Ende 2021 stellte Patek Philippe die Produktion ihrer begehrtesten Uhr ein: der Nautilus 5711 in Edelstahl. Viele hielten das für das endgültige Aus der Ikone. Doch nun lässt der Präsident Thierry Stern erstmals durchblicken, dass ein Comeback nicht ausgeschlossen ist.
Die Genfer Manufaktur Patek Philippe gehört zu den wenigen Uhrenherstellern, die von der gegenwärtigen Branchenkrise kaum betroffen sind. Eine geringere Nachfrage führt hier nicht zu unverkauften Modellen, sondern lediglich zu etwas kürzeren Wartelisten. Das liegt an einer vorsichtigen Produktionsplanung – und an bewusst ausgelassenen Expansionschancen. Den Run auf China, der heute viele Unternehmen einholt, liess der Präsident Thierry Stern aus. Für seine bestehende Kundschaft in Europa und den USA habe er ohnehin zu wenig Uhren, sagte er vor über zehn Jahren der NZZ. Chinesische Käufer schliesse er damit nicht aus – viele reisten ohnehin ins Ausland, um ihre Uhr dort zu kaufen.
Zum Auftakt der Uhrenmesse Watches and Wonders in Genf haben wir den Eigentümer und Präsidenten zum Gespräch getroffen – notabene noch vor der (inzwischen auf Eis gelegten) Ankündigung hoher Zölle auf Schweizer Uhren in den USA.
Herr Stern, wie blicken Sie auf das Jahr 2025?
Ich erwarte eigentlich ein gutes Jahr für Patek. Die Rückmeldungen zu unseren Produkten sind sehr positiv, und wir achten genau darauf, nicht zu viel zu produzieren. Je nachdem, was in Sachen US-Zölle läuft, hat das sicher Auswirkungen – vor allem für die Kunden in den USA, was schade wäre. Für uns als Schweizer Hersteller ist es ein Vorteil, dass wir alle im selben Boot sitzen.
Wie wichtig ist der US-Markt für Patek Philippe?
Er ist seit 1850 unser wichtigster Markt. Der Absatz läuft sehr gut, und wir könnten dort deutlich mehr verkaufen – wenn wir mehr Uhren hätten.
Was passiert bei hohen Zöllen – kaufen Amerikaner ihre Uhren dann im Ausland?
Das ist gut möglich. Wer eine Uhr für 100 000 Franken oder mehr kaufen will, bucht einen Flug, übernachtet in Genf und kauft die Uhr dort. Das ist günstiger als zu Hause. Leidtragende wären vor allem die US-Händler. Man fragt sich schon, ob Präsident Trump die Firmen in seinem Land ruinieren will.
Im Oktober haben Sie die Kollektion Cubitus lanciert. Wie war die Resonanz?
Alle drei Modelle sind ein grosser Erfolg, und das interessanterweise auf der ganzen Welt.
Hatten Sie das nicht erwartet?
Ich hatte gedacht, die Uhren seien vielleicht für Japan etwas gross. Aber nein, es funktioniert sehr gut. Die Verkaufszahlen sind phantastisch. Nun führen wir zusätzlich zwei kleinere Modelle ein, die sowohl Männern als auch Frauen gefallen dürften.
Die neue Grösse heisst «Medium». Kommt später eine noch kleinere Variante?
Das ist noch offen, wir wollen nicht zu schnell vorpreschen. Fünf Modelle sind bereits eine gute Basis. Wir analysieren, bevor wir entscheiden, wie es weitergeht. Sicher ist: Es wird mehr Cubitus-Modelle geben.
Gleichzeitig reduzieren Sie bei der Nautilus und der Aquanaut.
Die Cubitus gehört zusammen mit der Nautilus und der Aquanaut zu unserer Sportuhrenkollektion. Für diese Linie haben wir eine Obergrenze, die wir nicht überschreiten wollen. Wenn wir also Cubitus-Modelle hinzufügen, müssen wir an anderer Stelle reduzieren.
Warum gerade bei den beliebten Stahlversionen?
Stahl muss bei uns im Vergleich zu Gold limitiert sein, das ist eine Frage der Rentabilität. Mit zu vielen Stahlmodellen können wir unsere Struktur nicht aufrechterhalten. Zudem haben wir von den betroffenen Modellen schon viel produziert. Sie einzustellen, dient auch dem Schutz unserer Kunden. Wer in Patek investiert, soll auf langfristige Wertbeständigkeit zählen können.
Ist die einfache Drei-Zeiger-Nautilus aus Stahl, die auf dem Zweitmarkt nach wie vor ein Mehrfaches des Listenpreises erzielt, endgültig Geschichte?
