Donnerstag, Oktober 10

Die Schweizer Vertretung in der US-Hauptstadt stellt der Rennschuh-Firma On ihren Swimmingpool für eine Werbeveranstaltung gratis zur Verfügung. Und das, obwohl On über ein riesiges Marketingbudget verfügt.

110 Meter Hürden, 100 Meter der Männer, 800 Meter der Frauen. Am 3. August war der olympische Leichtathletik-Wettbewerb in Paris in vollem Gang. Und die Zürcher Laufschuhfirma On bespielte mit ihren vielen gesponserten Athleten die ganz grosse Bühne des globalen Sportmarketings.

Doch auch abseits des olympischen Scheinwerferlichts war On nicht untätig. Der Rahmen war zwar kleiner, aber das Setting konnte sich ebenso sehen lassen: In der US-Hauptstadt Washington fand an dem Tag ein 5-Kilometer-Lauf statt, dessen Zieleinlauf das imposante Schweizer Botschaftsgelände war.

Hier wurden die Läufer vom Botschaftspersonal verpflegt und konnten sich anschliessend im Pool, der ebenfalls zum Gelände gehört, abkühlen. Der Botschafter Jacques Pitteloud, dessen fünfjährige Amtszeit in Washington zwei Tage nach dem Rennen ausgelaufen ist, stellte die Bilder des Anlasses stolz ins Netz.

Pitteloud scheint ohnehin ein Fan der Marke zu sein. Vergangenes Jahr streckte er in einem humoristischen Video, welches die Unterschiede zwischen Schweden und der Schweiz aufzeigen sollte, seine mit On-Schuhen mit abgewetzten Sohlen versehenen Füsse lässig in die Kamera. «Lasst uns über Mode sprechen: Wo auch immer ich hinschaue, von Maine bis nach Alaska, rennen die Leute in On-Schuhen», lässt er die Zuschauer wissen.

Der Lauf-Event mit dem Namen «Climb to Switzerland» in Washington wird schon seit 2017 von On, einem lokalen Sportgeschäft und der Botschaft organisiert. Ein ähnlicher Anlass fand 2018 und 2023 auch mit Unterstützung der Schweizer Vertretung in London statt. Alle Sportinteressierten dürfen mitmachen, auch Botschaftspersonal lief mit. Die Läuferinnen und Läufer bekommen ein Paar On-Schuhe zur Verfügung gestellt, das sie nach dem Rennen wieder zurückgeben.

Solche Marketing-Läufe organisiert On zahlreich auf der ganzen Welt. Sie sollen potenzielle Kunden von den eigenen Produkten überzeugen. Das Spezielle am Lauf in Washington: Hier darf das Unternehmen das Botschaftsgelände nutzen, und zwar gratis. Dies bestätigt das Aussendepartement (EDA) auf Anfrage. Das Areal ist im Besitz der Schweizerischen Eidgenossenschaft und gehört damit letztlich dem Steuerzahler. Hinzu kommt der Apéro, für welchen die Botschaft aufkommt.

Dabei ist On schon lange kein kleiner Herausforderer mehr wie 2017, als die Zusammenarbeit begann. Sondern eine Milliardenfirma, welche am Dienstag erneut starke Halbjahreszahlen vorgelegt hat. Warum also finanziert die offizielle Schweiz einen solchen Public-Relations-Anlass indirekt mit? Müsste da nicht zumindest eine Miete fällig werden?

Coolness gegen Swissness

«Die Botschaft stellt ihr Gelände nicht Firmen zur Verfügung, und es ist auch nicht vorgesehen, dass eine Botschaft für die Nutzung ihres Geländes bezahlt wird. Es handelt sich jeweils um eine Form der Zusammenarbeit», schreibt das EDA. Denn auch das Land würde von solchen Events profitieren, so das Aussendepartement. Kollaborationen seien wichtig für eine «effektive Landeskommunikation».

Man lege den Fokus auf einen «Imagetransfer» zwischen der offiziellen Schweiz und den beteiligten Unternehmen. «Die Schweizer Botschaften haben ein Interesse daran, die Schweiz mithilfe von populären Marken zu präsentieren. Umgekehrt können Schweizer Firmen wie On solche Anlässe als Plattform nutzen.»

