Donnerstag, November 28

An der Börse hält die KI-Euphorie an. In Indizes wie dem MSCI World und dem S&P 500 ist die Konzentration von US-Technologieaktien sehr hoch. Wie sich die Risiken bei der Geldanlage besser streuen lassen.

Amerikanische Technologieaktien glänzen in diesem Jahr erneut mit fulminanten Kursgewinnen. Ganz vorn liegen dabei einmal mehr die Titel des Chipherstellers Nvidia mit einem Plus von 171 Prozent seit Anfang Jahr.

Doch auch die Kurssteigerungen des Facebook-Konzerns Meta (+45 Prozent), von Netflix (+44 Prozent), der Google-Mutter Alphabet (+28 Prozent) oder von Amazon (+22 Prozent) können sich sehen lassen. Auch die Papiere der Technologieriesen Apple und Microsoft gewannen in diesem Jahr rund 15 Prozent beziehungsweise 19 Prozent an Wert.

Grosses Potenzial für künstliche Intelligenz erwartet

Als Haupttreiber für die anhaltend starke Performance der amerikanischen Technologieaktien gilt die künstliche Intelligenz (KI). «Die Investoren trauen KI weiterhin sehr viel zu», sagt Chris Iggo, Anlagechef Core Investments bei Axa Investment Managers. Wie Unternehmensberatungen geht auch er davon aus, dass KI die Wirtschaftsleistung weltweit um Billionen von Euro steigern könnte. Aktivitäten, die momentan einen Grossteil der Arbeitskraft binden, sollen durch sie automatisiert werden. «Technologie verändert die Welt, sie macht sie produktiver», sagt Iggo.

In den vergangenen Jahren habe man mit amerikanischen Technologieaktien kontinuierlich mehr verdient als mit dem Gesamtmarkt, fährt er fort. Daran dürfe sich vorerst nichts ändern. «Wir stehen bei der Anwendung von KI erst am Anfang», sagt er. Das Momentum bei Technologieaktien aus den USA sei weiterhin sehr stark.

Hohes Gewicht in ETF auf den MSCI World

Viele Sparer und Anleger nutzen bekannte Börsen-Indizes wie den Welt-Aktienindex MSCI World oder das US-Leitbarometer S&P 500 für Vermögensaufbau und Altersvorsorge. Dafür setzen sie Finanzprodukte ein, welche die Entwicklung dieser Indizes abbilden – sogenannte Exchange-Traded Funds (ETF) oder Indexfonds. So haben sie in den vergangenen Jahren massiv vom Lauf der US-Technologietitel profitiert.

Die sieben gewichtigsten Titel im MSCI World waren per Ende Mai dieses Jahres allesamt amerikanische Tech-Titel. Microsoft kam dabei auf ein Gewicht von 4,5 Prozent im Welt-Aktienindex, dahinter folgten Apple mit 4,3 und Nvidia mit 4,2 Prozent. Ein weiteres Klumpenrisiko in dem Barometer sind generell Titel aus den USA, sie allein haben ein Gewicht von 71 Prozent. Bei anderen Welt-Aktienindizes haben US- und Tech-Titel ebenfalls ein sehr hohes Gewicht. Dazu zählen beispielsweise der MSCI-All-Country-World-Index, der FTSE All-World, der S&P Global 1200 oder der Dow Jones Global Titans Index.

Tech-Aktien dominieren Börsen und Indizes

Es könnte natürlich so kommen, dass die US-Technologieunternehmen dauerhaft wichtige Börsenindizes dominieren – im Schweizer Standardwerte-Barometer Swiss-Market-Index (SMI) ist dies ja beispielsweise mit Roche, Novartis und Nestlé auch der Fall.

Was passiert aber, wenn die Big-Tech-Firmen die extrem grossen Erwartungen der Investoren nicht mehr erfüllen können? Dann dürfte es auch bei ihren Börsenkursen abwärtsgehen. Wäre dies der Fall, so würden dies Sparer und Anleger, die sich von ihren Engagements in gängigen Welt-Aktienindizes eine breite Diversifikation erhoffen, zu spüren bekommen. «Die Übergewichtung in US-Technologietiteln sowie von US-Aktien in Welt-Indizes ist für Anleger nicht gesund», sagt Ali Masarwah, Partner bei der Fondsplattform Envestor.

Gefahr eines Crashs oder niedrigerer Renditen

Das Risiko sei nicht einmal unbedingt ein Crash der amerikanischen Technologieaktien. Es könne beispielsweise auch passieren, dass bei diesen Titeln nach der Überperformance eine längere Zeit mit geringeren Renditen folge, sagt Masarwah.

