Nicht bloss Sparen, sondern sich anpassen, um mit Qualitätsjournalismus Geld zu verdienen: Der NZZ ist dies 2023 erneut gelungen. Die Aktionäre zeigten sich an der traditionellen Generalversammlung erfreut und Bundesrat Albert Rösti gratulierte. Doch das Umfeld bleibt herausfordernd.

Ein Prozent mehr zahlende Abonnenten, zwei Prozent mehr Umsatz und ein operativer Betriebsgewinn (Ebit), der sich im Kerngeschäft Publizistik mit 16,8 Millionen Franken auf dem Zehnjahres-Höchstwert des Vorjahres halten konnte: NZZ CEO Felix Graf konnte den am Samstag im Kongresshaus in Zürich versammelten Aktionären von Ergebnissen berichten, die sich von den zahlreichen Meldungen über Sparprogramme und Schrumpfkuren in der Medienbranche auffällig abheben.

Das ist nicht selbstverständlich, denn die Zeiten sind für Medienunternehmen anspruchsvoll, wie Isabelle Welton an ihrer ersten Generalversammlung als NZZ-Verwaltungsratspräsidentin unumwunden zugab.

Kostendisziplin und Wachstum

Der Qualitätsanspruch der NZZ bedeutet, dass bei den Personalkosten nur bedingt gespart werden kann. Zudem macht die Digitalisierung immer wieder neue Investitionen in die IT nötig. Diesen relativ hohen Fixkosten stehen ein kleiner Schweizer Heimmarkt, eine im Vergleich zum Geschäft mit der gedruckten Ausgabe zurückhaltendere Zahlungsbereitschaft digitaler Leser und der Abfluss von Werbeeinnahmen zu den grossen digitalen Plattformen gegenüber.

Die NZZ reagierte auf diese Herausforderungen im Kerngeschäft mit dem Ausbau ihres digitalen Angebots in Deutschland, von wo 2023 über 70 Prozent des Nettowachstums an zahlenden Abonnenten stammte. Durch die Trennung von CH-Media wegfallenden Synergien im IT-Bereich stand eine engere Zusammenführung der NZZ und der NZZ am Sonntag gegenüber, die Kosten sparen half. Bei den Einnahmen halfen das Online-Finanzmagazin «The Market» und «NZZ PRO Global», das Zusatzangebot für vertiefte Analysen und umfassende Einordnungen zu Geopolitik und Weltwirtschaft, den durchschnittlichen Ertrag pro Nutzer substanziell zu erhöhen. Auch das Konferenzgeschäft ist zu einer wichtigen Angebots- und Ertragsstütze geworden.

Für die Zukunft bleibt die Herausforderung, die Fixkosten durch weiteres digitales Umsatzwachstum im Griff zu behalten. Dabei gilt es den sinkenden Beitrag der Regionalmedien (CH-Media) und des Printgeschäfts (nur noch knapp 40 Prozent der Kunden lesen die NZZ als gedruckte Zeitung) möglichst überzukompensieren.

Für den Sommer 2024 ist die Lancierung einer von Grund auf erneuerten digitalen App geplant, kombiniert mit einem geänderten Abomodell. Auch die Übersetzung von Artikeln (NZZ in English) wird wieder zu einer Option. Zur ungebrochenen Nachfrage trägt bei, dass die weltpolitische Lage komplizierter und das Ausmass an mit künstlicher Intelligenz manipulierten falschen Informationen grösser geworden ist. Die Aufgabe, hier verlässliche Orientierung, Einordnung und Differenzierung zu bieten, hat so eher noch an Bedeutung gewonnen.

Änderungen im Verwaltungsrat

Isabelle Welton wies darauf hin, dass zur Erleichterung dieser Aufgabe die NZZ-Aktien vinkuliert sind und vinkuliert bleiben sollen. Niemand soll einen bestimmenden Einfluss auf die Redaktion erlangen können, weshalb der maximale Anteil der Stimmrechte, die ein Aktionär halten kann, auf ein Prozent beschränkt ist. Zudem müssen die Aktionäre entweder Mitglied der Partei «FDP.die Liberalen» sein oder sich einer freisinnig-demokratischen Grundhaltung verpflichtet fühlen.

Am Samstag genehmigten die Aktionäre alle Anträge inklusive der Ausschüttung einer Dividende von 200 Franken pro Aktie und kleineren Statutenänderungen. Nach elf engagierten Jahren im Verwaltungsrat, davon acht Jahre als dessen Vizepräsident, wurde Christoph Schmid wegen Erreichen des Altersgrenze mit viel Applaus verabschiedet.

Als Nachfolgerin wurde die Wirtschaftsanwältin Tanja Luginbühl in den Verwaltungsrat der NZZ gewählt. Sie hat an der Universität Zürich und an der New York University studiert und ist seit 2005 Partnerin in der Anwaltskanzlei Lenz & Staehelin in Zürich. Das Amt des Vizepräsidenten übernimmt neu Matthias Reinhart.

Bundesrat Rösti verteidigt SRG

Als Mitglied der SVP und nicht der FDP könnte Albert Rösti nicht NZZ-Aktionär werden. Als Bundesrat aber liess sich der nebst Energie und Umwelt auch für Medien und Kommunikation zuständige «Medienminister» die Gelegenheit nicht entgehen, sich an die zum traditionellen Bankett Versammelten zu richten. Rösti erinnerte die über 1000 Anwesenden daran, dass mit der Krise der Credit Suisse im vergangenen Jahr schmerzlich gewahr wurde, dass nur weil man als Institution betrachtet wird, Erfolg nicht in Stein gemeisselt ist. Umso froher sei er, erklärte er dann allerdings, dass die NZZ zeige, dass mit genügend Ausdauer, Beharrlichkeit und gleichzeitig Anpassungsfähigkeit Qualitätsjournalismus funktionieren könne.

Er sei überzeugt, dass unabhängige Medien und Meinungsvielfalt für das Funktionieren einer Demokratie unabdingbar seien. Der vom führenden SVP-Politiker zum Bundesrat gewordene Rösti brach in dem Zusammenhang eine Lanze für den Service Public. In der kleinen, aber vielfältigen Schweiz brauche es neben privaten Unternehmen einen öffentlichen Leistungsauftrag, den die SRG erfülle, erklärte Rösti. Und mit mindestens so viel Verve setzte er sich für eine Annahme des von der SVP mehrheitlich abgelehnten Stromgesetzes ein, das am 9. Juni zur Abstimmung kommt und eine rasche Erhöhung der inländischen Stromproduktion ermöglichen soll.

Unpopulärer Epochenwechsel

In seiner Ansprache analysierte Chefredaktor Eric Gujer schliesslich, wieso sich die Schweizer seit je vom Weltgeschehen nur ungern stören lassen, nach der Stille des lieben Glarnerlands sehnen und eine urschweizerische Allergie gegen «fremde Fötzel» hegen. Das führe gelegentlich zu einer beängstigenden Realitätsverweigerung und auch dazu, dass Diskussionen über das Verhältnis zur EU schnell in einen Glaubenskrieg ausarteten. Das Beharren auf Souveränität und Prinzipien habe zwar durchaus seine Vorzüge, doch könne sich das Land dem Epochenwechsel, der gerade stattfinde, nicht einfach entziehen und sollte zumindest zu einer zweckdienlichen Interpretation seiner Neutralität finden, mahnte Gujer.

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