Mit anderen Worten: Die Schweiz soll mithilfe von On im Ausland cooler rüberkommen. Und On dank der Kollaboration mit der Botschaft schweizerischer. Denn auch wenn die Produkte des Unternehmens in Asien produziert werden, ist Swissness ein integraler Bestandteil des On-Marketings. Die Athleten von Swiss Olympic werden mit On-Kleidern ausgestattet. Auf vielen Schuhen prangt ein Schweizerkreuz. Damit kann sich die Firma von der hauptsächlich aus den USA stammenden Konkurrenz abheben.

Wirtschaftsförderung für Firmen aus der Heimat zu betreiben, gehört zum Alltag von Schweizer Botschaften. Welche Events und Veranstaltungen sie jeweils unterstützen, liegt in ihrem eigenen Ermessen. Das Zur-Verfügung-Stellen eines ganzen Areals ist aber unüblich.

«Schweizer Botschafter können selber entscheiden, ob sie Hand bieten wollen – zum Glück. In anderen Ländern muss das jeweils mit der Zentrale abgesprochen werden. Im Gegenzug tragen Schweizer Botschafter auch die Verantwortung, wenn etwas schiefläuft», sagt Tim Guldimann, der vor seiner Pensionierung unter anderem Botschafter in Berlin war und die SP im Nationalrat vertrat.

Es sei ein Spannungsfeld, in dem man sich als Botschafter befinde. Die einen fänden solche Anlässe daneben. Andere wiederum fänden, die Schweiz tue viel zu wenig für Schweizer Firmen, sagt Guldimann.

«Ich persönlich habe Anlässe immer gerne durchgeführt, wenn sie den Schweizer Wirtschaftsinteressen gedient haben. Bei Einzelfirmen war ich jedoch etwas zurückhaltend», sagt der ehemalige Spitzendiplomat diplomatisch. Zudem habe er jeweils einen Sponsor gesucht, der dann auch explizit erwähnt worden sei.

Nike auf den Fersen

Es gebe ein paar Aspekte, die man beachten müsse: Werden alle Firmen etwa gleich behandelt? Ist die Firma glaubwürdig, oder läuft man Gefahr, dass sie demnächst pleitegeht oder in kriminelle Machenschaften verwickelt ist? «Das würde dem Image der Schweiz schaden», sagt Guldimann.

Diese Gefahr ist bei On gering. Und trotzdem: An Marketingbudget fehlt es dem Unternehmen nicht. Es investiert Millionen in den eigenen Brand. Im Juni hat On mit der amerikanischen Schauspielerin Zendaya zum Beispiel einen Topstar als Markenbotschafterin gewonnen.

Das Unternehmen schreibt, dass es sich beim Rennen in Washington um eine Event-Reihe handle, die ins Leben gerufen worden sei, bevor man eigene Läden und Büros vor Ort gehabt habe. «Das Konzept ist, irgendwo in der Stadt zu starten und zur Schweizer Botschaft in der Stadt zu laufen.»

Lauf-Events seien ein zentraler Pfeiler in der Kundenstrategie von On. Auf die Frage, ob man das Rennen in Washington auch durchführen würde, wenn eine Miete für die Geländenutzung anfallen würde, antwortet die Firma ausweichend: «Wir organisieren viele Community-Events, unabhängig davon, ob uns die Location zur Verfügung gestellt wird oder nicht.»

Sicher ist: Die Strategie, auf kleine Lauf-Events und -Klubs zu setzen, geht auf. Seit der Corona-Pandemie boomen Laufgruppen und Rennklubs. Das haben die Marken erkannt, sie suchen die Nähe zur Strassenrennszene. In Zürich leitet On jeden Mittwoch eine Laufgruppe an. Startpunkt ist der On-Hauptsitz in Zürich-West, welchen man praktischerweise gleich dazu nutzen kann, neue Produkte vorzustellen und an Läufern zu testen.

Unter anderem dank dieser Kundennähe ist On zu einer ernsthaften Konkurrenz für altbekannte Branchengrössen wie Nike und Adidas geworden. Das 2010 gegründete Unternehmen wächst rasant, vor allem in den USA und Asien. In den letzten zwölf Monaten erzielte das Unternehmen einen Umsatz von über zwei Milliarden Franken.

Zweifellos ist On damit eine Schweizer Erfolgsgeschichte, die auch gefeiert werden darf. Ob eine Schweizer Botschaft dafür aber gleich ihren Pool zur Verfügung stellen muss, kann zumindest hinterfragt werden.

Ein Artikel aus der «»

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