In seinem Buch schildert Hochmair, wie er wurde, was er ist: einer der besten und bekanntesten deutschsprachigen Schauspieler. Einer, der sich selber eigentlich nur über seinen Beruf definieren kann.
So richtig angefangen hat es für Philipp Hochmair weit weg von Wien, wo er 1973 geboren wurde. Der österreichische Schauspieler, der heuer zum zweiten Mal bei den Salzburger Festspielen den Jedermann gibt, der wegen Serien wie «Vorstadtweiber» oder «Blind ermittelt», wegen Filmen wie «Wannseekonferenz» berühmt und präsent ist, hat 1997 im fränkischen Nürnberg in einem kleinen Off-Theater seine Bühnenfeuertaufe erlebt.
Im Nachwort zu seiner Biografie, die gerade unter dem Titel «Hochmair, wo bist du?» erschienen ist, schreibt er: «Die Stadt war mir neu, ausser Stemann kannte ich niemanden, und so beschäftigten wir uns ausschliesslich mit den Stücken, Kunst und Leben war uns eins. Wenn ich heute daran denke, spüre ich wieder die Erfüllung, die ich damals gespürt habe.»
Werther und Leonce
Über Monate hinweg spielte er damals vormittags seine Solofassung von Goethes «Werther» in verschiedenen Schulen der Stadt und abends im Gostner Hoftheater das gleiche Stück in der Inszenierung von Nicolas Stemann (der zwanzig Jahre später das Zürcher Schauspiel leiten sollte).
Im Kleintheater, wo er vor achtzig Leuten auftrat, nahm er auch die Rolle von Büchners Leonce ein: «Ich war Werther und Leonce, und Leonce und Werther waren ich, am Beginn einer ganz neuen Zeit. Ich denke zurück und spüre dieses Glück wieder, zum ersten Mal eine klare Identität zu haben, spüre die Ruhe, mich in diesen Texten zu spiegeln und mich über diese Texte wahr- und ernst nehmen zu können», heisst es in dem Buch, das Hochmair zusammen mit der Journalistin Katharina von der Leyen gemacht hat.
Die Biografie schildert, wie er wurde, was er ist: einer der besten und bekanntesten deutschsprachigen Schauspieler, ein vielbeschäftigter Workaholic auf Bühnen ebenso wie beim Film, ein aussergewöhnlicher Künstler, der sich selber eigentlich nur über seinen Beruf definieren kann.
Egal, was oder wen Hochmair spielt, da ist immer auch ein gehöriges Stück Hochmair zu sehen und zu spüren, seien es nun Identifikationsfiguren wie Werther und Jedermann oder abstossende Charaktere wie Reinhard Heydrich in «Wannseekonferenz», bei dem man als Zuschauer den inneren Kampf des Schauspielers mit dem absolut Bösen mitzuerleben scheint.
Es sind die Herausforderungen, die Hochmair im Schauspiel sucht – und auch meist findet. «Quecksilbriger Luftgeist» nennt seine Biografin ihn und trifft das Phänomen gut. Hochmairs künstlerisches Ziel in eigenen Worten: «Dass eine normale (Situation) umkippt in ungebremste Energie, in eine Anarchie. Es geht mir um eine Entfesselung.» Das aber gelinge ihm vor allem in den Soloprojekten. Als «Zeremonienmeister» könne er sich ganz auf das eigene Spiel konzentrieren und müsse sich nicht auf andere abstimmen. So machte er Schiller und Kafka allein und auch «Jedermann reloaded», in dem er alle Rollen, kombiniert mit einem irren Sound, selber spielt, auf dass daraus ein weltstürzendes Gesamtkunstwerk werde.
Gegen Konventionen
Als Schüler von Klaus Maria Brandauer musste sich Philipp Hochmair zunächst in die Ensemblepflicht nehmen lassen, er war engagiert am Wiener Burgtheater und am Hamburger Thalia. Doch mehr und mehr stellte sich heraus, dass die Unterordnung nicht sein Ding ist. Er scherte aus, kreierte eigene Abende, löste sich von Konventionen, wurde zum «Kunstsoldaten» mit eigenem Kulturkampfauftrag. Vielleicht ist der Jedermann, mit dem sich Philipp Hochmair seit 2013 intensiv beschäftigt, so etwas wie ein Spiegelbild seiner selbst: ein Suchender, der über die Stränge schlägt, der nie ankommt am Ziel, der ringt um sein intaktes Seelenleben, der in sich kehrt, um ein Stückchen Frieden zu finden.
Dieser Schnipsel Glück aber bleibt auch in der Biografie, die Fakten mit Gesprächen mischt und behutsam die Person umkreist, ein Geheimnis. So nackt Hochmair seine Figuren und sich selbst auf der Bühne zeigt, so rätselhaft bleibt der Impuls, der ihn bis zum Exzess treibt.
Gerade ist er in Salzburg wieder «Jedermann» – und mithin der Star der Festspiele. Er scheint den Ruhm zu geniessen, geht geduldig auf Empfänge, lässt sich herumreichen und trägt meist dabei ein T-Shirt mit dem Cover seines Buches «Hochmeier, wo bist du?». Im Buch beantwortet er die Frage: «Jetzt bin ich irgendwo angekommen, weiss aber nicht genau, wo. Es gibt jetzt auch ein Vorher und ein Nachher, also eine Zeit vor dem Auftritt und ein Leben danach.»
Katharina von der Leyen, Philipp Hochmair: Hochmair, wo bist du? Brandstätter-Verlag, Wien 2025. 250 Seiten, Fr. 38.90.