Montag, November 25

Der Preis für Olivenöl ist noch immer sehr hoch. Warum ist das so, woran erkenne ich ein gutes Öl, und wofür eignet es sich? Ein Anruf bei einer Olivenöl-Sommelière.

Der Mittelmeerraum ist ohne den Olivenbaum nicht denkbar. In der Antike galt er als heiliger Baum. In Athen war es damals strafbar, einen Olivenbaum zu zerstören. Ein alter, knorriger Olivenbaum hat etwas Mystisches. Der weltweit wohl älteste steht auf Kreta. Er soll mindestens 2000 Jahre alt sein, und er wirft noch immer Früchte ab.

Das aus den Früchten der Olivenbäume gewonnene Öl ist rund ums Mittelmeer praktisch ein Grundnahrungsmittel. Spanier, Italiener, Griechen verbrauchen jährlich pro Kopf über sieben Liter. Schweizer schaffen es auf knapp zwei Liter, Deutsche auf etwa einen Liter. In den vergangenen Monaten ist Olivenöl allerdings in den europäischen Ländern zum Luxusgut geworden. In Deutschland beispielsweise lag der Preis im Juli um 45 Prozent höher als noch im Vorjahr. Bei keinem anderen Lebensmittel gab es eine ähnliche Preissteigerung. In Italien und Spanien ketten Supermärkte ihre Olivenölflaschen aneinander, um sie vor Diebstahl zu schützen.

Zwei katastrophale Ernten hintereinander

Was macht den Zauber der Olive aus? Was macht sie derzeit so teuer? Und woran erkennt man ein gutes Öl?

Antworten darauf kennt Carmen Sánchez García, eine Expertin bei der Verkostung von nativem Olivenöl mit eigener Agentur in der Nähe von Köln. Wir erreichen sie per Telefon in Spanien.

Mit einem Irrtum räumt Sánchez García gleich zu Beginn auf. Wenn sie bei Seminaren ihre Kunden frage, welches Land das meiste Olivenöl produziere, tippten die meisten Menschen auf Italien oder Griechenland. Dabei ist Spanien der Hauptproduzent von Olivenöl, erst mit weitem Abstand folgt Italien.

Sie hat einen eindrücklichen Vergleich parat: Würde man die weltweite Olivenölernte als zwei Flaschen abbilden, käme eine Flasche aus Spanien, die andere Flasche wäre unter den übrigen Erzeugerländern aufgeteilt.

«Was den Preis hochgetrieben hat, waren die klimatischen Bedingungen: Insbesondere Spanien hat zwei katastrophale Ernten hintereinander erlebt.» Vor zwei Jahren hätten die Haine wunderschön geblüht, aber dann sei eine Hitzewelle gekommen und die Blüten seien abgefallen, die Ernte sei ausgefallen, sagt Sánchez García. «Letztes Jahr war es ebenso.»

In der EU werden rund zwei Drittel des weltweiten Olivenöls produziert. Normalerweise produzieren hier die Länder rund zwei Millionen Tonnen Olivenöl und etwa 900 000 Tonnen Tafeloliven. Doch für die Saison 2022/2023 fiel die Produktion auf rund 1,38 Millionen Tonnen, für 2023/2024 lag sie bei etwa 1,5 Millionen Tonnen Olivenöl.

Ein weiterer Grund, warum Olivenöl generell hochpreisiger ist, liegt in der Herstellung. Im Gegensatz zu Raps oder Sonnenblumen kann man die Oliven nicht maschinell ernten. Die Olivenernte ist sehr aufwendig, oftmals wird per Hand gepflückt oder die Früchte mit einer Art Kamm von den Ästen geklopft.

Ein Olivenhain müsse das ganze Jahr betreut werden, damit am Ende die Frucht in bestem Zustand sei, sagt Sánchez García. Bereits einige Tage vor der Ernte suche man genau den Moment, in dem die Olivenfrucht genug Öl habe und gleichzeitig noch eher grün sei – damit die Antioxidantienzahl so hoch wie möglich ist. «Wir brauchen eine Ölmühle, die nicht romantisch und rudimentär ist, sondern hightech. Dort muss es sauber sein, beinahe wie in einem Apothekenlabor. Es braucht Experten, die die Maschinerie genau bedienen können. Und die Lagerung muss stimmen.»

Olivenöl sollte bitter und scharf schmecken

Wie kann der Verbraucher nun ein gutes Olivenöl erkennen – über den Preis? «Beim Preis gibt es ein Minimum, unter dem man kein gutes Olivenöl finden kann», sagt Sánchez García. Aber auch bei hochpreisigen Ölen habe man nicht die Garantie, automatisch beste Qualität zu bekommen. Es sei unter 13–14 Euro heute unmöglich, einen halben Liter makelloses Olivenöl auf dem deutschen oder dem Schweizer Markt zu finden.

