Freitag, November 22

Jede und jeder lanciert gerade einen Duft: Kreativdirektoren und -direktorinnen von grossen Modemarken werden immer mehr in die Parfumentwicklung involviert. Warum diese lange eher stiefmütterlich behandelte Sparte plötzlich so im Fokus steht.

Nun also auch Matthieu Blazy: Der Kreativdirektor von Bottega Veneta lanciert eine Parfumkollektion für das Modehaus, bei der er selbst mitgearbeitet hat. Fünf Düfte mit natürlichen Inhaltsstoffen, inspiriert von der Stadt Venedig, gekleidet in Flakons, die auf einem Sockel aus Verde-Saint-Denis-Marmor thronen. Er ist in guter Gesellschaft: Alessandro Michele lancierte bereits 2017 «Bloom» für seinen damaligen Arbeitgeber Gucci, Pharrell Williams, Kreativdirektor der Herrenkollektion bei Louis Vuitton, präsentierte diesen Sommer den Duft «LVERS», Olivier Rousteing treibt bei Balmain die Beauty-Sparte voran und zeigte die neue Parfumkollektion «Les Éternels de Balmain», und Chemena Kamali, seit einem Jahr Kreativdirektorin bei Chloé, wurde auch gleich die erfolgreiche Parfumsparte unterstellt.

Victoria Beckham, Gründerin und Kreativdirektorin des gleichnamigen Labels, fasste es anlässlich der Präsentation ihres neuen Duftes «21:50 Rêverie» in einem Interview mit «Women’s Wear Daily» auf Instagram so zusammen: «Mit diesem Parfum wurden wir von einem Mode- und Beauty-Brand zum Haus Victoria Beckham.» Und natürlich war sie auch bei jedem Schritt der Duftentwicklung involviert.

War die Parfumsparte lange etwas, was man mit Franchisen so nebenher auch noch bediente, rücken Düfte nun mehr und mehr in den Fokus. Das liegt sicher daran, dass Parfum sowieso einen ganz anderen Stellenwert hat als noch vor zwanzig Jahren. Nischenduftlabels haben die Branche gehörig durchgeschüttelt. Wollte man in den neunziger und nuller Jahren noch möglichst so riechen wie das Lieblings-It-Girl, wird die Wahl des persönlichen Duftes heute so kuratiert wie die Garderobe.

Interessant und individuell wiegt mehr in der Waagschale vieler Kundinnen und Kunden denn ein grosser Name. Geschult durch Instagram, Youtube- und Tiktok-Videos, wählt man mit Bedacht, wonach man riechen möchte, man kennt sich aus mit Ingredienzen, wirft mit Begriffen wie Oud und Aldehyd um sich, kennt Supernasen wie Alberto Morillas und Christine Nagel sowie Nischenlabels wie Le Labo und Odur. Gleichzeitig sind die Preise gestiegen, mehrere hundert Franken für ein Parfum sind Normalität.

Natürlich wollten die Brands auch ein Stück von diesem Kuchen. Sie ergänzen oder ersetzen ihr bisheriges Parfumangebot durch exklusive Linien, welche die Bedürfnisse dieser neuen Kundschaft befriedigen. Viele engagierten wieder Hausparfumeure, gerne Grössen aus der Branche. Denn: Je grösser der Nischenmarkt wurde – wenn man ihn überhaupt noch so nennen kann –, desto grösser wurde auch das Bedürfnis der Kunden und Kundinnen nach Orientierung. Gefällt einem ein Brand, ein Designer, so kann das helfen. Also setzten die Luxushäuser nicht nur auf grosse Namen aus der Parfümerie, sondern auch mehr und mehr auf die Zugkraft ihrer Kreativdirektoren. Interessanter Nebeneffekt: Im Kosmos der Luxusmarken, in dem Jacken, Taschen, Schuhe mehrere tausend Franken kosten, sind die Flakons im dreistelligen Bereich tatsächlich Einsteigerprodukte.

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