Anfang Jahr war die österreichische Ampel noch gescheitert. Nun stehen neue Verhandlungen offenbar kurz vor dem Abschluss.
Am Freitagnachmittag hat sich Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen noch mit einer für seine Verhältnisse scharfen Ermahnung an die Parteien gewandt, die sich seit bald 150 Tagen nicht auf eine neue Regierungskoalition einigen können. Er wolle nochmals daran erinnern, dass Kompromiss ein anderes Wort für eine gemeinsame Lösung sei, schrieb er auf X.
Knapp 24 Stunden später teilten ihm die Parteichefs der konservativen ÖVP, der Sozialdemokraten (SPÖ) und der Liberalen (Neos) mit, nun doch zusammen eine Regierung bilden zu wollen. Noch seien nicht alle Hürden aus dem Weg geräumt, aber es sei eine «gemeinsame Basis» vorhanden, sagte der ÖVP-Vorsitzende Christian Stocker, der wohl bald als nächster Bundeskanzler vereidigt werden wird.
Der erste Versuch endete mit Streit und Vorwürfen
Es ist die nächste Wendung im Ringen um eine neue Regierung. Die drei Parteien hatten schon in den Monaten nach der Wahl vom 29. September gemeinsam verhandelt, weil zunächst niemand mit der eigentlichen Wahlsiegerin – Herbert Kickls FPÖ – zusammenarbeiten wollte. Am 3. Januar scheiterten die Bemühungen aber spektakulär: Neos sah zu wenig Reformbereitschaft bei ÖVP und SPÖ und stieg aus, keine 48 Stunden später beendeten auch die beiden jahrzehntelang als grosse Koalition regierenden Traditionsparteien ihre Gespräche.
Die ÖVP wandte sich nach dem Rücktritt des ehemaligen Bundeskanzlers Karl Nehammer von der Parteispitze daraufhin doch der FPÖ zu und einigte sich mit dieser rasch auf einen Plan zur Konsolidierung des Staatshaushalts. Doch auch diese Verhandlungen scheiterten vor zehn Tagen an fundamentalen inhaltlichen Differenzen sowie der Frage, welche Partei das Innenministerium besetzen darf.
Beim dritten Versuch soll nun also gelingen, was im ersten Anlauf in Streit und gegenseitigen Vorwürfen geendet hatte. Ein wichtiger Grund für das Umdenken sind die in den vergangenen Wochen bekanntgewordenen Reformpläne der FPÖ, in denen alle anderen Parteien eine Gefahr für die liberale Demokratie sehen. Die Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger nannte in der gemeinsamen Erklärung der drei Parteivorsitzenden aber auch die veränderte geopolitische Lage. Alle seien nun in der Verantwortung, Sicherheit zu geben.
«Zuckerlkoalition» oder schlicht «Ömpel»
Nie zuvor in der Geschichte der Zweiten Republik hatte Österreich so lange keine ordentliche Regierung – die scheidende ist seit Oktober nur noch geschäftsführend im Amt. Nun steht das Land vor einer weiteren Premiere, dem ersten Dreierbündnis – wegen der bunten Farben der Parteien zuweilen «Zuckerlkoalition» genannt oder schlicht «Ömpel», österreichische Ampel. Ob es gelingt, die unbestritten notwendigen Reformen anzugehen, ist offen, zumal ein strikter Sparkurs eingeschlagen werden muss, um ein Defizitverfahren der EU zu vermeiden.
Immerhin hätten die drei Parteien eine klare Mehrheit im Parlament. Das ist auch der Grund, warum ÖVP und SPÖ, die zunächst eine Woche nur zu zweit verhandelt hatten, auch Neos an Bord holen wollen. Die ehemals grosse Koalition hätte zusammen nur die kleinstmögliche Mehrheit von einer Stimme gehabt.
Neuwahlen wollten dagegen ausser der FPÖ alle Parteien verhindern. Sie hätten vermutlich auch keine Klärung der Verhältnisse gebracht. Die Rechtspopulisten hätten womöglich noch etwas zugelegt, aber Kickls einzige Möglichkeit zu einer Parlamentsmehrheit wäre die Zusammenarbeit mit der ÖVP, und eine solche erscheint nach den letzten Wochen vorläufig unwahrscheinlich. Die FPÖ spricht nun von einer «Verlierer-Ampel», die «hinter den Kulissen an diesem grössten Wählerbetrug der jüngeren Politikgeschichte» gearbeitet habe.
Wann die neue Regierung steht, ist noch offen. In den kommenden Tagen soll das Programm ausgearbeitet werden, das am kommenden Wochenende dann den Parteigremien vorgelegt werden könnte. Neos muss laut den Statuten auch eine Mitgliederbefragung abhalten. Die entsprechende Abstimmung ist am 2. März geplant. Eine Vereidigung ist deshalb frühestens übernächste Woche möglich.