Die Familie Sawiris lanciert ein zu tiefes Übernahmeangebot für die Immobiliengesellschaft. Die günstig bilanzierten Landreserven, mit denen das Orascom-Management jahrelang vor Investoren geworben hat, werden kaum berücksichtigt.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Orascom Development Holding soll von der SIX Swiss Exchange verschwinden. Die Hauptaktionärin der primär in Ägypten tätigen Tourismus- und Immobiliengesellschaft, die LPSO Holding der Familie Sawiris, lanciert ein öffentliches Übernahmeangebot für alle sich im Publikum befindlichen Aktien.
Konkret bietet die Familie Sawiris, die bereits 77,5% der Aktien besitzt, den Minderheitsaktionären einen Preis von 5.60 Fr. in bar je Titel. Die Angebotsperiode soll voraussichtlich vom 9. Januar bis zum 5. Februar 2025 dauern, der Vollzug des Angebots ist für den 11. März vorgesehen. Danach sollen die Titel dekotiert werden.
Das Angebot liegt knapp 40% über dem Schlusskurs vom 16. Dezember. Der Verwaltungsrat von Orascom verzichtet «aufgrund potenzieller Interessenkonflikte» auf eine Empfehlung, ob die Minderheitsaktionäre das Angebot annehmen sollen oder nicht.
Unrühmliches Ende einer langen Serie von Enttäuschungen
Was die Familie Sawiris mit dieser Transaktion plant, ist – gelinde gesagt – eine Frechheit. Samih Sawiris und sein Sohn Naguib Samih Sawiris nutzen schamlos die Tatsache aus, dass der Publikumsmarkt das Interesse an Orascom verloren hat.
Sie setzen mit dem Versuch eines Going Private einen unrühmlichen Schlusspunkt hinter eine lange Serie von Enttäuschungen, die im Jahr 2008 mit der Publikumsöffnung zu einem Preis von 152 Fr. je Aktie ihren Anfang genommen hatte.
Noch im April 2023, vor wenig mehr als anderthalb Jahren, hat Orascom Development Holding ihren Minderheitsaktionären über eine Kapitalerhöhung neue Aktien zu einem Bezugspreis von 7 Fr. je Titel verkauft.
Schwierige Zeiten überstanden
Ohne Zweifel: Orascom hat schwierige Jahre hinter sich. Ein Terroranschlag gegen ein russisches Charterflugzeug in Sharm el-Sheikh im Oktober 2015 liess den Tourismus am Roten Meer einbrechen. Der Unfalltod des charismatischen CEO Khaled Bichara in Kairo im Januar 2020 war ein weiterer Schicksalsschlag, unmittelbar gefolgt vom totalen Zusammenbruch aller Tourismus-Aktivitäten während der Covid-Pandemie. Kaum begann sich die Dynamik in der Tourismusindustrie zu erholen, litt Orascom unter der anhaltenden Schwäche des Ägyptischen Pfundes.
Doch insgesamt ist die Gesellschaft passabel durch diese Schwierigkeiten gekommen. Sie hat ihre Aktivitäten am Roten Meer, in Kairo, in Oman, Montenegro, Grossbritannien und der Schweiz – sie hält eine Minderheitsbeteiligung an Andermatt Swiss Alps – diversifiziert und hat zu Wachstum zurückgefunden.
Der eigentliche Wert von Orascom aus Sicht der Aktionäre bestand – und besteht – jedoch nie aus dem Cashflow, den die verschiedenen Hotels erwirtschaften, sondern aus den riesigen Landreserven, die zu Anschaffungspreisen und damit mit erheblichen stillen Reserven in der Bilanz schlummern.
Milliardenschwere Landreserven
Das Management von Orascom selbst hat gegenüber Investoren stets auf diesen Umstand hingewiesen und damit deutlich gemacht, dass die Aktien an der Schweizer Börse unter ihrem wahren Wert gehandelt werden.
An der Investora-Konferenz vom 19. September dieses Jahres präsentierte CEO Omar El Hamamsy dafür ein konkretes Beispiel: Allein die noch unentwickelten Landreserven in El Gouna am Roten Meer hätten gemäss einer Einschätzung des international renommierten Immobilienmaklers CBRE einen Marktwert von 1,2 Mrd. Fr., während sie bloss zu 53 Mio. Fr. bilanziert seien.
Auszug aus der Präsentation von Orascom an der Investora-Konferenz vom 19. September 2024, in der auf den Wert der nicht entwickelten («undeveloped») Landreserven hingewiesen wird:
Dass die von CBRE im Jahr 2018 angenommenen 80 Fr. pro Quadratmeter für die Landreserven nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigten zwei Verkaufstransaktionen von Landparzellen in El Gouna in den Jahren 2023 und 2024, die zu 200 Fr. bzw. zu 250 Fr. pro Quadratmeter und damit zum 15- bis 55-fachen Buchwert veräussert werden konnten. Im November 2024 hat Orascom in El Gouna sogar eine Parzelle zu einem Quadratmeterpreis von 300 Fr. verkauft.
Landreserven plötzlich wertlos?
Insgesamt besitzt Orascom DH etwas mehr als 100 Mio. Quadratmeter Landreserven in sieben Ländern (Ägypten, Oman, Vereinigte Arabische Emirate, Montenegro, Schweiz, Grossbritannien, Marokko), wovon knapp 60% noch unerschlossen sind. Gut ein Drittel davon entfällt auf die grösste Destination, El Gouna.
Pikanterweise wird der Wert der unerschlossenen Landreserven im Übernahmeangebot der Sawiris-Familie nun gar nicht berücksichtigt. In der «Fairness Opinion», die von der Zürcher Corporate-Finance-Boutique IFBC im Auftrag des Verwaltungsrats von Orascom durchgeführt wurde, weisen die Autoren darauf hin, dass «nur Immobilienprojekte in der Bewertung reflektiert werden, die sich derzeit in der Pipeline von Orascom Development Holding befinden und im Businessplan berücksichtigt sind».
Anders gesagt: Nachdem die Verantwortlichen von Orascom jahrelang an Investorenkonferenzen eifrig damit geworben haben, dass der eigentliche Wert des Unternehmens in den viel zu günstig bilanzierten Landreserven liegt, will die Sawiris-Familie davon nun plötzlich nichts mehr wissen. Sie lässt sich den Wert der unerschlossenen Landreserven in der «Fairness Opinion» kurzerhand mit Null attestieren, weil diese Landreserven noch keine konkreten Immobilienprojekte enthalten.
Das ist unredlich und dreist.
Falls Samih Sawiris und Naguib Samih Sawiris etwas an ihrem Ruf in der Schweiz liegt, sollten sie den Minderheitsaktionären von Orascom ein Angebot vorlegen, das den unerschlossenen Landreserven der Gesellschaft einen angemessenen Wert zumisst. Das ergäbe ein Angebotspreis von gegen 10 Fr. je Aktie. Nur dann hat die Offerte das Attribut «fair» verdient.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Mark Dittli