Freitag, Januar 10

An einer Elektronikmesse in Las Vegas wagt Nvidias CEO Jensen Huang einen Blick in die Zukunft. Seine Erzählung: Nach der generativen KI kommt nun die Robotik.

Wann immer Jensen Huang in einer schwarzen Lederjacke auf die Bühne tritt, hat es Wirkung. Huang ist der Gründer und CEO von Nvidia, dem zweitwertvollsten Unternehmen der Welt. Seine Worte haben bei Aktionären weltweit viel Gewicht. Am Montag war es wieder so weit, Jensen Huang hat in Las Vegas an der weltweit grössten Elektronikmesse, der Consumer Electronics Show (CES), eine Rede gehalten. Seine Botschaft: Nach der generativen KI kommt die Zeit der Roboter und selbstfahrenden Autos. Und Nvidia ist dabei.

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Der Zeitpunkt für diese neue Erzählung ist strategisch gewählt: Für Nvidia ist die Zeit für Diversifizierung reif. Der Halbleiterhersteller Nvidia hat für den KI-Boom mit seinen Computerchips die kritische Technologie zur richtigen Zeit geliefert und sich damit eine dominante Stellung im Markt gesichert. Das machte Nvidia im Sommer des letzten Jahres mit einer Marktkapitalisierung von 3,35 Billionen Dollar vorübergehend zum wertvollsten Unternehmen der Welt.

Doch Nvidias Kunden wie Amazon und Microsoft haben angefangen, eigene KI-Chips herzustellen. Nvidia wächst zwar immer noch stark, für das dritte Quartal verzeichnete das Unternehmen ein Umsatzwachstum von 94 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch das Wachstum verlangsamt sich. Auch der Aktienkurs kommt seit Monaten nicht mehr richtig voran. Im Dezember hatte er zeitweilig an Wert verloren, auch wegen einer Untersuchung, die die chinesischen Behörden im Dezember aufgrund von Antimonopolgesetzen gegen Nvidia angekündigt haben. Nvidia muss seinen Anlegern und Anlegerinnen nun zeigen, dass es weitergeht.

Der nächste Chat-GPT-Moment

Wie bei allen marktbeherrschenden Firmen, die als Pioniere vorangegangen sind, kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem der Markt allmählich gesättigt ist und es Zeit wird, neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Und dabei keinen Technologiesprung zu verpassen.

Man erinnert sich etwa an den Mobiltelefonhersteller Nokia, der es in den neunziger Jahren versäumt hatte, rechtzeitig auf ein modernes Betriebssystem für Smartphones zu setzen, und darauf seine Vormachtstellung verlor. Damals wurde mit dem iPhone der Markt aufgebrochen und für immer verändert. Für einen ähnlichen Schock sorgte Ende 2022 die Einführung von Chat-GPT, die generative KI auch Laien zugänglich macht.

Jensen Huang sieht einen solchen Moment in der Robotik kommen. Er sagt, nach der generativen KI sei nun in einer nächsten Phase die sogenannte physische KI an der Reihe. Also eine KI, die in Geräten zum Einsatz kommt, wie etwa in Robotern oder selbstfahrenden Autos.

Robotik: ein potenzieller «Billionen-Markt»

Für die ganze Robotik-Industrie spricht Jensen Huang von einem «Billionen-Potenzial». Allein der Markt für humanoide, also menschenähnliche Roboter soll bis 2035 38 Milliarden Dollar erreichen.

In diesem Markt sieht Nvidia, neben der Herstellung der nötigen KI-Chips und von entsprechender Software, seine Rolle im Training von Robotern in einem virtuellen Raum. Dafür nutzt Nvidia eine Art Metaverse, einen simulierten Trainingsraum, und verbindet ihn mit fotorealistischen Bildgebungsverfahren. Diese sind mit 20 Millionen Stunden Videoaufnahmen trainiert.

In einem virtuellen Raum die reale Welt künstlich abzubilden, ist gemäss Nvidia von Vorteil. Entwickle man nämlich Systeme, etwa für selbstfahrende Autos, in der realen Welt, sei das Training aufwendig und teuer. Doch in einem virtuellen Übungsumfeld mit synthetischen, simulierten Bewegungen könnten die Systeme effizienter und schneller lernen. Mit Toyota hat Nvidia bereits eine Zusammenarbeit angekündigt, weitere Partner sind Mercedes und Volvo.

Nvidias Roboter-Visionen sind geschicktes Marketing

Die Erzählung über die physische KI ist klug. Nicht nur zeigt sie Nvidias Absicht, neben seinem KI-Chip-Geschäft mit der Robotik auf eine Technik zu setzen, die möglicherweise relevanter wird. Humanoide Roboter und selbstfahrende Autos sind auch handfeste, greifbare Phantasien, unter denen sich die Menschen etwas vorstellen können. In der Literatur und Pop-Kultur faszinieren sie deshalb schon lange.

Johannes Schöning ist Professor am Institut für Computer Science an der Universität St. Gallen und forscht zur Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Er erachtet den Schritt von Nvidia, sich hin zur Robotik zu diversifizieren, zwar für sinnvoll. Die vorgestellten Zukunftsvisionen seien aber auch viel geschicktes Marketing. «Ich sehe den Robotik-Moment, wie ihn Huang beschreibt, für 2025 noch nicht.»

Die Entwicklung von Robotern und intelligenten Maschinen sei deutlich schwieriger als die Entwicklung von Sprachmodellen wie Chat-GPT. Es gebe weit mehr technische und regulatorische Hürden und Risiken zu überwinden. Man sehe dies etwa beim Autohersteller Tesla, dessen Bestrebungen, bis 2017 selbstfahrende Autos einzuführen, durch einen tödlichen Unfall im Jahr 2016 zurückgeworfen wurden.

Zu humanoiden Robotern sagt Schöning: «Ich glaube nicht, dass es einmal den einen Super-Roboterassistenten geben wird.» Er sieht Robotik eher in Bereichen, in denen es von Vorteil ist, nicht menschlich zu sein. Etwa, wenn sich Roboter durch Felsblöcke schlängeln und Verschüttete aufspüren können. Oder als Unterstützung beim Umlagern von Patienten in Pflegezentren. «Dass in Zukunft im Altersheim allein humanoide Roboter Menschen pflegen, halte ich für unwahrscheinlich.»

Die Vorhersagen grosser Technologieunternehmen sind mit Vorsicht zu betrachten. So hatte Meta, das damals noch Facebook hiess, im Sommer 2021 die grosse Zukunft im Metaverse gesehen und daraufhin auch seinen Namen angepasst. Doch der grosse Durchbruch des Metaverse blieb aus. Die Zukunftsvision erwies sich bloss als ein kurzfristiger Hype.

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