Donnerstag, November 21

Einst galt Olympique Lyon als visionär, nun steht der Fussballklub für die prekäre Finanzsituation der Ligue 1. Der amerikanische Eigentümer verspricht Rettung – wie sie gelingen soll, bleibt unklar.

Der alte Patron hat Nein gesagt. Jean-Michel Aulas, 75, mag nicht noch einmal in leitender Funktion zu Olympique Lyon zurückkehren. Dabei wäre das natürlich ein starkes Signal gewesen, nachdem der siebenmalige Meister von der französischen Fussball-Finanzaufsicht DNCG provisorisch zum Zwangsabstieg verurteilt wurde. Bei rund 500 Millionen Euro liegen die Schulden. Gelingt bis zum Saisonende kein Turnaround, geht es für den Klub danach in der Ligue 2 weiter.

In der Zweitklassigkeit hatte Aulas 1987 sein Werk begonnen. Danach formte der Geschäftsmann den Verein aus Frankreichs zweitgrösster Metropolregion zum Musterklub. Seit dem Aufstieg 1989 stieg der Klub nie wieder ab; zwischen 2001 und 2008 gelangen sieben Meisterschaften in Serie. «OL» erwies sich als geradezu visionär: in der Ausbildung von Stars wie Karim Benzema; im Frauenfussball, dessen Champions-League-Rekordsieger der Klub mit acht Titeln ist; an der Börse, an die OM als erster französischer Verein ging und an der er wie ein diversifiziertes Imperium auftrat – mit Reisebüro, Hotels und weiteren Sparten. Zeitweise gehörte OL zu den reichsten Klubs im europäischen Fussball und Aulas selbst zu den mächtigsten Playern in dessen Gremien.

Sochaux und Bordeaux sind bereits relegiert worden

Doch als Aulas 2022 die Anteilsmehrheit an den US-Investor John Textor, 59, verkaufte und 2023 auch das Präsidium abgab, herrschte wieder Tristesse. Mit dem Einstieg der Katarer bei Paris Saint-Germain war bei den Männern nicht nur die landesweite Vormachtstellung passé, OL konnte sich auch nicht einmal auf Platz zwei bewähren. Gegen den Trend gelang 2020 zwar der Einzug in den Champions-League-Halbfinal, doch es sollte bis heute die letzte Teilnahme an der Königsklasse bleiben. Höheren Ansprüchen genügen nur noch die Ausgaben für Gehälter und Transfers – im Sommer 2024 wurde auf dem Spielermarkt ein Minus von 109 Millionen Euro angehäuft.

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Im kriselnden französischen Fussball sind solche Investitionen derzeit nicht ansatzweise refinanzierbar. Die Lage bei den Fernsehrechten verdeutlicht das Dilemma: Statt wie angestrebt Einnahmen von einer Milliarde Euro zu erzielen, musste die Ligue 1 ihre Fernsehrechte kurz vor dem Saisonstart für die Hälfte abgeben, um mit Dazn und BeIn überhaupt zwei Abnehmer zu finden.

Die Reduzierung von 20 auf 18 Vereine vor der vergangenen Spielzeit hat Attraktivität und Nachhaltigkeit bisher ebenso wenig erhöht wie die Abgabe von 13 Prozent der Anteile an den Private-Equity-Fonds CVC im Gegenzug für eine Finanzspritze von 1,5 Milliarden Euro. Lizenzentzüge sind keine Seltenheit, der einstige Peugeot-Klub FC Sochaux wurde in die dritte Liga zurückgestuft, der sechsmalige Meister Girondins Bordeaux gar in den Amateurfussball.

Derweil milliardenschwere Eigentümer in Paris, Monaco (der Oligarch Dmitri Rybolowlew) oder Nizza (der Ineos-Chef Jim Ratcliffe) notfalls aus ihrer Firmen- oder Privatkasse Geld nachschiessen, liessen Textor und seine Eagle Football Holding bisher keine solchen Absichten erkennen. Vielmehr wurde bereits Tafelsilber abgegeben, allen voran die Mehrheit am erfolgreichen, wenngleich defizitären Frauenteam. Die Finalistinnen der vergangenen Champions League wanderten im globalen Fussball-Monopoly an die Gruppe Kysnica Sports, der weitere Klubs in Washington und London gehören. Auch das 2019 erworbene amerikanische Frauenteam OL Reign wurde 2023 wieder abgegeben.

Zusätzlich zur Mehrheit an Olympique Lyon hält Textor weiterhin die am Traditionsklub Botafogo aus Rio de Janeiro und am belgischen Verein RWD Molenbeek sowie 45 Prozent an Crystal Palace aus der Premier League. Der Medienunternehmer und frühere Skateboard-Profi hatte aber wiederholt angedeutet, seine Anteile am Klub aus London verkaufen zu wollen, um anderswo im englischen Fussball eine Mehrheitsbeteiligung zu übernehmen. Nun führte er sie in Gesprächen mit der DNCG auch als Sicherheit für die Schulden von OL an. Doch die Finanzaufsicht zeigte sich wenig beeindruckt – und schockierte Lyon mit der Androhung des Lizenzentzugs.

Textor spricht den Prüfern die Kompetenz ab

An einer Medienkonferenz unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen auf dem OL-Gelände erklärte Textor daraufhin, den Prüfern fehle das Verständnis für die Synergien seines Vereinsnetzwerks. Gegebenenfalls liessen sich etwa auch Ressourcen aus dem Verkauf von Botafogo-Stars gewinnen – tatsächlich steht der Klub dieser Tage vor dem Gewinn der brasilianischen Meisterschaft und im Final der Copa Libertadores, des Pendants zur europäischen Champions League.

Neben rund 200 Millionen Euro für die Crystal-Palace-Aktien könne die Eagle Football Holding ausserdem rund 100 Millionen Dollar durch einen Gang an die New Yorker Börse generieren, sagte Textor. «Und wenn aus irgendeinem Grund all diese Strategien scheitern, können wir auf unglaublich reiche Anteilsinhaber zählen», versprach er den OL-Fans: «Damit eines ganz klar ist: Dieser Klub wird nicht absteigen, das wird nicht passieren.»

Selbst der Eigentümer räumt jedoch ein, dass im Winter Spieler verkauft werden müssen, will der Klub noch eine Chance auf die Lizenzerteilung haben. Hoffnungsträger wie das Eigengewächs Rayan Cherki, 21, den Belgier Malick Fofana, 19, oder den georgischen EM-Torschützenkönig Georges Mikautadze, 24, könnten die Anhänger demzufolge nur noch wenige Wochen bestaunen. Nach jüngst ansprechenden Darbietungen rangiert OL in der Tabelle derzeit zwar auf Platz fünf. Doch eine Rückkehr der grossen Zeiten erscheint ferner denn je.

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