Donnerstag, Dezember 26

Martin Haefner hat sich beim Stahlhersteller Swiss Steel durchgesetzt. Ob er allein besser unterwegs ist, muss er aber noch beweisen.

Einst waren Peter Spuhler und Martin Haefner bei Swiss Steel Verbündete. Doch zwischen den beiden Milliardären knirschte es zunehmend. Nun weitet Haefner, der den Stahlhersteller seit Jahren grosszügig mit Kapital versorgt, seinen Einfluss noch aus. Spuhler geht als Verlierer vom Platz.

Wie am Montag durchsickerte, hat sich Haefner bereit erklärt, Spuhler sowie dem Konsortium rund um den russischen Investor Viktor Vekselberg bei der Veräusserung ihrer Anteile behilflich zu sein. Der Eigentümer des Autoimporteurs Amag könnte damit künftig bis zu 79 Prozent des Kapitals der kriselnden Stahlfirma kontrollieren.

Der Unternehmer Spuhler läuft auf

Das Arrangement wurde nötig, weil sich Spuhler zum Ausstieg entschlossen hatte. Als Käufer für dessen Paket von 20,4 Prozent kommt aus heutiger Sicht nur Haefner selbst infrage, der mit einem bisherigen Anteil von 32,7 Prozent bereits grösster Aktionär von Swiss Steel ist.

An der Börse gibt es seit Jahren kaum noch Nachfrage nach den Aktien des Stahlherstellers, deren Kurs auf dem Niveau von wenigen Rappen dümpelt. Der Handel mit den Papieren würde wohl kollabieren, wenn Spuhler sowie Vekselbergs Vehikel Liwet ihre Anteile auf einmal im Markt platzieren würden. Es brauche einen «geordneten Ausstieg», so wird aufseiten von Swiss Steel und im Umfeld Spuhlers betont. Am Montag hatte das Paket Spuhlers noch einen Wert von rund 40 Millionen Franken.

Swiss Steel ist fast nichts mehr wert

Aktienkurs in Franken

Hintergrund des Rückzugs von Spuhler ist, dass sich der Unternehmer mit seinen Forderungen bei Swiss Steel nicht durchsetzen konnte. Nach seiner Einschätzung wurde weder der von ihm seit langem geforderte «schlüssige Sanierungsplan» ausgearbeitet, noch erklärte sich der Verwaltungsrat bereit, seinen langjährigen Weggefährten und Vertrauensmann Barend Fruithof zum neuen Präsidenten vorzuschlagen.

Eine ungewohnte Niederlage

Für Spuhler ist seine Niederlage bei Swiss Steel eine ungewöhnliche Erfahrung. Der Industrielle, der den Thurgauer Schienenfahrzeughersteller Stadler Rail von einer Kleinfirma zu einem Weltkonzern aufgebaut hat und weitere namhafte Anteile an den Winterthurer Grossfirmen Autoneum und Rieter hält, gilt als durchsetzungsstark. Beim Textilmaschinenhersteller Rieter entschied er erst vor drei Jahren einen Machtkampf gegen einen unliebsamen anderen Grossaktionär – den Belgier Luc Tack. Dieser veräusserte seine Anteile zunächst an ihn und später – im April 2023 – auch an Haefner.

In freundschaftlichem Einvernehmen agierten Spuhler und Haefner anfangs auch bei Swiss Steel. Dort war es Haefner, der vor knapp drei Jahren den Patron von Stadler anfragte, ob er sich engagieren wolle. Der Beteiligungserwerb Spuhlers ermöglichte es Haefner, seinen eigenen Anteil unter die Schwelle von einem Drittel des Kapitals zu senken, die ihn damals sonst zu einem Übernahmeangebot an alle Aktionäre verpflichtet hätte.

Doch offensichtlich überschätzte Spuhler den Veränderungswillen Haefners. Wie Spuhler in der Öffentlichkeit mehrfach erwähnte, reizte es ihn, Swiss Steel auf Vordermann zu bringen. Er war, das nötige harte Durchgreifen vorausgesetzt, davon überzeugt, einen Turnaround herbeiführen zu können. Doch Spuhler wurde offenbar immer wieder auf später vertröstet. Von ihm verlangte Restrukturierungsmassnahmen wie die radikale Verkleinerung der überdimensionierten Tochterfirma Deutsche Edelstahlwerke, der Verkauf des Amerika-Geschäfts (Finkl Steel) und die Veräusserung des hochdefizitären französischen Tochterunternehmens Ascometal harren bis heute der Ausführung.