Doch nicht allein der Preis ist eine Richtschnur. «Jeder Verbraucher sollte sich einmal mit einem Fachmenschen zusammensetzen und lernen, mit Nase und Gaumen die Qualität zu erkennen», sagt die Olivenöl-Sommelière. «Ein gutes Olivenöl sollte nach Natur riechen. Nach nichts anderem. Es kann der Geruch von einem Blatt oder von frisch gemähtem Gras sein, von frischer Kamillenblüte oder dem Aroma einer Tomate.»

Und wie schmeckt ein gutes Öl? «Da sollte das fruchtige Aroma aus der Natur in Verbindung mit Bitterkeit und Schärfe zu spüren sein. Diese beiden Eigenschaften sind das beste Kriterium für ein frisches, gutes Olivenöl», sagt Sánchez García. Je bitterer und schärfer das Olivenöl sei, desto mehr Antioxidantien habe es. «Das macht es länger haltbar, es wird später ranzig. Die Antioxidantien sind auch wichtig für die Gesundheit.»

Ein weiterer Irrtum, dem viele anhingen, betreffe die Verwendung von Olivenöl. Viele glaubten, dass es nur für Rohkost geeignet sei, sagt Sánchez García. Dass es sich nicht zum Braten, Backen oder Frittieren eigne, gar gesundheitsschädlich sei. Doch alle seriösen Studien zeigten, dass Olivenöl ideal für die Verwendung auch bei hohen Temperaturen sei.

Die gebürtige Spanierin gerät ins Schwärmen, wenn sie vom Olivenöl spricht: «Olivenöl ist ein Geschenk der Natur. Es ist eine Bereicherung für die Küche. Es bietet so viele Möglichkeiten und ergänzt die Verwendung von Butter und anderen Fetten. Unter gesundheitlichen Aspekten ist Olivenöl viel gesünder als andere Fette», ist Sánchez García überzeugt. Doch wichtig sei auch die Tradition in jedem Land. «Es gibt tolle Rezepte von Gerichten mit Butter oder anderen Fetten, bei mir steht auch immer eine schöne Butter im Kühlschrank.»

Gutes Olivenöl bekommt man auch im Supermarkt: «Für eine Verwendung in grossen Mengen, zum Beispiel für eine Marinade oder zum Frittieren, können Sie ein günstigeres Öl im Supermarkt kaufen. Diese Olivenöle sind nicht schlecht. Zum Braten oder Backen tut es auch ein Öl, das nicht ganz so brillant ist», findet Sánchez García. «Für ein Top-Öl dagegen, das Sie wie ein Gewürz einsetzen wollen, sollten Sie sich einmal von einer Fachperson beraten lassen, eine Verkostung machen. Wie bei einem Wein lernt man dort, die Olivenaromen zu entdecken.»

Und noch einen Hinweis gibt Sánchez García: «Ein Olivenöl ist kein Wein. Es wird nie besser mit dem Alter.» Daher sollte man darauf achten, dass die Flaschen von der letzten Ernte stammen, um die beste Qualität zu bekommen.

Verwirrung auf den Etiketten

Die Begrifflichkeiten auf den Etiketten sind manchmal verwirrend. Natives Olivenöl extra oder natives Öl – wo liegt der Unterschied? «Natives Olivenöl» bedeute zunächst, dass die Oliven bei niedrigen Temperaturen und nur unter mechanischem Verfahren verarbeitet worden seien. Abhängig davon gebe es verschiedene Qualitätsstufen, sagt Sánchez García.

«‹Natives Olivenöl extra› wurde im Labor untersucht und von professionellen Verkostern getestet. Wenn Labor und Verkoster grünes Licht geben, haben wir extra natives Olivenöl.» Würden dagegen Fehler – beispielsweise beim Geschmack – im Labor oder vom Panel gefunden, aber in kleiner Intensität, sei es «nur» ein natives Olivenöl. Eine dritte Kategorie sei lampantes Olivenöl. «Es ‹stinkt› oder schmeckt ‹schrecklich›, zum Beispiel sehr ranzig oder modrig. Diese Öle werden raffiniert, dabei entsteht ein neutrales Fett. Das wird gemischt mit nativem oder extra nativem Olivenöl, kommt so auf den Markt, es heisst dann einfach Olivenöl.»

Die besten Produzenten kämpfen laut Sánchez García seit Jahren darum, einen neuen Begriff zu finden, denn «extra nativ» bedeute mittlerweile kaum mehr etwas. Die Top-Produzenten hätten gerne einen Begriff, der wirklich für Qualität stehe und wofür man dann auch mit Recht einen höheren Preis fordern könne.

Die Olivenölkrise dürfte sich in den kommenden Monaten entschärfen, die Preise infolgedessen sinken. Sánchez García sagt: «Es sieht viel besser aus, die Agronomen schauen deutlich optimistischer nach vorne. Vielleicht wird es nicht die beste Ernte, aber sehr viel ertragreicher als in den Vorjahren.»

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