Mittwoch, Oktober 9

Schlechte Umfragewerte und koalitionärer Dauerzwist prägen das Bild der deutschen Bundesregierung. Während sich die Opposition erschüttert zeigt, wettert Olaf Scholz gegen die allgemeine «Miesepetrigkeit».

Am ersten Tag nach seiner Rückkehr aus den Sommerferien besuchte der Bundeskanzler ein Volksfest. Auf dem «Stoppelmarkt» im niedersächsischen Vechta versuchte sich Olaf Scholz an einer launigen Rede, die in eine überraschende Pointe mündete: «Die allergrösste Gefahr für unser Land», sagte der SPD-Politiker, sei doch, «dass Miesepetrigkeit die Oberhand gewinnt». Miesepetriger aber als die eigenen Koalitionspartner redet kaum jemand über Scholz und sein Kabinett. Der Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, gab dem rot-grün-gelben Bündnis nun ein Ablaufdatum und nannte es eine «Übergangskoalition».

Damit ist klar: Aus Sicht der Grünen kann von der «Ampel» lediglich erwartet werden, dass sie sich bis zu den nächsten Bundestagswahlen im Herbst 2025 irgendwie ins Ziel quält. Die Flickschusterei am Haushalt gilt als bisher letzter Beweis, wie sehr die Fliehkräfte von dieser Regierung, die einmal eine «Fortschrittskoalition» sein wollte, Besitz ergriffen haben.

Christian Lindner vermisst Gemeinsamkeiten

Mit Müh und Not einigten sich die drei Parteien auf einen Entwurf für das Parlament, ohne indes eine Finanzierungslücke von 12 Milliarden Euro schliessen zu können. Nouripour bekannte im ARD-Sommerinterview, sein «Glaube» sei nicht mehr da, dass sich an den permanenten Streitigkeiten zwischen den Partnern etwas ändern werde: «Diese Koalition ist eine Übergangskoalition nach der Ära Merkel – und wir werden dann vorankommen müssen als Land.»

Zwei Wochen zuvor, im «Sommerinterview» auf ZDF, hatte der Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzende Christian Lindner eine Probe liberaler «Miesepetrigkeit» gegeben: Die SPD stelle «viele Grundlagenentscheidungen» infrage, etwa in der Steuerpolitik. Das beobachte er «mit Sorge».

Grundsätzlich, so Lindner an anderer Stelle, gingen die fiskalpolitischen Vorstellungen bei SPD, Grünen und FDP «massiv auseinander». Diese Koalition müsse sich aufgrund geringer «natürlicher Gemeinsamkeiten» jede Einigung hart erarbeiten. Die nächste Regierung stehe vor einer epochalen Richtungsentscheidung. Das klang schon sehr nach Nouripours «Übergangskoalition», die Scholz am Montag noch zwei weitere Male beschäftigen sollte.

Zunächst war es sein Regierungssprecher, der sich vor Berliner Journalisten nach Kräften mühte, dem Eindruck einer allgemeinen Amtsmüdigkeit entgegenzuwirken, und sagte: «Der Kanzler sieht sich als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und hat vor, sich wieder wählen zu lassen.»

Friedrich Merz diagnostiziert Regierungsunfähigkeit

Am Abend dann, bei einem Bürgergespräch in Bremen, knüpfte Scholz an die Gute-Laune-Rede von Vechta an und lachte viel, auch im vertrauten glucksenden, keckernden Tonfall. Der Einblick ins praktische Regierungshandeln aber war von Lakonie gekennzeichnet. Die entscheidenden politischen Debatten würden erst im Koalitionsausschuss geführt, «und das ist natürlich für eine Gesellschaft ein Problem, weil das dann ein viel zu später Moment ist». Die «Anforderungen an gutes Regieren» seien auch darum sehr hoch.

Neben der Regierung hat auch die Opposition Zweifel, dass das aktuelle Berliner Kabinett zu gutem Regieren fähig sei. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz liess sich die Steilvorlage von Omid Nouripour nicht entgehen und hieb fest in die Stelle, die Olaf Scholz erkennbar schmerzt. Im Fernsehsender Sat. 1 erklärte Merz, die Koalition habe «nichts mehr zu sagen», die viertgrösste Volkswirtschaft der Welt sei «nicht mehr regierungsfähig». Der Kanzler lebe in einer anderen Welt und rede über Deutschland wie über ein Land, das er nicht kenne.

Der Kanzler sieht es anders. Vor den Bürgern in Bremen lobte er die «unglaublich vielen Beschleunigungsgesetze» und die «riesigen Förderprogramme», die seiner Regierung zu verdanken seien. In Bremen war ihm da Applaus sicher, in den Umfragen zuletzt nicht. Seine SPD notiert bei rund 15, die gesamte «Ampel» bei etwa 30 Prozent. Der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erwiderte da wohl, was er soeben mit Blick auf das schier endlose Gezerre um den Haushalt sagte: «Boah, is halt so, ne?».

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