Die Schweizer Speed-Fahrer beweisen auch im Mekka des österreichischen Skirennsports, dass sie in dieser Saison das Mass aller Dinge sind. Mit Marco Odermatt (1.) und Stefan Rogentin (3.) gehen zwei von ihnen an die Siegesfeier.
«Wird euch nicht allmählich langweilig?» Es ist Didier Cuche, der diese Frage stellt, Rekordmann in der Abfahrt von Kitzbühel mit fünf Siegen. Er spricht damit die fast unglaubliche Erfolgsserie der Schweizer in den Speed-Rennen dieses Winters an. Neun Abfahrten und Super-G wurden bisher ausgetragen, sieben Mal trug der Sieger das rote Dress von Swiss Ski. Und weil geteilte Freude besonders schön ist, stieg fünf Mal auch ein Teamkollege aufs Podest.
Auch im Super-G in Kitzbühel feierten die Schweizer zu zweit. Marco Odermatt siegte, Stefan Rogentin belegte Rang drei. Odermatt, der Gesamtweltcup-Sieger der letzten drei Saisons, stand in diesem Winter bereits sieben Mal zuoberst auf dem Podest, innert weniger Wochen hat er in der Sieg-Statistik die Schweizer Ski-Legende Pirmin Zurbriggen eingeholt und überholt. Odermatt ist 27-jährig, er kann noch lange auf höchstem Niveau fahren und hat doch bereits 44 Siege im Weltcup errungen.
Marco Odermatt🇨🇭 takes his first-ever victory in Kitzbühel, marking his 44th World Cup win and an impressive 80 career podiums! 🏆⛷️🔥
🥈 Raphael Haaser🇦🇹
🥉 Stefan Rogentin🇨🇭#FISAlpine #WinterSport #HahnenkammRennen #SkiVerrückt pic.twitter.com/CGZ3vABU3Y— FIS Alpine (@fisalpine) January 24, 2025
Der OK-Präsident ist gegen den Super-G
Bereits vor diesem Winter war es ein Thema, dass dem besten Skirennfahrer der Gegenwart die Ziele ausgehen. Er war schon Olympiasieger und Weltmeister, hat den Gesamtweltcup und die Saisonwertungen in drei Disziplinen gewonnen, liess sich vor dem Heimpublikum in Adelboden und Wengen als Triumphator feiern. Ihm fehle nur noch der Sieg in Kitzbühel, sagte Odermatt im letzten Herbst.
Jetzt kann er auch da ein kleines Kreuzchen setzen, klein deshalb, weil schon bei der Ansage im Herbst klar war, dass es ihm um die Abfahrt geht. Auf der schwierigsten Strecke der Welt zu gewinnen, ist so etwas wie die Eroberung des heiligen Grals der Abfahrer. Am Samstag wird Odermatt mit diesem Ziel im Kopf an den Start gehen.
Der Abfahrtssieg in Kitzbühel wurde in diesem Jahr wieder aufgewertet, weil es nur noch ein Rennen in der Königsdisziplin gibt. Von 2021 bis 2024 gab es jeweils zwei Abfahrten auf der Streif, was viele Athleten kritisierten, auch Odermatt. Sogenannte Doppelabfahrten, wie es sie im vergangenen Winter an mehreren Orten gab, sind körperlich extrem anforderungsreich und können den Wert eines einzelnen Sieges schmälern. Klappt es im ersten Anlauf nicht, kommt ja gleich der zweite Versuch.
Einer, der da dezidiert eine andere Meinung vertritt, ist Michael Huber, der OK-Präsident der Hahnenkammrennen. Er schwärmt davon, wie Beat Feuz 2021 gleich zweimal gewann, und betont, dass die Nachfrage nach Tickets für eine Abfahrt viel grösser sei als für einen Super-G. Huber wehrte sich deshalb dagegen, dass in diesem Jahr wieder ein Super-G ins Programm genommen wurde. Er sagt, er habe eine Liste mit hundert Punkten, die gegen den Super-G sprächen.
Dazu gehört, dass in Kitzbühel der Starthang des Super-G wenig spektakulär ist. Huber sagt, das sei ja wie an einem Schülerrennen. Ausserdem nervt er sich darüber, dass die blaue Farbe, die in den schwierigen Passagen des Super-G auf den Schnee gesprüht wird, die Abfahrtspiste verunstaltet. Huber träumt von einer Farbe, die über Nacht verschwindet. Jahr für Jahr wird mit neuen Mischungen experimentiert.
Der Super-G ist seit seiner Erfindung in den frühen 1980er Jahren immer wieder für Polemik gut. Die Idee hinter seiner Einführung war, den Speed-Fahrern wie den Technikern eine zweite Disziplin zu bieten, einen Super-Riesenslalom sozusagen. Man kann ewig darüber streiten, ob ein Kurs zu sehr drehe oder ob er bloss eine Abfahrt mit ein paar zusätzlichen Toren sei. Und ob sich dieses oder jenes Gelände überhaupt für einen Super-G eigne. Vor einigen Jahren wurde zum wiederholten Mal angeregt, die Disziplin aus dem Programm zu streichen.
Dabei hat gerade Kitzbühel spektakuläre Super-G erlebt. Die ersten fünf Rennen, die auf der Streif ausgetragen wurden, sahen alle österreichische Sieger, Hermann Maier galt hier in dieser Spezialität als beinahe unschlagbar. 2003 spielte das Wetter verrückt, und die Organisatoren entschieden sich kurzfristig, extra für den Super-G noch den Montag ins Programm zu nehmen.
Das war eine tiefe Verneigung vor Maier, der sich 2001 bei einem Motorradunfall derart schwer verletzt hatte, dass sogar die Amputation des rechten Beins drohte. Maier kehrte erst im Januar 2003 auf die Rennpisten zurück, vor dem Kitzbühel-Wochenende hatte er noch keinen Super-G bestritten. Das Rennen vom Montag war seine einzige Chance, sich für die WM in St. Moritz zu qualifizieren. Er gewann es.
Mit Köpfchen und Respekt fahren
Was den Super-G bei aller Kritik attraktiv macht, ist die Tatsache, dass es kein Training gibt und sich die Athleten ganz auf ihren Instinkt verlassen müssen. Das ist etwas, das Marco Odermatt liebt; er zeigt auch im Riesenslalom immer wieder, wie gut er einen Kurs lesen und eine Taktik umsetzen kann. In Kitzbühel bewies er das in der heikelsten Passage im oberen Teil, wo diverse Konkurrenten ausschieden oder stürzten.
Der Kurssetzer Andy Evers hatte dort ein Tor so ins Eis gepflanzt, dass der Kurs der Abfahrt gekreuzt wurde und die Kurve genau dort gezogen werden musste, wo die Piste vom Training gezeichnet war. Das sei eben Super-G, sagte Odermatt. Man habe die ruppige Stelle bei der Besichtigung gesehen, dann müsse man halt richtig fahren.
Das gelang dem Nidwaldner bestens. Er raste zwar nicht perfekt zu Tal, aber er beging auch keine groben Fehler. Bis sein Sieg feststand, musste er lange warten, weil immer wieder Athleten in die Fangnetze purzelten und zweimal der Helikopter losratterte, um Sturzopfer zu bergen. Für fünf Fahrer endete bis am Freitag die Kitzbühel-Woche im Spital. Das flösse ihm mit Blick auf die Abfahrt vom Samstag Respekt ein, sagte Odermatt. «Es bringt nichts, hier etwas erzwingen zu wollen.»