Der Industrieveteran investierte jahrelang in den nun bankrotten Hoffnungsträger aus Schweden. Mit dem Fehlgriff ist er in guter Gesellschaft – auch in der Schweiz.
Peter Spuhler ist bekannt als Strippenzieher der grossen Schweizer Industriekonzerne. Sei es beim Eisenbahnbauer Stadler, dem Stahlhersteller Swiss Steel, dem Autozulieferer Autoneum oder dem Textilmaschinenproduzenten Rieter: Der 65-jährige Milliardär steht mit seinen Beteiligungen für die traditionsreichen Namen am Werkplatz Schweiz. Doch der Unternehmer und Ex-SVP-Nationalrat sucht sein Glück auch bei verheissungsvollen Neulingen im Ausland.
Und setzt sich mitunter in die Nesseln. Über drei Jahre hinweg hat Spuhler beim schwedischen Batterie-Startup Northvolt investiert. Doch vor zwei Wochen beantragte Northvolt Gläubigerschutz und muss nun eine Finanzierungslücke von mindestens einer Milliarde Dollar füllen. Ob die bestehenden Geldgeber etwas von ihrem Einsatz zurückerhalten werden, steht in den Sternen.
Den Anfang machte die ABB
Zuerst hatten die Zeitungen der TX Group auf Spuhlers Engagement hingewiesen. Seine Beteiligungsgesellschaft, die PCS Holding, erwähnt die Northvolt-Beteiligung nicht auf ihrer Homepage, obgleich dort alle weiteren bekannten kleineren Investitionen aufgeführt sind. PCS wollte auf Anfrage der NZZ nicht Stellung beziehen.
Als Alternative zu chinesischen Herstellern wollte Northvolt eine Batterieproduktion vor allem für Automobilhersteller aufbauen. Der Firma gelang es, Aufträge im Wert von 55 Milliarden Dollar einzusammeln. Doch nachdem sich die Probleme in den vergangenen Monaten gehäuft hatten, konnte die hochdefizitäre Northvolt die Lieferversprechen nicht erfüllen.
Northvolt war im Jahr 2016 gegründet worden und hatte 2017 eine erste Anschubfinanzierung erhalten – ebenfalls mit Schweizer Ursprung, nämlich vom Industriekonzern ABB. Er steckte 10 Millionen Euro in das Startup. Darauf folgten bis Sommer 2019 vier weitere Finanzierungsrunden, bei denen unter anderem BMW, Volkswagen und Goldman Sachs einstiegen. Die letzte dieser Runden belief sich bereits auf 1 Milliarde Dollar.
Northvolt sammelte Milliarden ein
Doch richtig an Masse legte Northvolt erst in den folgenden drei Jahren zu – und laut Veröffentlichungen des Startups war Peter Spuhler immer mit dabei. Seine PCS Holding beteiligte sich sowohl an Kapitalerhöhungen von Northvolt in den Jahren 2020 und 2021 wie auch an der Ausgabe einer Wandelanleihe im Jahr 2022. Das schwedische Jungunternehmen sammelte bei diesen Emissionen kumuliert 4,5 Milliarden Dollar ein. Wie hoch der Anteil von PCS daran war, wurde nicht offengelegt.
Northvolt gelang es über die Jahre, mehr als 40 Geldgeber zu gewinnen, von Automobilherstellern und Industriefirmen bis zu Finanzinvestoren und Pensionsfonds. Grösster Anteilseigner ist mit 21 Prozent der Volkswagen-Konzern. Aus der Schweiz hatte sich ebenfalls die Privatbank J. Safra Sarasin in unbekannter Höhe beteiligt.
Zu Northvolts operativen Problemen und Mängeln bei der Qualität der Batterien kam die Konkurrenz chinesischer Anbieter, die aufgrund ihrer Grössenvorteile deutlich günstiger produzieren konnten. Inzwischen gilt der globale Batteriemarkt als überversorgt. Der CEO Peter Carlsson, der Northvolt von Beginn an geleitet hatte, trat im November zurück.
Zuletzt verfügte die Firma nach eigenen Angaben noch über 30 Millionen Dollar in bar und hatte 5,8 Milliarden Dollar Schulden. Doch lange Zeit galt Northvolt als das aussichtsreichste europäische Batterie-Startup. Die Schweden kamen dem Marktdurchbruch näher als der englische Konkurrent Britishvolt, der im Jahr 2023 noch vor der Eröffnung der ersten Produktion die Waffen strecken musste.
Peter Spuhler erkannte die Relevanz der Elektromobilität
Dass auch Peter Spuhler sich von Northvolt überzeugen liess, ist keine Überraschung – schliesslich gilt die Batterieproduktion als Schlüsseltechnologie. Eine gewisse Diversifikation fort von den traditionellen Industrietiteln, die sich in Spuhlers Portfolio finden, schien in den vergangenen Jahren auch nicht verkehrt.
Sowohl Rieter wie auch Swiss Steel kämpfen mit branchentypischen Problemen, nämlich dem zyklischen Abschwung der Textilindustrie sowie dem weltweiten Überangebot an Stahl und hohen Energiekosten. Der Zughersteller Stadler Rail sitzt zwar auf Aufträgen in Rekordhöhe, ringt aber bei der Abarbeitung mit Rückschlägen.
Besser hielt sich der Autozulieferer Autoneum, an dem Spuhler mit 16 Prozent beteiligt ist. Zwar litt der Hersteller von Akustik- und Wärmedämmung zuletzt auch unter der Absatzschwäche im europäischen Automobilsektor, doch versorgt das Unternehmen auch andere Branchen.
Ausserdem investiert Autoneum in die Entwicklung von Komponenten für Elektrofahrzeuge. Darum kümmert sich seit Sommer ein neues Forschungszentrum des Unternehmens. Es wurde allerdings nicht in Europa angesiedelt, sondern in China, also im grössten Markt für Elektromobilität. Peter Spuhler war wohl gut beraten mit der Absicht, den Elektrotrend auf der Strasse nicht zu verschlafen. Nur hat er mit Northvolt auf das falsche Pferd im falschen Markt gesetzt.