Die Familie Sawiris will die Immobilien- und Hotelgruppe zu einem tiefen Preis von der Börse nehmen. Dabei gibt sie jedoch widersprüchliche Aussagen ab. Ein Fall für die Übernahmekommission?
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Die Familie Sawiris will die Immobilien- und Hotelgruppe Orascom Development Holding von der Börse nehmen und offeriert den Publikumsaktionären 5.60 Fr. je Titel. Gegenwärtig, noch bis zum 5. Februar, läuft die Andienungsfrist.
Ich habe mich im Dezember bereits darüber geäussert: Der Angebotspreis ist eine Dreistheit. Die Familie Sawiris – wobei die Transaktion offenbar vom 34-jährigen Naguib Sawiris vorangetrieben wird – nutzt schamlos die Tatsache aus, dass der Publikumsmarkt das Interesse an Orascom verloren hat.
Stossend ist es primär deshalb, weil Management und Verwaltungsrat von Orascom DH während Jahren damit geworben haben, dass die nicht entwickelten Landreserven in diversen Lokalitäten – Ägypten, Oman, Vereinigte Arabische Emirate, Montenegro, Schweiz, Grossbritannien, Marokko – einen erheblichen Wert aufweisen, der vom Börsenkurs nicht reflektiert werde. Letztmals ist der CEO der Gesellschaft beispielsweise an der Investora-Konferenz im September mit diesem «Pitch» angetreten.
In der «Fairness Opinion» zum Übernahmeangebot wird der Wert dieser nicht entwickelten Landreserven nun aber grösstenteils mit Null beziffert. Viel sauberer und ehrlicher wäre gewesen, wenn der Verwaltungsrat von Orascom DH eine externe Prüfgesellschaft, beispielsweise CBRE, damit beauftragt hätte, ein objektives Gutachten über den fairen Wert der Landreserven zu erstellen.
Nun kommt jedoch noch ein zweites problematisches Thema hinzu, nämlich die Frage eines möglichen «Squeeze-out» der Publikumsaktionäre, die ihre Aktien während der Frist nicht andienen. Im Angebotsprospekt ist erwähnt, die Käuferin plane für den Fall, dass sie nach Ablauf der Angebotsfrist zwischen 90 und 98% der Gesellschaft hält, «zurzeit nicht», eine Abfindungsfusion (Squeeze-out) nach Art. 8 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 5 des Fusionsgesetzes einzuleiten.
Danach folgt im Prospekt jedoch dieser Satz: «Die Anbieterin und die Hauptaktionärsgruppe schliessen jedoch nicht aus, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine Abfindungsfusion durchgeführt wird.»
Die Familie Sawiris bleibt also ambivalent: Sie plant «zurzeit» keinen Squeeze-out der Publikumsaktionäre, die nicht andienen, vielleicht wird sie aber doch zu diesem Instrument greifen.
In einem Interview mit dem «Blick» sagte Naguib Sawiris am 12. Januar, seine Firma beabsichtige nicht, ein Squeeze-out-Verfahren durchzuführen. «Kein Aktionär wird gezwungen, uns seine Aktien zu verkaufen. Jeder, der Aktionär bleiben will, hat die Möglichkeit dazu», liess sich Sawiris im Interview zitieren.
Was gilt nun? Die klare öffentliche Ansage in einem Medieninterview, dass es keinen Squeeze-out geben wird? Oder die ambivalente Formulierung im Prospekt, dass ein Squeeze-out zwar «zurzeit» nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen ist?
Diese Unterscheidung ist relevant. Denn wer die Aussagen von Naguib Sawiris im «Blick» beim Wort nimmt und überzeugt ist, dass die Orascom-Aktien zu 5.60 Fr. deutlich unterbewertet sind, kann die Andienung verweigern und Aktionär der Gesellschaft bleiben. Zwar werden die Titel schon bald nicht mehr an der SIX Swiss Exchange kotiert sein, aber ein ausserbörslicher Handel über die Bank Lienhardt oder die Zürcher Kantonalbank wird sich problemlos etablieren.
Sollte sich jedoch herausstellen, dass Sawiris im «Blick» nicht die Wahrheit gesagt hat und die Familie am Ende doch einen Squeeze-out einleitet, hätte das für die Nicht-Andiener unter Umständen negative Steuerfolgen.
Es ist nicht akzeptabel, dass während einer Angebotsfrist in einer derart wichtigen Sache – Squeeze-out oder nicht? – Unklarheit für die Publikumsaktionäre herrscht. Meiner Ansicht nach ist es unerlässlich, dass die Übernahmekommission diesen Fall prüft und gegebenenfalls eine Nach-Informationspflicht von der Bieterin sowie vom Verwaltungsrat von Orascom DH einfordert.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Mark Dittli