Donnerstag, Mai 8

Die Franzosen gewinnen gegen Arsenal auch das Halbfinal-Rückspiel – 2:1. Der Katar-Klub aus Paris profiliert sich als Ableger der spanischen und portugiesischen Fussballphilosophie.

Jubelnd näherte sich der Sportdirektor von Paris Saint-Germain seinem Trainer, dann schlug er ihm enthusiastisch auf die Brust. Der PSG feierte am späten Mittwochabend auf dem Rasen des Prinzenparks zum zweiten Mal in seiner Geschichte den Einzug in den Champions-League-Final, und die Szene der beiden war aussagekräftig auch wegen deren Nationalität: Ein Portugiese, der Sportdirektor Luis Campos, gratulierte einem Spanier, Luis Enrique.

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Zusammen haben sie im französischen Fussballklub einer katarischen Sport-Holding eine iberische Erfolgs-Connection etabliert. Passenderweise traf beim 2:1 im Halbfinal-Rückspiel gegen Arsenal zunächst der spanische Mittelfeldspieler Fabián Ruiz, der mit einem brillanten Halb-Volley die starke Startphase der Engländer konterkarierte. Und später der in Spanien geborene und aufgewachsene Marokkaner Achraf Hakimi, der als rechter Aussenverteidiger aus zentraler Angriffsposition die Entscheidung herbeiführte. Zuvor hatte der Portugiese Vitinha leichtfertig einen Elfmeter vergeben, derweil sein Landsmann und Mittelfeldpartner João Neves omnipräsent das Spiel des Klubs aus Paris dirigierte.

Spanisch ist bei PSG die Lingua franca

Wer kein Spanisch kann, hat es schwer im PSG. «Castellano» ist die Lingua franca in der Kabine, Luis Enrique spricht an seinen Medienkonferenzen nichts anderes. Und selbst Hakimi, seit vier Jahren im Klub und Nationalspieler des frankofonen Marokko, drückt sich lieber so aus. Doch die Dominanz des spanischen Idioms kennzeichnete den Klub auch schon in der Epoche mit den Superstars Neymar, Lionel Messi oder Kylian Mbappé. Was sich geändert hat: Der PSG spielt jetzt auch spanisch.

«Elf Spieler, die verteidigen, und elf, die angreifen», so umreisst Luis Enrique seinen Ansatz. Das klingt banal, war in der Epoche von Neymar und Mbappé so aber nicht möglich – manche Spieler waren damals gleicher als andere. Die Stars verteidigten weniger, beteiligten sich selten am Pressing.

Erst seit mit Mbappé im vergangenen Sommer der letzte Superstar von dannen zog, kann Luis Enrique den Kollektivgedanken richtig umsetzen. Intensives Pressing und schnelles Passspiel, die Schlüssel der spanischen Fussballschule, funktionieren erst dann perfekt, wenn alle Spieler permanent in Bewegung sind.

Das gegenwärtige PSG-Mittelfeld ist das beste Beispiel dafür. Wegen der auch gegen Arsenal wieder erstaunlichen Heldentaten des Torhüters Gianluigi Donnarumma und des Durchbruchs von Ousmane Dembélé, der wegen einer Oberschenkelblessur am Mittwoch zunächst geschont wurde, geht es in der breiten Wahrnehmung bisweilen unter. Doch Vitinha und João Neves erinnern nicht nur wegen ihrer kleinen, wendigen Statur an Mittelfeldgranden aus dem Nachbarland wie Xavi, Iniesta oder Pedri, sie zeigen in ihren besten Momenten auch einen ähnlich souveränen Umgang mit Ball und Raum.

Derweil hatte es Ruiz ironischerweise schwerer, seinen Landsmann zu überzeugen. Der knapp 1,90 Meter grosse Schlaks ist eher aus der iberischen Art geschlagen, mehr ein Allrounder zwischen den Strafräumen als ein Kurzpass-Virtuose. Vor der WM 2022 wurde er vom damaligen spanischen Nationaltrainer Luis Enrique ausgebootet, und auch im PSG hielt der Coach Ruiz zunächst für überflüssig.

Doch der als stur verschriene Trainer hat sich von Ruiz’ hervorragender Rolle in Spaniens Europameister-Team unter seinem Nachfolger Luis de la Fuente überzeugen lassen. Gegen Arsenal verschaffte Ruiz seinem Land nun den nächsten, kleinen Meilenstein: Nach Toren der Barcelona-Spieler Lamine Yamal, Ferran Torres, Eric García und Dani Olmo bedeutete sein wegweisender Treffer am Mittwochabend, dass in den Champions-League-Halbfinals zum ersten Mal fünf Spieler einer Nation trafen.

Und als ob es darum gegangen wäre, die Hommage an die gegenwärtig dominante Fussballkultur des Kontinents noch zu steigern, war im Prinzenpark auch noch Dialektik auf Spanisch zu besehen: Der Arsenal-Trainer Mikel Arteta, ein Baske, behauptete nämlich, «das bessere Team hat diese Runde verloren, das sage ich, und das haben auch sie (die PSG-Beteiligten, d. Red.) mir gesagt».

Luis Enrique, von der gleichen Nordküste, aber weiter westlich aus Asturien, hielt dagegen, dass ein solches Eingeständnis jedenfalls nicht von ihm gekommen sei. «Arteta ist ein guter Freund, aber ich bin nicht einverstanden.» Zwar habe der PSG in der Anfangsphase gelitten wie selten. «Aber wir sind verdient weitergekommen.»

PSG : des milliers de supporters en feu sur les Champs-Élysées

Ein unverschämt junges Team statt schmollende Stars

Nun steht er also in seinem zweiten Champions-League-Final nach 2020 (0:1 gegen den FC Bayern), der Klub mit dem vielen Geld, in dem Katar nun aber eine neue, nachhaltige Strategie verfolgen lässt.

Campos und Enrique haben ein unverschämt junges Team zusammengestellt (Durchschnittsalter 23,7 Jahre). Ein Team, in dem es keine schmollenden Stars mehr gibt und sich allenfalls der selbstbewusste Trainer zuweilen eine rhetorische Eitelkeit erlauben darf. Eines, dem in Frankreich trotz seiner weiterhin gewaltigen monetären Präpotenz erstmals so etwas wie breite Sympathie entgegenschlägt. Und eines, das die eigenen Fans mit seinem Teamgeist und seiner Leidenschaft so begeistert wie keines zuvor. Rund um den Prinzenpark feierten die Anhänger bis spät in die Nacht.

«Luis Enrique leistet unglaubliche Arbeit, er ist ein Genie», sagte Hakimi noch. Dass der Trainer kein Französisch spricht, stört so weit niemanden mehr. Der PSG kommuniziert mittlerweile primär über seinen Fussball. «Todo bien» also.

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