Dienstag, März 18

Der Maestro macht ein Gesicht, wie es nur ein genervter, grosser Regisseur machen kann: Auf ein Gespräch über seinen neuen Film «Parthenope» hat Sorrentino offenbar keine Lust. Da helfen auch ironische Fragen nichts.

Dass es kein gutes Gespräch würde, hatte sich abgezeichnet. Es war schon klar, bevor Paolo Sorrentino schlecht gelaunt auf der Dachterrasse des Hotels auftauchte. Der Termin war vorverlegt worden, was auf Probleme hindeutete. Denn wenn sich Interviews mit Stars aus der Filmszene verschieben, dann normalerweise nach hinten. Bei sogenannten «press junkets» werden die Journalisten einer nach dem andern zur Berühmtheit vorgelassen. Verzögerungen sind vorprogrammiert, alles dauert immer länger. Der Star verspätet sich, die Diva braucht Pausen, der Regisseur redet ohne Ende. Was auch immer.

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Wenn es hingegen schneller geht, heisst das oft, dass etwas schiefläuft. Wahrscheinlich wurden Interview-Anfragen zurückgezogen. Journalisten haben es sich anders überlegt, weil der Film unter den Erwartungen geblieben ist. Bei «Parthenope» leider nur zu gut vorstellbar. Nach der Premiere im vergangenen Jahr in Cannes gab es denkbar schlechte Kritiken. Der nun in die Kinos kommende neue Film von Sorrentino, auf den man sich nach seinem autobiografischen Coming-of-Age-Hit «The Hand of God» gefreut hatte, erwies sich als selbstverliebtes Slow Cinema über eine gelangweilte Schönheit aus altem neapolitanischem Haus.

Sex ist wie eine Beerdigung

In der Meeresbucht direkt unterhalb der Familienvilla wird diese Parthenope entbunden. 18 Jahre später, 1968, verdreht die Sirene, die aus dem Wasser kam, den Männern die Köpfe. Die Newcomerin Celeste Dalla Porta spielt die Venus, die zu schön ist für diese Welt. Weshalb sie unter Einsamkeit leidet. Dazu spricht sie in gestelzten Aphorismen: «Desire is a mystery, and sex is its funeral», so geht ein typischer Sorrentino-Satz, den Dalla Porta mit sphinxhaftem Ausdruck vortragen muss.

Darüber, dass Sex das Begehren beerdige, kann man sich Gedanken machen, während die Kamera die junge Frau vergöttert, die im silbern schimmernden Kleid unter mondbeschienenem Himmel steht oder mit verführerisch tiefem Ausschnitt auf das Meer starrt. Oder während Sorrentino in bildschönen Tableaus schwelgt, die sein geliebtes Neapel einfangen. Später dann auch Capri, wo Parthenope den Autor John Cheever (Gary Oldman) trifft, der ähnlich geschwollen daherredet: «Are you aware of the disruption your beauty causes?», fragt er. Zu viel Schönheit stört, möchte man übersetzen.

Worum es eigentlich geht, erschliesst sich nicht so recht. Für den Filmkritiker vom «Guardian» ist «Parthenope» wie «ein zweistündiger Werbespot für ein unerschwingliches Parfum». Profaner schreiben andere von einer verklausulierten Altherrenphantasie. Hat die Kritik den Film nicht verstanden? Am besten Sorrentino selbst fragen. Die Vorfreude auf das Treffen war gleichwohl getrübt.

Aber auch ihm war nach der Uraufführung offenbar die Lust vergangen. Auf der Dachterrasse des Hotels in Cannes, bei schönstem Wetter, phänomenaler Blick über die Croisette, näherte sich ein offenkundig missgestimmter Filmemacher, der, als er praktisch schon vor einem stand, auf Italienisch die Übersetzerin fragte, was denn noch von ihm erwartet werde. Ein letztes Interview nur, Signore. Sorrentino, sichtlich leidend: «Und wie lange soll das dauern?»