Derzeit haben wir sie durch ein Goldmodell ersetzt. Das bedeutet aber nicht, dass sie für immer verschwunden ist. Eine Pause ist sinnvoll – auch, um den Markt zu beruhigen.
Sie reden von einer Pause: Dürfen sich Fans Hoffnungen auf eine Neuauflage machen?
Durchaus: Eine Stahl-Nautilus im Stil der 5711 wird es irgendwann als neues Modell wieder geben. In welcher Form – ob mit Gravur oder neuem Werk – ist offen. Ich verbanne Stahl keineswegs. Aber wir haben eine wirtschaftlich begrenzte Quote erreicht. Deshalb mussten wir Prioritäten setzen.
Der Goldpreis ist stark gestiegen. Wie reagieren Sie?
Wir mussten die Preise erhöhen, waren aber sehr zurückhaltend: Etwa 3 Prozent bei Golduhren, 1,6 Prozent bei Stahl. Andere Marken haben ihre Preise deutlich stärker angepasst. Sollte der Goldpreis weiter steigen, müssen wir nochmals anpassen – aber ich wollte jetzt keine übertriebene Erhöhung.
Was passiert, wenn der Goldpreis stark fällt?
Dann wird es kompliziert. Eine Preissenkung klingt logisch, ist aber schwierig – sie kann den Sammlerwert beeinträchtigen. Deshalb gehen wir vorsichtig mit Preisanpassungen um.
Platin ist günstiger als Gold, aber Platinuhren sind teurer als Golduhren. Warum?
Platin ist extrem schwierig zu verarbeiten. Es ist weich, klebrig und verschleisst Werkzeuge schnell. Mit einem Werkzeug, das fünfzig Golduhren ermöglicht, lassen sich aus Platin nicht einmal zehn fertigen. Dann ist das Werkzeug kaputt. Diese aufwendige Bearbeitung erklärt den höheren Preis – trotz dem günstigeren Rohmaterial.
Sie haben die Zahl Ihrer Verkaufsstellen stark reduziert. Ist der Umbau abgeschlossen?
Ja, wir haben jetzt rund 280 Händler. Das passt zu unseren Produktionsmengen. Es gibt keinen Grund, die Zahl weiter zu senken oder zu erhöhen.
Setzen Sie auf eigene Boutiquen oder auf Händler, die mehrere Marken im Sortiment haben?
Wir selbst wollen keine neuen Boutiquen. Es sind eher die Händler, die auf uns zukommen. Viele wollen ausbauen. Nicht nur, weil sie grosses Vertrauen in Patek haben, sondern auch weil andere Marken, die zu grossen Konzernen gehören, eigene Läden eröffnen und sie dadurch zu viel Fläche haben. Sie kommen dann zu Rolex und zu uns und bieten uns mehr Fläche an.
Das wollen Sie nicht?
Ich brauche keine 300 Quadratmeter. Das ist zu viel. Ich kann einem Händler nicht 30 Prozent mehr Uhren geben, nur weil er ein grösseres Geschäft für mich einrichtet.
Seit Bucherer zu Rolex gehört – arbeiten Sie enger oder weniger mit Bucherer zusammen?
Unsere Zusammenarbeit hat sich nicht verändert. Wir arbeiten nur an wenigen Orten mit Bucherer zusammen, unter anderem in drei Läden in den USA. Was Rolex mit Bucherer macht, betrifft uns nicht direkt. Und wir haben auch keine Vereinbarung, künftig gemeinsam neue Läden zu eröffnen oder Patek- und Rolex-Boutiquen parallel zu betreiben.
Unternehmer in vierter Generation
Thierry Stern ist Eigentümer und Präsident von Patek Philippe. Die unabhängige Genfer Uhrenmanufaktur wurde 1839 gegründet und gehört seit 1932 der Familie Stern. Thierry Stern trat 1990 ins Unternehmen ein und führt es heute in vierter Generation. Patek Philippe ist bekannt für ihre technisch anspruchsvollen Komplikationen, ihr klassisches Design und ihre limitierte Produktion. Die Manufaktur beschäftigt weltweit rund 3000 Mitarbeitende, von diesen gut 2000 am Hauptsitz in Genf, und produziert jährlich etwa 70 000 Uhren.
Beilage in der «Neuen Zürcher Zeitung»
Dieser Artikel ist Teil des NZZ-Schwerpunkts «Uhren & Schmuck», der am Ostersamstag, 19. April 2025, im Print erscheint. Weitere aktuelle Storys, Reportagen und Interviews aus der 18-seitigen Beilage sind am 19. April im E-Paper der «Neuen Zürcher Zeitung» zu finden.