Freitag, Oktober 18

Mit 23 Jahren gilt das City-Eigengewächs als neuer Liebling des Trainers. Doch dazu musste er sich von den Starspielern emanzipieren. Wie ist er so weit gekommen?

Phil Foden hat seit kurzem ein neues Torjubel-Ritual. Dabei nimmt der Offensivspieler von Manchester City die Haltung eines Gewehrschützen auf dem Platz ein. Er sitzt auf dem hinteren Fuss, stabilisiert mit der linken Hand das imaginäre Gewehr und legt die rechten Finger auf den Abzug.

Die Pose ist eine Anspielung auf Phil Fodens Spitznamen in der Mannschaft: «The Sniper», der Scharfschütze. So sei Foden schon immer genannt worden, sagte der Captain Kyle Walker kürzlich. Foden lässt laut Walker weder im Training noch im Spiel eine Gelegenheit aus, um aus der Distanz Tore zu schiessen. «Er liebt Torschüsse.»

Und diese gelingen dem 23-jährigen Foden in dieser Spielrunde so präzise wie nie zuvor in seiner noch jungen Laufbahn.

Für die Fans ist er einer von ihnen

Nach gerade einmal drei Vierteln der Saison kommt Foden für Manchester City bereits auf 18 Tore und 10 Assists in 40 Pflichtspielen. Einzig Erling Haaland hat mit 34 Torbeteiligungen derzeit eine bessere Bilanz in der Equipe. Der Trainer Josep Guardiola lobt Foden, er sei der «Spieler der Saison», und kein anderer hätte bisher «derart entscheidend» zum Erfolg der Mannschaft beigetragen.

'He's the best player in the Premier League' | Pep Guardiola praises Foden after Manchester Derby

Woran Josep Guardiola das festmacht? Foden habe stets Treffer erzielt, nun gewinne er mit diesen aber Matches für City – und darüber definiere sich nun mal ein Ausnahmespieler.

Am Sonntag schoss Foden in der Premier League zwei von drei City-Toren gegen den Stadtrivalen United. Zuvor ging schon das Siegtor gegen den AFC Bournemouth auf sein Konto. Und auch am Achtelfinal-Hinspiel-Sieg beim FC Kopenhagen in der Champions League war er massgeblich beteiligt: Er steuerte ein Tor und eine Vorlage zum 3:1 bei. Das Weiterkommen ist für den Titelverteidiger Manchester City im Rückspiel am Mittwoch daher wohl nur Formsache.

Fans und Verantwortliche von Manchester City sind besonders stolz auf Fodens Entwicklung. Denn Foden gilt als der erste Spitzenspieler, den die kostspielige eigene Nachwuchsschmiede unter der Eigentümerschaft des Emirats Abu Dhabi hervorgebracht hat.

Foden wird als Beweis gesehen, dass Manchester City nicht nur anderen Klubs die besten Profis abkaufen kann. Er ist in Stockport bei Manchester aufgewachsen, seit Kindertagen im Verein dabei – länger als die Klubbesitzer selbst, die 2008 übernommen hatten. Demonstrativ besingen ihn die Anhänger als «one of our own»: als einen von uns.

Mit Gascoigne und Iniesta verglichen

Das Potenzial von Foden für Manchester City schien der Trainer Guardiola früh vorauszuahnen. Er soll bereits vor acht Jahren von Fodens Talent überzeugt gewesen sein. Der Biograf Martí Perarnau rekapitulierte einst ein Gespräch von 2016, als der Trainer ihm damals über den Teenager Foden sagte: «Ich lüge dich nicht an, er ist phantastisch!»

Tatsächlich debütierte Foden 17-jährig im November 2017 bei den Profis. Sein Talent war nicht zu übersehen: die Ballbehandlung, der Bewegungsablauf, die Beschleunigung, das Spielverständnis. Und dazu die Vielseitigkeit in der Offensive. Foden kann alle Positionen ausfüllen. Derzeit kommt er meist rechts oder links zum Einsatz. Am liebsten spielt er jedoch in der Mitte, wohin es ihn ohnehin ständig zieht.

Nach seinem Durchbruch waren sich die Fussball-Analysten in England schnell einig, dass das Land einen instinktiven Strassenkicker wie Foden lange nicht mehr hatte. Sie verglichen ihn mit dem ebenso begabten Paul Gascoigne, der in den neunziger Jahren als bester Engländer seiner Generation galt.

Die britischen Medien betitelten Foden überschwänglich als «Stockport-Iniesta», eine Reverenz gegenüber dem spanischen Mittelfeldgenie Andrés Iniesta. Dieser stammt aus der berühmten Fussballschule des FC Barcelona, die dafür stand, kleingewachsene, aber kaum vom Ball zu trennende Spieler zu fördern. Foden ist nur 1,71 Meter gross – Iniesta einen Zentimeter grösser.

Er darf «frei wie ein Vogel fliegen» – solange er seine Pflicht erledigt

Der englische Fussball, dem nachgesagt wird, mehr mit dem Herzen als mit dem Kopf zu spielen, hat mit Foden plötzlich selbst einen unwiderstehlichen Spieler in den eigenen Reihen. Den Kommentatoren stockte in den Matches nicht selten der Atem, wenn der Junge sich mal wieder an mehreren Gegenspielern auf einmal vorbeidribbelte.

Aber obwohl Foden mit über 250 Pflichtspielen von Beginn an eine feste Grösse bei City gewesen ist, hatte er lange Zeit keine entscheidende Rolle. In wichtigen Partien setzte Guardiola überwiegend auf in ihrer Spielweise weniger risikobehaftete Profis. Er begründete das bisweilen mit Fodens steigerungsfähiger Defensivarbeit und seinem nicht ausgereiften taktischen Verständnis. Die Kritik manifestierte er in einem geflügelten Zitat, wonach Foden «frei wie ein Vogel fliegen» dürfe – aber trotzdem Pflichten zu erledigen hätte.

Die Engländer wurden nervös. Sie sorgten sich, ihr Vorzeigetalent könnte durch den anspruchsvollen und kontrollierenden Guardiola ausgebremst werden. Nach der Vertragsverlängerung bei Manchester City 2018 hiess es, Foden habe «für sechs Jahre auf der Ersatzbank» unterschrieben. Selbst gegen Ende der Vorsaison kam Foden kaum zu Startelf-Einsätzen.

Beinahe sinnbildlich stand Fodens Sohn während des Champions-League-Siegs mehr im Blickpunkt als er selbst, weil dieser den Spieler Haaland wegen der langen Haare für ein Mädchen gehalten hatte. Der Clip ging im Internet viral, Fodens Sohn wurde über Nacht zur Bekanntheit.

Erst nach dem Weggang einiger Stammspieler und den Verletzungen von Kevin De Bruyne und Haaland in dieser Saison konnte sich Phil Foden etablieren – und sich auch von seinen Vorgängern emanzipieren. Er füllte die Lücke aus, die das Angriffsduo De Bruyne und Haaland hinterliess, weil er Tore und Vorlagen lieferte.

Nun peilt der Scharfschütze den Durchbruch zur Weltklasse an. Es würde nicht verwundern, wenn ihm dies gelingen würde.

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