Donnerstag, Januar 16

Der Kampf der Spatzenfreunde für ihre Lieblinge auf der Pestalozzianlage geht weiter – auch untereinander.

Jetzt kann man nichts mehr tun. Die Rekursfrist ist abgelaufen. Das Projekt auf dem Pestalozziareal wird umgesetzt, so schmerzhaft das für Mensch (Vogelschützer) und Tier (Spatzen) sein mag. Seit Dienstag sind Arbeiter eines Gartenbauunternehmens dabei, die teuerste Wiese von Zürich «aufzuwerten», wie es im Jargon des Zürcher Tiefbauamts heisst. Das bedeutet: Die Buchsbaumhecken, die das Denkmal des Volksbildners Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) umranken, müssen weg.

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Die Männer auf der Baustelle kennen kein Erbarmen. Die meisten der immergrünen Gewächse lagen am Mittwochvormittag bereits gerodet am Boden. Aber das reicht nicht: Das Wurzelwerk des Buchsbaums ist derart weitverzweigt, dass die Erde zu Pestalozzis Füssen mit einem Bagger umgegraben werden muss.

Den Kettensägen der Gartenbauarbeiter ebenfalls zum Opfer gefallen ist der Kirschlorbeer, der bei der Schweizergasse eine Seite des Pärkleins flankierte. Das Bundesamt für Umwelt hat diesen Busch bekanntlich zum invasiven Eindringling und daher zur Planta non grata erklärt in der Schweiz.

Zimtrose statt Buchsbaum

Der Kahlschlag hat Konsequenzen. Für die Spatzen, die hier leben, waren die Hecken ein willkommener Rückzugsort. Diesen gibt es nun nicht mehr. Vogelschützer kritisieren das.

Die Vöglein werden neu mit einer Wildhecke, einem Stück Eibenhecke bei einem Stromkasten und einer Stechpalme vorliebnehmen müssen, deren immergrüne Sträucher um einen der beiden Japanischen Schnurbäume auf der Pestalozziwiese herumwachsen. Und mit den Sträuchern, die bis Ende April auf dem Areal gepflanzt werden.

Doch die Spatzenfreunde sind skeptisch, dass Hundsrose, Zimtrose, Pfaffenhütchen oder Holunder den gleichen Sichtschutz bieten werden wie Buchsbaum und Kirschlorbeer. Die Reaktionen fielen heftig aus, als sich die NZZ am Montag dieser Woche für einen kurzen Bericht bei einigen Vogelschützern kundig machte.

Die Stiftung Animal Trust etwa wusste nichts davon, dass die Bauarbeiten bereits am Dienstag beginnen würden. Man habe doch Rekurs einlegen wollen dagegen! Der Natur- und Vogelschutzverein Meise Zürich 2 habe sich doch darum kümmern wollen, hiess es am Telefon. Herrgott noch mal! Warum erfahre man erst jetzt davon, dass am nächsten Tag die Bagger auffahren auf der Pestalozziwiese?

Und als am späten Dienstagabend eine E-Mail einer weiteren Vogelschützerin auf der NZZ-Redaktion eintrifft, ist die Verwirrung komplett: «Die immergrünen Hecken, Schutz- und Lebensräume der Spatzen werden rücksichtslos gerodet!», steht da in Grossbuchstaben. Und: «Heinrich Pestalozzi wird sich im Grabe umdrehen!» Vielleicht könne die Presse den Spatzen zu Hilfe eilen «und das Tiefbauamt stoppen!».

Sprechen die Stadtzürcher Vogelfreunde etwa nicht miteinander?

Kommunikationsprobleme

Ein Anruf bei Simon Kälin-Werth, Gemeinderat der Grünen und Präsident des erwähnten Natur- und Vogelschutzvereins Meise Zürich 2, schafft Klarheit: Sein Verein habe Animal Trust und andere befreundete Organisationen bereits im August darüber informiert, dass man aus rechtlichen Überlegungen auf einen Rekurs gegen das Bauprojekt verzichte. Das Rundschreiben liegt der NZZ vor. Ein Blick auf die Adressaten zeigt: Animal Trust und die erwähnte Vogelschützerin haben es ebenfalls erhalten. Wahrscheinlich ist es dort untergegangen.

Der Grund für den Rekursverzicht ist einfach: Planungsfehler können dem Tiefbauamt keine nachgewiesen werden. Und zu einer Verbandsbeschwerde wäre die Meise Zürich 2 ohnehin nicht berechtigt. Eine solche hätte zum Beispiel der Stadtzürcher Heimatschutz anstrengen müssen. Aber auch das wäre wohl aussichtslos gewesen: Die nun gerodeten Hecken auf der Pestalozziwiese standen nicht unter Denkmalschutz.

Und was sagen die Spatzen dazu?

Nicht viel. Aber sie scheinen sich arrangiert zu haben. Am Mittwoch jedenfalls versteckte sich eine piepsende Schar in den Restbüschen des Areals.

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