Spuhler-Vertrauensleute verlassen Verwaltungsrat

Hinzu kam, dass Haefner nichts von der Ablösung des glücklosen Verwaltungsratspräsidenten Jens Alder durch Fruithof wissen wollte. Für den Vorsitz des Aufsichtsgremiums brauche es eine unabhängige Persönlichkeit, und diese Voraussetzung erfülle Fruithof im Gegensatz zu Alder nicht, erklärte der Sohn des Amag-Gründers Walter Haefner wiederholt. Der Hauptaktionär von Swiss Steel liess sich auch dadurch nicht umstimmen, dass Spuhler vorschlug, Fruithof nur interimistisch, bis 2026, das Präsidium zu übergeben.

Fruithof gab am Montag zusammen mit Oliver Streuli, dem zweiten Repräsentanten von Spuhler im Verwaltungsrat, seinen sofortigen Rücktritt bekannt. Damit ist das Gremium auf nur noch fünf Mitglieder geschrumpft. Dies sei gemäss Statuten ausreichend, versicherte Swiss Steel in einem Mediencommuniqué. Dennoch wird der Konzern nicht darum herumkommen, schnell neue zusätzliche Mitglieder zu suchen.

Ein Grosskonzern, der wie Swiss Steel trotz jüngsten Abbaumassnahmen noch immer fast 9000 Beschäftigte zählt und obendrein in einer schweren finanziellen Krise steckt, lässt sich nicht von einer Handvoll Personen beaufsichtigen. Mit Fruithof und Streuli verlassen zudem zwei Manager das Gremium, die über praktische Erfahrungen in einem industriellen Umfeld sowie speziell in Finanzfragen verfügen.

Tage des Präsidenten Jens Alder sind gezählt

Die Tage von Alder im Präsidium scheinen derweil trotz aller Rückendeckung, die er bis anhin von Haefner genossen hat, gezählt zu sein. Die Suche nach einem Nachfolger sei weit fortgeschritten, ist aus dem Umfeld von Swiss Steel zu vernehmen. Für Fruithof und Streuli dürfte bis zur kommenden ordentlichen Generalversammlung (GV), die Ende Mai stattfinden soll, aber kaum ein Ersatz bereitstehen. Generell ist fraglich, wer sich angesichts all der Unsicherheiten, die rund um das Unternehmen bestehen, noch auf das Abenteuer Swiss Steel einlassen will.

Bereits am 4. April 2024 werden die Aktionäre an einer ausserordentlichen GV über eine weitere Kapitalerhöhung abstimmen. Sie soll dem Unternehmen, das Ende vergangenen Jahres nur noch eine Eigenkapitalquote von 12 Prozent auswies, 300 Millionen Euro einbringen. Es ist dies bereits die dritte Kapitalerhöhung seit vier Jahren, und auch dieses Mal hat sich Haefner bereit erklärt, bei Bedarf das gesamte Volumen zu übernehmen. Es werde ihm kaum etwas anderes übrigbleiben, so äussern sich Marktbeobachter überzeugt.

Wie lange reicht der Erlös der dritten Kapitalerhöhung?

Wegen einer Reihe noch nicht abgeschlossener Restrukturierungsmassnahmen sowie möglicher Wertberichtigungen auf Vermögenswerten, die zum Verkauf stehen, dürften auf den Konzern auch im laufenden Jahr hohe Sonderkosten zukommen. Bereits die letztjährige Rechnung hatte mit einem Verlust von 295 Millionen Euro abgeschlossen. Hinzu kommt die Marktschwäche, mit der nicht nur Swiss Steel, sondern die gesamte Stahlbranche nach wie vor zu kämpfen hat. Die Preise für Stahl stünden in Europa weiterhin unter Druck, hielten vor einer Woche Analytiker der Grossbank UBS fest.

Vor diesem Hintergrund ist offen, wie lange der Erlös der geplanten jüngsten Kapitalerhöhung reichen wird, um Swiss Steel über Wasser zu halten. Haefner, der nach dem Tod seines Vaters 2012 zu einem milliardenschweren Vermögen gelangte und sich seit Jahren dem Erhalt gewisser Teile des Stahlsektors in Europa verpflichtet fühlt, besitzt zwar tiefe Taschen. Doch auch er hat ein Interesse daran, dass Swiss Steel endlich erfolgreich saniert wird. Anderenfalls wird er auch keine Co-Investoren finden, um dereinst wieder in seiner gewünschten Rolle als Minderheitsaktionär auftreten zu können. Swiss Steel vollständig zu akquirieren und von der Börse zu nehmen, kommt für ihn offenbar weiterhin nicht infrage.

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