Von Maradona bis Berlusconi

«La grande bellezza» oder «Youth» heissen umwerfende Filme von Paolo Sorrentino, die Vergleiche mit Fellini herausfordern. Es ist ein Kino, das schwelgt und begehrt. Fixiert auf das Belpaese balanciert Sorrentino das Heilige und das Profane. Darin ist er sich immer treu geblieben, ganz gleich, wovon er an der Oberfläche fabulierte. Vom Frühwerk «Il Divo» über «This Must Be the Place» bis «Loro», es traten auf: Rockstars, Berlusconi, der Papst, Heilige, Sirenen.

Dazu stolze, graumelierte Männer, Lebemänner, Dandys, die der Jugend nachhängen. Oder konkreter: den jungen Frauen, die sich mit verträumten Blicken davonstehlen. Im besten Fall betören die Filme in ihrer Opulenz. Oder sie entwickeln wie bei «Parthenope» einen, sagen wir, sedativen Sog. Das Kino des Paolo Sorrentino in breve: weite Bilder, tiefe Sätze, lange Beine.

Und klar: Sorrentino-Filme sind immer auch Filme über Sorrentino. Eigentlich wartet man nur darauf, dass der Mann es mit der Selbstbespiegelung auf die Spitze treibt und ein Drama dreht über einen Meisterregisseur Mitte fünfzig, der darunter leidet, dass er auch nicht jünger wird. Ein bisschen wie in «Youth», aber mit mehr «Otto e mezzo». Für dieses Werk wäre dann eine Szene prädestiniert, wie sie das Interview auf der Hotelterrasse über der Croisette hergab.

Attraktive Kulisse, teuer gekleidete Menschen, herrlichstes Wetter, was für eine Aussicht! Auftritt: der schöngeistige Maestro, der ein Gesicht macht, wie es nur ein genervter, grosser italienischer Filmregisseur machen kann. Er lässt sich auf die Outdoor-Sitzgruppe fallen und bereitet sich demonstrativ verdrossen eine Zigarre vor.

Während er dann gelegentlich an dieser zieht, sagt er lustlos auf Italienisch ein paar Sätze auf. Aus diesen versucht eine nicht zu beneidende Übersetzerin halbwegs ergiebige Aussagen zu formen. Etwa dazu, dass es Sorrentino als Filmemacher darum gehe, Schönheit einzufangen: «Ich sehe überall Schönheit», sagt er, «und dann möchte ich sie festhalten.» Ein anderer charakteristischer Satz von ihm: «Das Leben ist kurz, es ist besser, sich von Schönheit unterhalten zu lassen als von Hässlichkeit.»

Selbstredend meint Sorrentino zumeist die Schönheit der neapolitanischen Frau. Hat der woke Zeitgeist es komplizierter gemacht, einen Film wie «Parthenope» zu drehen, bei dem der Frauenkörper so im Mittelpunkt steht? «In der Geschichte der Menschheit gab es immer Zyklen, was soll ich sagen?»

«Fatto!»

Versuchen wir eine dankbare Frage für den grossen Neapolitaner: Was macht Neapels Schönheit aus? «Vieles an Neapel ist schön. Die Kultur ist schön, das antike Erbe der Stadt, die Architektur. Auch die Menschen sind sehr gut aussehend.»

Ein bisschen amüsiert nachhaken hilft auch nicht. Täuscht eigentlich der Eindruck, oder dreht er seine Filme nur bei schönem Wetter? «Es war Sommer», erklärt Sorrentino. «Was, wenn es einmal bewölkt ist?» – «Auch wenn es Wolken hat, kann man Schönheit sehen.» – «Gut, aber ist ‹Parthenope› jetzt eigentlich ein Film über die schönste Frau der Welt oder über die schönste Stadt der Welt?» Weder noch offenbar. Es sei «ein Film über das Vergehen von Zeit», korrigiert Sorrentino. «Und darüber, was die Konsequenz davon ist, dass die Zeit vergeht.»

Ein Paolo Sorrentino, das ist die Konsequenz, hat nicht ewig Zeit. Die paar Minuten mit ihm müssen reichen. «Fatto!», sagt er noch, dann drückt er die Zigarre aus und geht. Erledigt.

Parthenope | Official Trailer HD | A24

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