Dienstag, November 26

Viele Restaurants fördern den Offenausschank von Wein. Wenn das Angebot überzeugend, originell und qualitativ hochwertig ist, macht man Gäste glücklich. Das ist indessen nicht überall der Fall.

Wohl nirgends werden über 130 Weine glasweise ausgeschenkt – ausser im Restaurant Wunderbrunnen in Opfikon (ZH). So eine hohe Zahl ist zwar nicht zwingend notwendig für ein überzeugendes Angebot. Aber mit einer solchen Auswahl, dem Coravin sei Dank, ist es möglich, auch rare, gereifte und teure Tropfen einmal zu versuchen.

Beispiele gefällig? Den zuverlässigen und gereiften Bordeaux Château Haut-Bages-Libéral 1982 aus dem Pauillac gibt es für 29 Franken pro Deziliter, den ausgezeichneten Lagenwein Pago Negralada 2015 des spanischen Guts Abadía Retuerta aus dem Sardón de Duero für 15 Franken oder den vorzüglichen San Leonardo 2015 der Tenuta San Leonardo aus dem Trentino für Fr. 15.70. Wer will, kann selbstverständlich noch tiefer in die Tasche greifen.

Nicht überall lässt der Offenweinausschank die Herzen der Weinliebhaber und -liebhaberinnen höher schlagen. Regelmässig trifft man lieblos zusammengestellte Angebote an, die nicht über die Dauerbrenner Pinot Grigio, Valpolicella oder Beaujolais hinausgehen. Kürzlich machte ich Halt im schönen Landgasthof Pinte in Baden-Dättwil. Vorzügliches Essen, generell gute Weinkarte, aber die glasweise ausgeschenkten Gewächse wie der Sauvignon blanc «Vini Orsone» vom Weingut Bastianich aus dem Friaul oder der Pompier der Domaine de la Pertuisane aus dem südfranzösischen Languedoc rissen einen nicht vom Stuhl.

Und, bitte schön, warum fehlt die Jahrgangsangabe? Auch im Offenweinausschank ergibt es zwingend Sinn, anzugeben, aus welchem Jahr der betreffende Wein stammt. Schliesslich fallen die edlen Tropfen je nach klimatischem Verlauf des Jahrgangs anders aus. Das macht ja den Wein als Getränk so speziell und einzigartig. Wenn ein Tropfen stets gleich schmecken würde, könnte man ebenso Coca-Cola trinken.

Eine Auswahl von 15 bis 20 fair kalkulierten Crus

Was macht den ansprechenden Offenausschank in erster Linie aus? Ich finde eine Auswahl von 15 bis 20 unterschiedlichen Crus, die fair kalkuliert werden, durchaus ausreichend. Stets sollten ein, zwei Schaumweine und ein, zwei regionale Beispiele dabei sein. Also etwa in der «Pinte» Weine aus dem Aargau oder bei einem Zürcher Restaurant Gewächse vom Zürichsee oder dem Weinland.

Generell ist darauf zu achten, eine Auswahl zusammenzustellen, die eine möglichst breite Kundschaft anspricht. Dazu gehören ein guter Chardonnay oder ein aromatischer Sauvignon blanc bei den Weissen, ein beliebter Tempranillo aus Spanien oder ein Barbera aus dem Piemont, um lediglich einige Beispiele zu nennen. Zwischendurch darf es auch einmal eine entdeckenswerte Spezialität sein, aus der Schweiz, aber auch aus weniger gehypten Ländern wie Deutschland, Portugal oder Kroatien.

Gute offene Weine besitzen etwa – die nicht-repräsentative Auswahl beruht auf meinen persönlichen Besuchen – das Restaurant Zwyssighaus in Bauen (UR), die «Blaue Ente» in Zürich und das «Carlton» in Zürich.

Bemerkenswert sind jene Restaurants, die auf Anfrage auch Flaschen öffnen, die nicht glasweise angeboten werden und die nicht ausgetrunken werden müssen. Meistens beträgt die minimal zu konsumierende Menge 3 Deziliter. Zu zweit ist das nur wenig mehr als 1 Deziliter. Eine vorzügliche Alternative zu Offenweinen sind kleine Flaschen mit einem Inhalt von 3,75 Dezilitern. Leider füllen nicht allzu viele Weingüter ihr Produkt in dieses praktische Format ab.

Mit einem exzellenten und sorgfältig zusammengestellten Sortiment im Offenausschank kann ein Restaurant bei einem Wein-affinen Publikum punkten. Und Stammgäste gewinnen. Lokale, die etwas auf sich halten, machen das sowieso. Die Gäste haben so die Möglichkeit, neue Weine kennenzulernen, ohne gleich das Monatsbudget für auswärtiges Essen zu ruinieren. Sie haben zudem die Möglichkeit, einmal einen teureren Cru kennenzulernen, der sonst nie im eigenen Weinkeller gelandet wäre. Dazu kommt, dass viele Restaurantbesucher mit dem Auto unterwegs sind und den Alkoholkonsum vernünftigerweise reduzieren. Da sind glasweise ausgeschenkte Tropfen die beste Option.

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