Mittwoch, April 23

Die Lage im Zentrum des weiten Ozeans macht die Inselgruppe eminent wichtig. Auf Hawaii halten sich Truppen für Einsätze in potenziellen Krisenherden wie Taiwan oder Nordkorea bereit.

Pearl Harbor – der Name hat sich ins kollektive Gedächtnis der USA eingebrannt. Am frühen Morgen des 7. Dezember 1941 griffen japanische Bomber aus heiterem Himmel die Marinebasis auf der zu Hawaii gehörenden Insel Oahu an. Ein «Tag, der in Schande fortleben wird», wie es der damalige Präsident Franklin D. Roosevelt ausdrückte. Es starben 2400 Amerikaner. Am Tag darauf traten die USA aufseiten der Alliierten in den Zweiten Weltkrieg ein.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Der japanische Angriff forderte 2400 Tote

Die japanische kaiserliche Armee flog den Überraschungsangriff auf Pearl Harbor, weil es der Heimathafen der Pazifikflotte der USA war. Auch heute ist Pearl Harbor einer der wichtigsten Militärstützpunkte der amerikanischen Streitkräfte im Pazifik. Indopacom, das Regionalkommando aller Teilstreitkräfte für den Indopazifik, ist in Honolulu stationiert.

Indopacom ist zuständig für die amerikanischen Militäroperationen im Indischen und im Pazifischen Ozean. 38 Länder mit 60 Prozent der globalen Bevölkerung fallen ins Einsatzgebiet von Indopacom, darunter die amerikanischen Alliierten Japan, Südkorea, Australien, Philippinen und Thailand. Truppen des Indopacom halten sich für Einsätze in potenziellen Krisenherden wie dem Südchinesische Meer, Taiwan oder Nordkorea bereit.

Der Pazifik ist riesig: Nach San Francisco sind es von Hawaii 3800 Kilometer, nach Tokio 6000. Sydney liegt 8000 Kilometer entfernt, die Einfahrt zum Panama-Kanal 9000. Die Amerikaner sprechen von der Tyrannei der Distanz. Für den Kommandanten von Indopacom, Admiral Samuel Paparo, funktioniert Honolulu als «Drehscheibe des Pazifiks».

Pearl Harbor ist ein Naturhafen, einzig die Einfahrt musste immer wieder ausgebaggert werden, weil die grössten Kriegsschiffe immer mehr Tiefgang haben. Dennoch: Wenn einer der 333 Meter langen und 100 000 Tonnen schweren Flugzeugträger in den Hafen einfährt, hat er an der seichtesten Stelle nur gerade etwa einen Meter Wasser unter dem Kiel.

Heute heisst der Stützpunkt Joint Base Pearl Harbor-Hickam und umfasst neben den Quais und Werften der Marine auch die Luftwaffenbasis Hickam. Diese teilt ihre drei Pisten mit dem zivilen Flughafen Honolulu International. Wer fürs Surfen am Waikiki Beach nach Hawaii fliegt, sieht bei der Landung die Kampfjets und riesigen Transportflugzeuge der US Air Force sauber aufgereiht am Pistenrand.

Auch eine der grössten Touristenattraktionen Hawaiis liegt auf der Basis, die kurz JBPHH heisst: das Pearl Harbor National Memorial. Zu ihm gehört das Denkmal, das über dem Wrack der «Arizona» gebaut wurde. «Zum Gedenken an die tapferen Männer, die am 7. Dezember 1941 an Bord der USS ‹Arizona› ihr Leben liessen und hier ihre letzte Ruhestätte fanden», heisst es auf weissem Marmor – darum herum sind 1177 Namen eingemeisselt. Eine japanische Bombe fiel ins Munitionsdepot des Schlachtschiffs. Die Explosion löste einen riesigen Feuerball aus.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht ist die «Missouri» vertäut, ein anderes Schlachtschiff. Es nimmt einen vergleichbar wichtigen Platz in der amerikanischen Geschichte ein wie die «Arizona»: Auf dem Deck der «Missouri» unterschrieben am 2. September 1945 die japanischen Vertreter in der Bucht von Tokio die Kapitulationserklärung. Beginn und Ende des Pazifikkriegs für die Amerikaner liegen in Pearl Harbor gleich nebeneinander.

Wie gross die Basis ist, zeigt sich am Morgen an den Autoschlangen auf dem Nimitz Highway: 50 000 Fahrzeuge pro Tag fahren auf den Stützpunkt, insgesamt 70 000 Angestellte – Militärs und Zivilisten – arbeiten hier. Zur Basis gehört auch eine Werft mit mehreren Trockendocks, die selbst die grössten Schiffe aufnehmen kann. Für 3,4 Milliarden Dollar wird gerade ein neues Dock für die Wartung der U-Boote der «Virginia»-Klasse gebaut. Das alte U-Boot-Dock ist zu klein.