Historisch gesehen hat sich die Zusammensetzung der Top-Titel im MSCI World jedenfalls deutlich verändert. Laut einer Untersuchung des Pensionskassen-Beratungsunternehmens PPCmetrics waren beispielsweise 2014 Apple und Microsoft schon unter den grössten fünf Titeln im MSCI World, doch auch das Ölunternehmen ExxonMobil, der Pharma-Anbieter Johnson & Johnson sowie die amerikanische Bank Wells Fargo waren damals dabei.

Ein Risiko für die US-Technologietitel ist beispielsweise die Politik. Je dominanter und grösser die Technologieunternehmen werden, desto mehr steige die Wahrscheinlichkeit von Regulierungen oder gar eines Aufbrechens von Tech-Riesen in kleinere Einheiten, sagt Iggo. Am Freitagabend wurde bekannt, dass die EU-Kommission Apple anklagen dürfte, dass der US-Tech-Riese den Wettbewerb in seinem App-Store behindere.

Andere Unternehmen zahlen für Umsätze von Nvidia

Es sei auch zu beachten, dass die riesigen Umsätze von Nvidia aufgrund von Investitionen anderer Unternehmen in den Indizes zustande kommen, heisst es am Markt. Diese Einnahmen von Nvidia beruhten also auf massiven Ausgaben, die zumindest kurzfristig gesehen die Gewinne anderer Firmen schmälern.

Dabei ist noch unklar, was genau die Gewinne der Zukunft durch den Einsatz neuer Technologien sein werden. Die Euphorie entsteht dabei aus Erwartungen, dass die Technologiefirmen weiterhin überproportional stark wachsen und profitabel sind.

Was Anleger gegen die Konzentration tun können

Wer sich mit der sehr hohen Gewichtung der Tech-Titel und der USA in den Welt-Aktienindizes nicht wohlfühlt, kann andere Regionen und Branchen stärker gewichten, um die Risiken besser zu streuen.

Masarwah empfiehlt, beim Vermögensaufbau und bei der privaten Altersvorsorge nicht nach einer «Ein-Produkt-Lösung» zu suchen. Viele Anleger hätten bisher geglaubt, genau dies sei mit regelmässigen Einzahlungen in einen ETF auf den MSCI World möglich. Der Finanzexperte hält dies aber für zu einfach.

Hohe Gewichtung in US-Aktien lässt sich umgehen

Sein Tipp ist, beim Aktiensparen auf ETF zu setzen und das Geld dabei zu 80 Prozent in Standard- und zu 20 Prozent in Nebenwerten zu investieren. Die Standardwerte könnten beispielsweise zu 60 Prozent durch Aktien aus Industrieländern und zu 40 Prozent aus Schwellenländer-Titeln abgedeckt werden. Der Einfachheit halber werden auch hier Indizes des Anbieters MSCI verwendet.

Um die hohe Gewichtung in den USA im MSCI World zu umgehen, könne man dabei statt den MSCI World beispielsweise einen ETF auf den Index MSCI World ex USA – also den MSCI World ohne US-Titel – nutzen. Der gewünschte Anteil an Aktien aus den USA lasse sich durch Investitionen in den Index MSCI USA bestimmen. Eine andere Variante wäre die Beimischung von ETF auf europäische oder japanische Aktienindizes zum MSCI World.

Schwellenländer-Index von Technologieaktien dominiert

Auch bei Indizes auf Schwellenländer-Aktienindizes gibt es derweil Konzentrationsrisiken. Dies zeigt ein Blick auf die Zusammensetzung des Barometers MSCI Emerging Markets. Dieser war per Ende Mai dieses Jahres zu 27,2 Prozent in China, zu 18,1 Prozent in Indien und zu 18,1 Prozent in Taiwan investiert. Der gewichtigste Titel war der Halbleiterhersteller Taiwan Semiconductor mit 8,6 Prozent vor dem chinesischen Internetunternehmen Tencent mit 4,2 Prozent und dem Elektronikproduzenten Samsung mit 3,5 Prozent. Auch hier haben Technologieaktien also ein hohes Gewicht.

Am Markt ist zu hören, mit einer Anlage in einen ETF auf den MSCI Emerging Markets liessen sich die Risiken bei der Geldanlage in Aktien weniger gut streuen. Die Titel mit den höchsten Gewichtungen im MSCI Emerging Markets seien eng verbunden mit den grossen Tech-Titeln im US-Leitindex S&P 500.

Envestor-Partner Masarwah rät Anlegern, ihren Portfolio-Anteil an Standardwerten aus Schwellenländern mit einem ETF auf den Index MSCI China sowie einem ETF auf das Barometer MSCI Emerging Markets ex China abzubilden. So könne man Klumpenrisiken bei chinesischen Aktien sowie bei Technologietiteln vorbeugen und die Risiken der Geldanlage breiter streuen.

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