Donnerstag, Oktober 10

Der ehemalige SNB-Präsident hätte für seine Karriere geehrt werden sollen. Doch einige Studenten stören sich an seinem jetzigen Arbeitgeber.

Es hätte ein Auftritt mit Applaus werden sollen, eine Rückkehr zu seiner alten Kaderschmiede: Philipp Hildebrand, der ehemalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und heutige Vice Chairman beim Vermögensverwalter Blackrock, hätte Mitte September an einer Veranstaltung des Genfer Graduate Institute (IHEID) eine Rede halten sollen.

Doch daraus wird nun nichts: Hildebrand wurde wieder ausgeladen. Stillschweigend hat das Institut das Programm der Veranstaltung geändert. Einige Studenten hatten zuvor genau das gefordert.

Die ursprüngliche Runde

Bei dem Anlass handelt es sich um die Jahresversammlung des Alumni-Vereins des Graduate Institute, einer Genfer Hochschule, die sich vorwiegend auf das Studium von Internationalen Beziehungen und Entwicklungsfragen konzentriert und dafür auch Unterstützungsgelder vom Bund erhält. Diese findet Mitte September am Tag nach der Diplomfeier statt und soll Neuabsolventen die Möglichkeit bieten, mit ehemaligen Studenten in den Austausch zu treten.

Im Rahmen der Veranstaltung war auch ein Panel vorgesehen, bei welchem prominente Alumni von ihrer alten Hochschule gewürdigt werden. Auf dem Programm für dieses Jahr stand Philipp Hildebrand. Er hatte vom Institut im Jahr 1990 selbst einen Abschluss erlangt und war von 2003 bis 2008 auch als Gastprofessor tätig gewesen.

Hildebrand war für einen gemeinsamen Auftritt mit Andréa Maechler vorgesehen, der Vizechefin der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Auch Maechler studierte am Institut und hat, genau wie Hildebrand, eine Vergangenheit im Direktorium der SNB. Mit der Professorin Beatrice Weder di Mauro hätten die beiden laut dem Programm über die «Zukunft von Sustainable Finance» reden sollen.

Aufkommende Kritik an Hildebrands Arbeitgeber

Einem Teil der Studenten passte dieser Plan jedoch nicht. Nach der Einladung publizierte das «Decolonial Action Network» eine Stellungnahme in den sozialen Netzwerken. Beim Netzwerk handelt es sich um eine Vereinigung von Studentinnen und Studenten, die laut eigener Beschreibung «Widerstand von unten bis in den Elfenbeinturm gegen alle Formen von Kolonialismus» leisten will. Seit dem vergangenen Oktober spricht sich das Netzwerk im Kontext des Gaza-Kriegs zudem offen für Palästina aus.

Nun richtet sich der Widerstand gegen Philipp Hildebrand. Mit der Einladung eines hochrangigen Vertreters von Blackrock priorisiere die Hochschulleitung Profit und Prestige gegenüber Menschenrechten, heisst es in dem Statement des Studentenvereins. Die Firma Blackrock habe in der Vergangenheit regelmässig in Firmen investiert, die in dem Verdacht stünden, sich an den Menschenrechtsverletzungen gegen die uigurische Minderheit in China oder der Rodung des Amazonas beteiligt zu haben.

Im Fokus der Stellungnahme steht aber der Konflikt zwischen Israel und Palästina. Mit Investitionen in die Rüstungsindustrie leiste Blackrock einen Beitrag zur Zerstörung von Land und Leben in Gaza, was im direkten Widerspruch mit dem Nachhaltigkeitsgedanken stehe. Blackrock habe in der jüngeren Vergangenheit «einige kosmetische Änderungen» in seiner Anlagepolitik vorgenommen und betone in der Öffentlichkeit vermehrt sein nachhaltiges Engagement, beteilige sich aber weiterhin «offen an destruktiven Aktivitäten», heisst es in der Stellungnahme. Es sind Argumente, mit welchen Aktivisten seit Oktober regelmässig den Boykott von Grossfirmen fordern, die weiterhin mit israelischen Unternehmen Handel betreiben.

Auf Instagram wurde der Post mehr als 170 Mal geliked, etwa 20 immatrikulierte und ehemalige Studenten haben die Petition mit offenem Namen unterzeichnet. Im Jahr 2023 waren knapp 1100 Studenten am Hochschulinstitut eingeschrieben.

Die Kehrtwende der Hochschulleitung

Am Donnerstag, vier Wochen vor der Veranstaltung, hat der Alumniverein schliesslich eine zweite Einladung mit einem neuen Programm verschickt. Von Philipp Hildebrand ist darauf nichts mehr zu lesen. Warum dem so ist, wird nicht erklärt.

Die Alumni-Vereinigung bestätigt jedoch, dass das Programm aufgrund der Rückmeldung aus der Studentenschaft geändert worden sei. Die Organisatoren betonen aber gleichzeitig, dass Hildebrand als Privatperson aufgetreten wäre. Die Firma Blackrock sei weder als Sponsor noch inhaltlich an der Planung involviert gewesen.

Für die Gründe, warum das Institut auf die Forderungen der Studenten eingegangen ist, verweist das Organisationsteam auf die Hochschulleitung. Da diese gegenwärtig jedoch in den Ferien weilt, konnte das Hochschulinstitut vor Redaktionsschluss keine Erklärung vorlegen. Auch Philipp Hildebrand konnte am Freitag nicht für eine Stellungnahme erreicht werden.

An der Veranstaltung im September findet nun eine Podiumsdiskussion unter der Moderation von Achim Wennmann statt, einem beim Institut angestellten Professor. Mit wem Wennmann reden wird, ist noch nicht bekannt. Auch Andréa Maechler wird nicht mehr teilnehmen, denn das Thema «Sustainable Finance» wurde ausgetauscht.

Und es scheint fast, als hätte man sich beim neuen Gesprächsthema ganz von den jüngsten Ereignissen inspirieren lassen. Das Thema des Panels lautet nämlich: «Welche Zukunft für die Friedensmediation?»

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