche Intelligenz als Wachstumstreiber

Stärkster Wachstumstreiber bleibt die Cloud ERP Suite, die Software und Plattformen auf Mietbasis (as a Service) rund um das Hauptprodukt S4/Hana integriert: Ihr Umsatz stieg um 34% auf 3,6 Mrd. € – und damit das elfte Quartal in Folge mit über 30% Plus. Laut SAP-Chef Christian Klein spielt dabei künstliche Intelligenz (KI) eine immer wichtigere Rolle. Etwa 30% der Cloud-Vertragsabschlüsse im dritten Quartal hätten KI-Anwendungsszenarien enthalten, sagte Klein.

Das Ziel für den Betriebsgewinn hatte SAP schon im Juli um 200 Mio. € angehoben und hält daran weiter fest. SAP sei «auf dem besten Weg, unsere Ziele für 2025 zu erreichen», erklärte Klein am Montagabend. Auch für die Folgejahre bis 2027 seien zweistellige Wachstumsraten und steigende Gewinne zu erwarten.

SAP bestätigt ihre Ambitionen für 2025

Sehr sportliche Bewertung

Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass SAP in ihre mittlerweile sehr sportliche Bewertung weiter «hineinwachsen» kann. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 37 auf Basis der für die nächsten zwölf Monaten geschätzten Gewinne wird SAP derzeit höher eingeschätzt als die US-Riesen Microsoft und Oracle und die spezialisierten Rivalen Salesforce und Workday.

Problematisch ist aber, dass SAP abermals an die Dax-Kappungsgrenze stösst, die für SAP im März schon von 10 auf 15% erhöht wurde. Die Marktkapitalisierung von SAPs Streubesitz macht inzwischen etwa 15% der Marktkapitalisierung des Streubesitzes der 40 Dax-Werte aus.

Wird die Grenze übertroffen, setzt die Deutsche Börse das zu schwer gewordene Unternehmen alle drei Monate wieder auf das Maximalgewicht von 15% zurück. Dax-ETF müssen dann entsprechend SAP-Aktien verkaufen.

SAP hat sich nach eigenen Angaben an die Deutsche Börse gewandt, um die Kappungsgrenze abermals zu erhöhen. Für aktive Fondsmanager allerdings ist der aktuelle Höchstwert von 15% schon ein Ärgernis, da sie maximal 10% ihrer Fonds in einem Wert halten dürfen. Doch wie den Dax schlagen, wenn man einen der besten Werte untergewichten muss?

Zieht SAP das Listing nach New York um?

Das Dilemma scheint sich kurz- und mittelfristig kaum aufzulösen. Die anderen Dax-Schwergewichte wie Siemens, Deutsche Telekom und Allianz haben weit weniger als 10% Gewicht. Die im Leitindex stark vertretene Auto- und Chemieindustrie liegt darnieder. Entsprechend scheint ihr Kurspotenzial begrenzt, diese Grosskonzerne bleiben wohl noch länger eher Leichtgewichte im Dax.

Womöglich führt an einem Umzug des SAP-Listings in die USA kaum ein Weg vorbei, will man den Aktienkurs nicht künstlich kleinhalten. Das Dax-Gründungsmitglied Linde floh, als es an die 10%-Grenze stiess, nach New York: Seit der Notierung dort im März 2023 stiegen Linde-Aktien um 38%.

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