Der amerikanische Sänger sorgt seit Jahren für neue Impulse in der Pop-Musik. Das neue Album des avantgardistischen Künstlers klingt gleichzeitig euphorisch und verzweifelt.

Es ist eine Art nonchalanter Fatalismus, der sich in dieser Musik manifestiert. Auf dem neuen Soloalbum von Noah Lennox alias Panda Bear ist Verzweiflung herauszuhören. Zugleich aber, und das macht «Sinister Grift» zu einem so spannenden Werk, schwingt immer wieder auch Gelassenheit mit.

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«Got nothing left to lose» – «Ich habe nichts mehr zu verlieren», singt der 46-jährige Amerikaner im Song «Just as Well». Und das ist eine Art Motto des ganzen Albums. Panda Bear dehnt und verziert das Wort «lose», als wäre es eine Liebesbekundung. Dazu wiederholt sich eine beschwingte Gitarrenfigur – so dass man mitwippen und mitsingen möchte. Hier hat jemand Galgenhumor in der Untröstlichkeit gefunden. Es klingt, als ob man einem Seiltänzer mit Strick um den Hals und schauerlich-schönen Melodien auf den Lippen zuhört. Und man weiss nicht recht, ob er einen mit seiner sehnlichen Stimme in ein tiefes, schwarzes Loch führt oder auf eine niemals endende Party.

Experimente und Beruhigung

«Ja, das passt! Dieses Bild gefällt mir», ruft Panda Bear via Zoom aus dem Hotelzimmer in Nashville, wo seine Tournee gerade haltmacht. «Genau so fühlt sich das Leben für mich an.» Seit einem Vierteljahrhundert gibt er der Pop-Musik als Solokünstler oder mit seiner Band Animal Collective wichtige Impulse. Seine Songs kommen stets als Abenteuer in den Jagdgründen von Indie Pop, Rave, Psychedelic, experimenteller Elektronik daher.

Animal Collective ist ein Quartett ohne Frontmann und ohne Doktrin – ausser jener, dass jedes neue Album anders klingen sollte als vorherige. Der Kontrast von Hell und Dunkel, der das neue Panda-Bear-Album prägt, ist oft auch für das Kollektiv bestimmend. Das Animal-Collective-Schlüsselwerk «Merriweather Post Pavilion» von 2009 ist ein überbordender Fundus an aufrührenden Momenten, die oft einen enormen Sog entwickeln. Das abschliessende Stück «Brother Sport» ist so berauschend und hypnotisch, wie Pop-Musik nur sein kann. Ein Meisterwerk. Allerdings haben es Animal Collective bisweilen auch etwas übertrieben mit ausgesuchten Ideen und Raffinement.

Panda Bears «Sinister Grift» wirkt nun wesentlich aufgeräumter. Es klingt nach den vielen Experimenten wie eine Beruhigung. Die Gitarre steht im Vordergrund, die Elektronik ist in den Hintergrund gerückt. Einige Songs erinnern dank Slide-Guitar-Klängen an schwebende Klassiker von Fleetwood Mac. «Wenn ich die Musik selbst beschreiben müsste, würde ich sagen: Sie erinnert mich an Reggae aus den späten Sechzigern und frühen Siebzigern. Es gibt aber auch Elemente von Country und Classic Rock», erklärt Panda Bear.

Panda Bear - Ferry Lady (Official Video)

Das Album beschränkt sich aber nicht auf Reminiszenz an vergangene Zeiten. Es lebt vielmehr von moderner Klangfarbe. Man hört das Digitale. Die zehn Songs hat Panda Bear in seinem neu gebauten Studio in Lissabon aufgenommen, wo er seit über zwanzig Jahren wohnt. Geholfen hat ihm dabei sein Bandkollege Josh «Deakin» Dibb, den er aus der Schulzeit kennt und mit dem er seit über dreissig Jahren Musik macht. «Ich mag seine Mixe. Er hat ein anderes Ohr für Gesang und Texte», erklärt Panda Bear die Zusammenarbeit.

Tatsächlich spielen Texte diesmal eine andere Rolle als im bisherigen Werk. Man versteht sie diesmal problemlos, während sie bisher – mit Effekten verfremdet, mit Schlieren verdeckt – oft sehr rätselhaft daherkamen; die Expressivität der Stimme war oft wichtiger als die Worte. Gleichzeitig waren sie immer ultrapersönlich.

Wahrheit der Maske

Jetzt seien die Songs nicht so direkt autobiografisch, meint Panda Bear. «Ich bin ausgegangen von einem eigenen Gefühl, habe dann aber versucht, Geschichten zu erzählen, die so direkt nichts mit mir zu tun haben.» Doch wenn man Geschichten erzähle, bringe das persönliche Dinge zum Vorschein. «Es ist, wie wenn man mit einer Maske auf der Bühne steht. Manchmal wirst du so zu einer echteren Version deiner selbst.»

«Elegy for Noah Lou» ist der bewegendste Song des neuen Albums. Hier ist die Dunkelheit greifbar. Er klingt wie ein Abschied. Ein Abschied von seiner Ehe, ein Abschied von seinem Sohn? «Nein, es geht um das Verhältnis von einem Kind zu seiner Mutter und darum, wie es sich mit der Zeit verändert.» Wie erklärt Panda Bear eigentlich den Gegensatz von Euphorie und Verzweiflung, der «Sinister Grift» durchzieht? «Na ja, es steckt viel Verzweiflung in dieser Platte. Und ich glaube, dass Humor der einzige Weg ist, damit fertigzuwerden.»

Panda Bear: Sinister Grift (Domino/Irascible).

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