Freitag, April 25

Emilio Morenatti / AP

Die Ewige Stadt erduldet dieser Tage einen Ansturm, der über den normalen Wahnsinn hinausgeht. Grund dafür ist nicht nur das Begräbnis von Papst Franziskus.

«La santa massa», die Heilige Masse, so hat am Donnerstag die linke italienische Tageszeitung «Il Manifesto» getitelt und dazu ein Bild der Tausende gezeigt, die am Mittwoch der Überführung des Leichnams des verstorbenen Papstes in den Petersdom beigewohnt haben. Der listige Titel verweist auf die Frage, wie Rom den gewaltigen Ansturm von Gläubigen, Touristen, Pilgern und hohen Staatsgästen bewältigen kann, die dieser Tage anreisen, um dem Begräbnis von Papst Franziskus beizuwohnen.

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Die Stadt am Tiber hat zwar reiche Erfahrung im Umgang mit Menschenmassen. In den letzten beiden Jahren hat sie zum Beispiel jeweils um die dreissig Millionen Touristen «verdaut», und im laufenden Jahr, dem vom Papst ausgerufenen Heiligen Jahr, hat sie bisher auch den zusätzlichen Andrang von Hunderttausenden Pilgern mit Anstand bewältigt.

Trauerzug als Novum

Doch nun, am Vorabend des Requiems für Franziskus, steht sie vor weiteren Herausforderungen. Es ist, als ob sich zu den sieben Hügeln der Ewigen Stadt ein weiterer gesellen würde: ein regelrechter Problemberg sogar, bestehend aus Sicherheits- und Logistikfragen, politischem Gezänk und der gleichzeitigen Forderung nach Demut und Dezenz, mit welcher ein für die katholische Welt wichtiges Grossereignis wie ein Papst-Begräbnis über die Bühne gebracht werden sollte.

Doch der Reihe nach. Die Exequien, wie man die liturgische Feier zur Verabschiedung und Bestattung eines katholischen Christen nennt, sprengen diesmal den üblichen Rahmen. Wohl waren zum Begräbnis von Johannes Paul II. im Jahr 2005 wesentlich mehr Menschen nach Rom gereist, als jetzt erwartet werden. Man spricht von vier Millionen Menschen, die damals dem polnischen Papst die letzte Ehre erwiesen haben. Für den kommenden Samstag gibt es nur unpräzise Schätzungen, die Medien sprechen von einer halben bis ganzen Million.

Die Herausforderung besteht indessen darin, einen Sonderwunsch von Franziskus zu erfüllen. Dieser hatte sich zwar eine bescheidenere Trauerfeier gewünscht als seine Vorgänger, gleichzeitig aber bestimmt, dass er in der Basilika Santa Maria Maggiore oben beim Bahnhof Termini zur letzten Ruhe gebettet werden wird. Das bedeutet für die Organisatoren, dass sie zusätzlich zur Feier auf dem Petersplatz einen Trauerzug durch das gesamte historische Zentrum zu bewältigen haben – mit allem, was dazugehört: Verkehrsumleitungen, Abschrankungen, zusätzliche Sicherheitsmassnahmen. Man geht davon aus, dass Zehntausende Rom-Besucher die Route vom Petersplatz zum Ort der Bestattung säumen werden.

Sicherheit für Trump

Die Zonen, in denen ausserordentliche Sicherheitsmassnahmen gelten, sind demnach grösser denn je. Als «zona rossa» mit der höchsten Sicherheitsstufe, wo nichts mehr geht, gelten derzeit der Petersplatz und angrenzende Gebiete sowie ein grosser Teil des Quartiers Parioli, einer besseren Wohngegend im Norden des Stadtzentrums. Dort liegt die Villa Taverna, die Residenz des amerikanischen Botschafters, wo ab Freitagabend der amerikanische Präsident Donald Trump und seine Frau untergebracht sein werden.

Über 10 000 Ordnungskräfte sollen laut örtlichen Medien allein am Samstag im Einsatz sein. Dazu kommen Ärzte, Sanitäter, Feuerwehrleute und weiteres Sicherheitspersonal, unter ihnen die Schweizergarde. Ja, bei einem Augenschein auf dem Petersplatz konnte man sogar Pfadfinder erblicken, welche den Trauernden dabei halfen, sich zurechtzufinden. Die Jugendorganisation macht ihrem Namen alle Ehre.

Pilger und Demonstranten

Eine der kleineren, aber pikanten Schwierigkeiten besteht darin, den Pilgernden, die wegen des Heiligen Jahrs nach Rom gereist sind, trotz allem die Möglichkeit zu geben, ihre Wallfahrt mit den vorgegebenen Stationen einigermassen störungsfrei zu absolvieren. Nicht wenige von ihnen sind von weit her angereist und wurden in Rom von der Nachricht vom Hinschied des Pontifex überrascht. Zwei der vier Papstbasiliken bleiben indessen am kommenden Wochenende für sie geschlossen. Das Durchschreiten der Heiligen Pforte wird im Petersdom und in Santa Maria Maggiore nicht möglich sein. Die Pilger müssen nun auf die anderen, weniger prestigeträchtigen Basiliken ausweichen.

Ein anderes, grösseres Problem ist hingegen politischer Natur. Mitten in die Vorbereitungen der päpstlichen Exequien fällt nämlich am Freitag der Tag der Befreiung. Der 25. April ist ein italienischer Feiertag und hat hier einen ähnlichen Stellenwert wie die Festa della Repubblica, der italienische Nationalfeiertag vom 2. Juni. Er erinnert an die bewaffneten Aufstände und die «resistenza» gegen die deutschen Besetzer im Zweiten Weltkrieg. Er gilt als der Feiertag der Linken, wenngleich alle staatlichen Instanzen involviert sind. Der Staatspräsident legt traditionell einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten auf dem Vittoriano nieder, dem riesigen Nationaldenkmal im Zentrum Roms, und wird dabei vom jeweiligen Regierungschef begleitet.

Doch die Rechte um Giorgia Meloni tut sich nach wie vor schwer mit dem 25. April und tritt regelmässig in Fettnäpfe, wenn es um die Erinnerung an den Kampf gegen Faschismus und Nationalsozialismus geht.

Was heisst schon «nüchtern»!

Wegen des Todes des Papstes hat die Meloni-Regierung dazu aufgerufen, den Feiertag dieses Jahr «nüchtern» anzugehen. Dies und ungeschickte Äusserungen eines Ministers haben dafür gesorgt, dass die Opposition von links bis zur politischen Mitte die Regierung nun verdächtigt, den Tag der Befreiung absichtlich hintergehen zu wollen. «Ich weiss nicht, was Sie mit ‹nüchtern› meinen», sagte Mailands gemässigter Bürgermeister Giuseppe Sala, «ich werde den Tag so begehen wie jedes Jahr.»

Jedenfalls ist Feuer im Dach, und die für Freitag angekündigten Kundgebungen in den grossen Metropolen des Landes und in der Hauptstadt haben das Zeug, hitziger zu werden als üblich. Es gelte höchste Alarmstufe, sagte der für die Sicherheit in Rom zuständige Präfekt. Erwartet werden auch Auseinandersetzungen mit propalästinensischen Demonstranten.

Es sind unruhige Tage in Rom. Die Stadt ist noch nicht in der angemessenen Stimmung für ein Begräbnis. Dazu herrscht derzeit zu viel Spannung und Drama. Anderseits: Rom hat bisher alle Stürme der Geschichte überlebt. Die Ewige Stadt wird auch die bevorstehenden aufregenden Tage meistern. Irgendwie.

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