An einer Sondersitzung der Arabischen Liga haben sich die Mitgliedstaaten auf einen Gegenvorschlag zu Trumps Ideen geeinigt. Ob er umgesetzt wird, ist ungewiss.
Die Treffen der Arabischen Liga haben normalerweise etwas seltsam Rituelles an sich. In pompösen Konferenzsälen voller üppiger Blumenbouquets treffen sich die Staatschefs der arabischen Länder, um entweder Bruderküsse auszutauschen, Israel und den Westen zu kritisieren oder interne Streitereien auszufechten. Bahnbrechende Entscheidungen werden dabei nur selten gefällt.
Am Dienstag war das anders. Auf dem lange erwarteten Sondertreffen der Staatengruppe in Ägyptens halbfertiger neuer Hauptstadt in der Wüste östlich von Kairo waren die arabischen Staatschefs mit einem Mal produktiv. Ohne Gegenstimme verabschiedeten sie einen gemeinsamen Plan zur Zukunft von Gaza. Er gilt als Gegenvorschlag zu Trumps Vorhaben, den Küstenstreifen zu entvölkern und in eine mediterrane Luxus-Riviera zu verwandeln.
Provisorische Häuser und neue Polizisten
Das von Ägypten eingebrachte, 105 Seiten lange Dokument, das bereits am Tag zuvor durch die Presse gegeistert war, sieht einen phasenweisen Wiederaufbau des kaputten Gazastreifens vor. Rund 53 Milliarden Dollar veranschlagen die Ägypter für diese Mammutaufgabe. Während der Bauarbeiten sollen die Einwohner Gazas in provisorischen Häusern untergebracht werden. In ferner Zukunft, so der Plan, sollen in dem Küstenstreifen sogar ein Hafen und ein Flughafen entstehen.
Zudem soll eine aus Experten bestehende palästinensische Ziviladministration die Verwaltung des kaputten Gebiets übernehmen; neu ausgebildete Polizeieinheiten sollen für Sicherheit sorgen. Sogar für die als machtlos und korrupt geltende Palästinenserbehörde von Mahmud Abbas ist Platz: Sie soll nicht nur die neue Verwaltung aus dem Hintergrund mitbestimmen, sondern am Ende auch wieder die Macht im Gazastreifen übernehmen, aus dem sie 2007 von der Hamas vertrieben worden war.
Ägyptens Präsident Abdelfatah al-Sisi, dem Gastgeber, war die Erleichterung anzusehen, als er den Gipfel eröffnete. Der in Kairo herrschende ehemalige General war durch Trumps Riviera-Plan besonders unter Druck geraten. Die wirtschaftlich angeschlagenen Ägypter wollen um alles in der Welt verhindern, dass Hunderttausende vertriebene Palästinenser aus dem benachbarten Gaza auf ihrem Territorium landen.
Der Vorschlag stösst auf wenig Gegenliebe
Erst angesichts der Drohung Trumps rangen sich die Araber zu einem konkreten Vorschlag zu Gaza durch. Davor hatten sie sich monatelang davor gedrückt. Ob die hochfliegenden Pläne von Kairo auch umgesetzt werden, ist allerdings fraglich. Denn trotz allen Details ist der Gaza-Vorschlag der Araber in vielem vage. So bleibt unklar, wer den Wiederaufbau bezahlen soll. Bis heute weigern sich mögliche Geberländer, Geld bereitzustellen, solange die Hamas im Küstenstreifen an der Macht ist.
Offiziell sieht der Kairo-Plan eine Entmachtung der Hamas vor. Die Terrorgruppe hat allerdings nicht im Sinn, das Feld freiwillig zu räumen. Zwar hat sie sich bereit erklärt, die ohnehin als Belastung empfundene Zivilverwaltung des kaputten Gebiets abzugeben. Ihre Waffen will sie jedoch behalten. Sollten die arabischen Staaten nicht bereit sein, die Hamas notfalls mit Gewalt zu entwaffnen, droht Gaza dasselbe Schicksal wie Libanon, wo mit dem Hizbullah ebenfalls eine schwerbewaffnete, radikale Miliz eine machtlose Regierung vor sich hertreibt.
Entsprechend waren auch die Reaktionen auf die Beschlüsse des Kairoer Gipfels. Nicht nur Israel, welches auf eine totale Entwaffnung der Hamas besteht und Gaza inzwischen wieder mit einer Totalblockade belegt hat, lehnte den Vorschlag ab. Auch in Washington stiess er auf wenig Gegenliebe. Präsident Trump bestehe auf seine eigene Vision eines Wiederaufbaus ohne die Hamas, sagte der US-Sprecher Brian Hughes in der Nacht auf Mittwoch.
Immerhin ein Blitzableiter
In Kairo zeigte sich aber auch, dass die Prioritäten der Araber selbst zum Teil weit auseinanderliegen. So schickten die wegen ihrer Finanzkraft für einen Wiederaufbau Gazas unentbehrlichen Länder Saudiarabien und Vereinigte Arabische Emirate nur ihre Aussenminister nach Ägypten. Sowohl Riad als auch Abu Dhabi pochen auf einen harten Kurs gegenüber der Hamas und haben wenig Lust, Geld in ein Gebiet zu pumpen, welches von den Islamisten beherrscht wird. Ohne handfeste Garantien werden sie sich kaum an einem Gaza-Plan beteiligen.
Die Staatschefs Algeriens und Tunesiens, welche in letzter Zeit mit einer radikalen Pro-Palästinenser-Haltung aufgefallen waren, blieben dem Gipfel ebenfalls fern. Stattdessen hatten mit dem Libanesen Joseph Aoun und dem neuen syrischen Präsidenten Ahmed al-Sharaa, früher bekannt als Abu Mohammed al-Julani, zwei Neulinge ihren ersten Auftritt. Beide waren in der Folge des israelischen Krieges gegen die mit der Hamas und Iran verbündete Schiitenmiliz Hizbullah ins Amt gekommen.
Vor allem Sharaa tat sich dabei als harter Israel-Kritiker hervor. Bisher hatte er sich trotz andauernden israelischen Luftangriffen auf sein Land zurückgehalten. An der offensichtlichen Schwäche der Araber angesichts der Lage in Gaza konnte der kämpferische Auftritt des Syrers aber nichts ändern. Doch selbst wenn ihr Vorschlag niemals umgesetzt wird – eine Funktion erfüllt er trotzdem: Er dient als Blitzableiter zu Trumps gefürchtetem Riviera-Plan.