Samstag, April 19

Die Pestalozziwiese wurde entrümpelt. Sie könnte zum grünen Schmuckstück der Innenstadt werden.

«Piep, piep, piep!» – «Gurrr, grrru, grrru!» Spatzen und Tauben haben die Pestalozziwiese längst in Besitz genommen. Zu Dutzenden bevölkern die gefiederten Bewohner die umgebaute Anlage, die am frühen Mittwochnachmittag von der städtischen Tiefbauvorsteherin Simone Brander (SP) feierlich eröffnet wurde. Passanten hingegen müssen sich gedulden, bis die Stadträtin nach einer kurzen Ansprache das grüne Band durchschnitten hat und auch die übrigen Absperrungen rund um das Pärklein an der Bahnhofstrasse endlich entfernt werden konnten.

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Doch dann war es so weit: Zürich hat seine «teuerste Wiese» wieder. Die Zeit der Gitter, Bagger und lärmigen Kettensägen ist vorbei. Rechtzeitig vor Ostern präsentiert sich die einzige Grünfläche der Innenstadt frisch arrangiert – fast so, als hätte sie sich für ein Hochglanzmagazin für Blumen- und Gartenfreunde zurechtgemacht: Die immergrünen Hecken sind verschwunden. Ebenso ein mächtiger Kirschlorbeer, den das Bundesamt für Umwelt zum invasiven Eindringling und daher zur Planta non grata in der Schweiz erklärt hatte.

Offener, lockerer, fröhlicher

Dafür wurde ein neuer Rasen ausgerollt: satt und kräftig grün. Er fühlt sich schön weich an unter den Schuhsohlen. Wenn es nicht nieseln würde und man nicht arbeiten müsste, würde man sich hier vielleicht glatt hinlegen für ein Päuschen. Ruhe im Grünen und das hektische Treiben auf Zürichs Prachtstrasse sind seit Mittwoch wieder nur wenige Schritte voneinander entfernt.

«Die Pestalozziwiese ist ein Platz zum Durchatmen», sagte Brander. Zum Innehalten. Und für Begegnungen im Alltag, die es sonst nicht geben würde. Sechzehn langgezogene Bänke auf der Anlage bieten dazu deutlich mehr Gelegenheit als früher. Sie freue sich bereits darauf, hier ihre Mittagspause zu verbringen und auf einer dieser Bänke ein Sandwich zu essen, sagte die SP-Politikerin. Das Büro der Tiefbauvorsteherin am Werdmühleplatz befindet sich ganz in der Nähe.

Zum Zmittag auf die Pestalozziwiese: Das ist mehr als nur eine schöne Formulierung einer Amtsträgerin, die sich volksnah geben möchte. Man kann Brander verstehen. Das Pärklein wirkt deutlich einladender als vor der Sanierung. Offener, lockerer, fröhlicher. Die strengen Hecken von früher dürfte niemand vermissen. Nicht einmal die Spatzen, derentwegen Vogelschützer auf die Barrikaden gestiegen waren.

Simon Kälin-Werth etwa, Gemeinderat der Grünen und Präsident des Natur- und Vogelschutzvereins Meise Zürich 2, konnte mit der «Aufwertung» der Anlage wenig anfangen. Die immergrünen Büsche bei der Pestalozzi-Statue seien seit Jahrzehnten so gewachsen. «Ich halte es für eine Sünde, die zu entfernen», sagte Kälin-Werth im vergangenen Mai gegenüber der NZZ. Und: «Das wird die Wohnungsnot der Spatzen in der Stadt Zürich gravierend verschärfen.»

Deutlicher wurde eine andere Spatzenfreundin, die der NZZ und dem «Tagblatt der Stadt Zürich» wochenlang E-Mails schickte und ihrer Wut auf die Behörden freien Lauf liess. «Heinrich Pestalozzi wird sich im Grabe umdrehen!», stand da zum Beispiel in Grossbuchstaben geschrieben. Und: «Das Tiefbauamt will sich aus der Verantwortung ziehen!»

Lob von Spatzenfreunden

Spatzen verstecken sich in Büschen. Dort können sie ungestört verzehren, was essende Menschen fallen lassen: ein Krümel hier, ein Krümel da, und dann schnell verschwinden – die Pestalozziwiese war ein Spatzenparadies. Und sie ist es weiterhin. Verstecken können sich die Vöglein in blühenden Apfelbäumen, Zerreichen, Ungarischen Eichen oder Rumelischen Kiefern, die neu gepflanzt wurden. Oder in der immergrünen Stechpalme, die sich um einen der beiden riesigen Schnurbäume an der Bahnhofstrasse rankt. Oder in der stattlichen Eiche zum Globus hin. Oder in der schiefen Schwarzkiefer, die ohne Hecken viel besser zur Geltung kommt. Dort hängt sogar ein Vogelhäuschen.

Und überhaupt: Blickdichte, immergrüne Hecken gibt es bei der Pestalozziwiese weiterhin, und zwar über der Lieferanteneinfahrt zum Globus-Warenhaus. Dort piept es den ganzen Tag. Es ist der Beweis, dass sich Stadtzürcher Spatzen von besorgten Vogelschützern nicht instrumentalisieren lassen. Von weiteren Exemplaren, die in aller Ruhe über den frisch verlegten Rasen hoppeln, ganz zu schweigen.

Mensch, beruhige dich! Das Leben auf der Pestalozziwiese ist schön! Das scheint mittlerweile auch die Spatzenlobby verstanden zu haben. Selbst die erwähnte Spatzenfreundin ist begeistert vom Resultat. «Tolle Neugestaltung, wirklich perfekt gelungen! Alles wirkt so leicht, luftig und erfrischend!», schreibt sie am Dienstagabend in einer E-Mail an die Projektverantwortlichen, die sie Wochen zuvor noch scharf kritisiert hatte.

«Es ist schön geworden»

Erfrischend ist der neue Platz tatsächlich. Jetzt kann man auf Kieswegen flanieren statt auf Betonplatten. Regenwasser kann versickern, ein Fortschritt fürs Mikroklima in dem Pärklein, vor allem an heissen Sommertagen. Die Anlage verfügt über drei Rabatten, in denen mehrere hundert Stauden sowie Tausende von Zwiebelgewächsen gepflanzt wurden. Zum Beispiel Krokusse, die noch gar nicht zu sehen sind.

Das bedeutet: Zürcherinnen und Zürcher dürfen sich freuen auf Frühlingsflor und weitere Pflanzen, die später blühen. Zu den Frühstartern in den Rabatten gehören Schlüsselblumen.

Andrew Katumba ist ebenfalls zufrieden. Der SP-Kantonsrat betreibt ein Pop-up-Café bei der Pestalozziwiese. Vor einem Jahr haben er und andere Unternehmer der Innenstadt zehn Kilogramm schwere Erdziegel herumgetragen, als die Anlage vorübergehend zur Blumenwiese wurde. Heute sagt der Politiker: «Es ist schön geworden.» Bis auf das Rechteck über einer unterirdischen Trafostation, das ausgespart werden musste auf der Grünfläche. Das müsse man noch verbessern.

Dafür könne man nun der Statue von Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) ganz nahe sein. «Und sich am Sockel anlehnen und ein Buch lesen zum Beispiel», sagt Katumba. Weniger erfreut ist der Kantonsrat über die Farbe der Bänke. Diese sei verdächtig, denn sie erinnere stark an das Logo der Gartenbaufirma, die die Pestalozziwiese umgebaut habe.

Werbung im öffentlichen Raum, und sei sie noch so subtil: für den Sozialdemokraten Katumba ein Ärgernis.

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