Hawaii ist nahe genug dran und gleichzeitig weit genug entfernt

Pearl Harbor ist die wichtigste U-Boot-Basis der Amerikaner im Pazifik. Ein gutes Dutzend Jagd-U-Boote sind hier stationiert – das sind mehr Einheiten, als die meisten Länder in ihrer gesamten U-Boot-Flotte haben. Ihre Aufgabe wäre zum Beispiel, eine chinesische Blockade um Taiwan zu durchbrechen. In sieben bis acht Tagen könnten die atomgetriebenen Boote dort sein – ohne je aufzutauchen, wobei sie entdeckt werden könnten.

Von der amerikanischen Westküste würde die Fahrt fünf Tage länger dauern. Dank der Werft auf Hawaii müssen die U-Boote zur Wartung oder zur Versorgung nicht nach Kalifornien oder Washington fahren. So sind sie rund zehn Tage schneller im Einsatz. Die US Navy beklagt seit Jahren, dass sie nicht genügend U-Boote habe, weil die Werften nicht genug schnell neue bauten. Daher ist es umso wichtiger, dass die vorhandenen Einheiten so oft wie möglich auf Patrouille sind.

Eine weitere, kleinere U-Boot-Basis liegt 6000 Kilometer südwestlich von Hawaii auf Guam. Doch dieses Aussenterritorium der USA liegt in Reichweite chinesischer Raketen. Die amerikanischen Militärstrategen befürchten, dass Peking dort einen Überraschungsangriff verüben könnte, ähnlich wie die Japaner vor 84 Jahren auf Hawaii.

Hawaii ist der goldene Kompromiss: genug nah an den potenziellen Krisenherden im Westpazifik, um schnell reagieren zu können, und gleichzeitig so weit entfernt, dass es vor Angriffen ziemlich sicher ist. Dass sich wie vor achtzig Jahren mehrere feindliche Flugzeugträger Hawaii annähern und einen Überraschungsangriff durchführen, ist im Zeitalter der Satellitenüberwachung nicht mehr möglich.

Viel Platz für Manöver um Hawaii

Eine vergleichbare Rolle wie für die Navy nimmt Hawaii für die Luftwaffe ein: Von hier aus fliegen grosse Transportflugzeuge Nachschub in den ganzen Pazifikraum. Die mächtigen C-17 können 77 Tonnen transportieren, das entspricht zwei Abrams-Kampfpanzern oder sechs Apache-Helikoptern. Daneben steht eine grosse Flotte von Tankflugzeugen bereit, um Kampfjets auf langen Überflügen unterwegs mit Treibstoff zu versorgen. Neben der Marine und der Luftwaffe haben auch die Marineinfanterie und die Armee ihre regionalen Kommandos auf Hawaii.

Die geografische Abgeschiedenheit der Inselgruppe hat einen weiteren Vorteil: Der Luft- und der Seeraum sind praktisch frei. Nur wenige See- und Luftwege führen hier vorbei. Was für die Militärs bedeutet, dass sie viel Platz für grosse Manöver haben, ohne dass sie die zivile Luft- oder Seefahrt behindern.

Darum findet alle zwei Jahre in den Gewässern um Hawaii das Manöver Rim of the Pacific, kurz Rimpac, statt. Die gemeinsame Übung der Anrainerstaaten um den Pazifik ist das grösste multinationale Manöver der Welt. Bei der letzten Ausführung im vergangenen Jahr nahmen 29 Länder mit mehr als 25 000 Militärangehörigen, 40 Schiffen, 3 U-Booten und über 150 Flugzeugen und Helikoptern teil. Auch europäische Streitkräfte sind immer wieder zu Gast, im vergangenen Jahr sowohl die deutsche Marine wie auch die deutsche Luftwaffe.

Auch wenn auf der Basis topmoderne Kampfjets und die technologisch fortgeschrittensten U-Boote stationiert sind – die Geschichte ist nie weit. Trotz dem verheerenden Angriff der kaiserlichen japanischen Armee stehen noch viele Gebäude aus der Vorkriegszeit. In der Betonfassade des Kommandos der Pacific Air Forces – das damals die Unterkunft für Soldaten war – zeugen zahlreiche Schusslöcher von einem Angriff der berüchtigten japanischen Zero. Vor allem zu Kriegsbeginn waren diese wendigen und stark bewaffneten Kampfflugzeuge denjenigen der Amerikaner überlegen und entsprechend gefürchtet.

Auch wenn der Gegner heute nicht mehr Japan, sondern China heisst, werden diese Zeitzeugen belassen. Damit die amerikanischen Militärangehörigen immer daran erinnert werden, wachsam zu bleiben.

Exit mobile version