Donnerstag, Januar 30

Die Grossbank UBS geniesst faktisch eine Staatsgarantie. Laut einer neuen Analyse der Universität Bern verbilligt dies die Finanzierungskosten der Bank um mehrere Milliarden Franken pro Jahr.

Die UBS geniesst faktisch eine Staatsgarantie. Dieser Eindruck hält sich hartnäckig. Der Bundesrat hatte 2023 in seiner Botschaft ans Parlament zu den Staatskrücken für die Fusion von UBS und Credit Suisse die Bundeshilfen vor allem mit dem Argument unterstützt, dass die Alternative eines ungeordneten Ausfalls der Credit Suisse «dramatische Folgen» mit enormen volkswirtschaftlichen Kosten gehabt hätte.

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Das klang so, als ob es die vorbereitete Alternative einer «geordneten» Sanierung nicht gegeben hätte. Die politischen Entscheidungsträger hatten nicht an die vorbereitete Sanierungsvariante geglaubt und am Ende sogar eine vorübergehende Verstaatlichung der Credit Suisse für den Fall eines Scheiterns der UBS-Fusion ernsthaft erwogen. Dies bestätigte jüngst auch der parlamentarische Untersuchungsbericht.

Das künftige Ausmass der faktischen Staatsgarantie für die UBS wird entscheidend davon abhängen, ob ein glaubwürdiges Krisenszenario einer Abwicklung der Bank mit Sanierung oder Konkurs ohne Hilfe der Steuerzahler vorliegt. Zurzeit ist dies nicht der Fall. Wie stark wird die UBS mit der impliziten Staatsgarantie subventioniert? Die Bank selbst will nicht von einer Subventionierung sprechen. Sie verweist auf die internationalen Rating-Agenturen, die in ihrem Kredit-Rating für die Bank keine Staatsgarantie annahmen.

Zwei von drei

Das stimmt für zwei der drei grossen Rating-Agenturen. So schrieb S&P (Standard & Poor’s) im September 2024 in einem Rating-Bericht zur UBS, dass man für den Fall einer Krise eine Rettung der Bank durch den Staat nicht ausschliesse. Doch eine geordnete Sanierung durch Wandlung der vorhandenen Krisenanleihen in Eigenkapital bleibe das Basisszenario. Auch die Agentur Fitch verzichtet laut ihrer Analyse vom Juni 2024 auf einen Rating-Zuschlag für eine Staatsgarantie, da sich die Schuldner in einer Krise der Bank «nicht auf die volle Unterstützung des Staats verlassen können». Die Agentur Moody’s veranschlagt dagegen nach wie vor einen Staatshilfezuschlag in ihrem Rating für die UBS, wie aus einem Papier vom Mai 2024 hervorgeht.

Signale der Märkte

Die Ratings der Agenturen liefern Hinweise, doch entscheidend ist letztlich die Wahrnehmung an den Finanzmärkten. Nach der Finanzkrise von 2008 mit Bankenrettungen durch den Staat in diversen Ländern hatten manche Studien festgestellt, dass sich die grössten Banken wegen einer impliziten Staatsgarantie günstiger finanzieren konnten. Das dürfte auch heute noch gelten. So schätzte zum Beispiel eine internationale Forschergruppe in einem Papier von 2024 zu den sechs als global systemrelevant bezeichneten Banken der USA, dass die Finanzmärkte die Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Rettung in einer Krise mit 87 Prozent einstuften. Das war zwar tiefer als vor der Finanzkrise (95 Prozent), aber immer noch sehr hoch.

Auch die UBS dürfte in der Schweiz noch stark von der faktischen Staatsgarantie profitieren. Zu diesem Schluss kommen drei Forscher der Universität Bern in ihrer am Dienstag publizierten Studie. Laut der «konservativsten» Schätzung der Autoren für 2022 wird die UBS mit etwa 2,6 Milliarden Franken pro Jahr subventioniert.

Die Schätzung beruht unter anderem auf Marktdaten zu den Preisen für die Kreditausfallversicherungen (CDS) der UBS und der Volatilität der Aktienkurse beziehungsweise der Bankaktiven. Die Differenz zwischen dem theoretischen CDS-Preis für das UBS-Risikoprofil ohne Staatsgarantie und dem effektiven CDS-Marktpreis interpretieren die Autoren als Effekt der vermuteten Staatsgarantie. Unter gewissen Annahmen leiten die Forscher daraus einen Finanzierungsvorteil der UBS für ihr Fremdkapital von 1,6 Prozentpunkten pro Jahr ab.

Dies entspricht umgelegt auf jene UBS-Anleihen, die im Krisenfall nicht für eine Wandlung in Eigenkapital vorgesehen sind, einer jährlichen Subvention von den besagten 2,6 Milliarden Franken. Zieht man auch noch die Kundeneinlagen als Berechnungsbasis heran, weil die offizielle Einlagensicherung in der Krise höchstens einen kleinen Teil der UBS-Einlagen abdecken könnte, wäre der geschätzte Subventionsbeitrag sogar noch deutlich höher. Allerdings dürften auch die Kundeneinlagen von anderen Banken erheblich subventioniert sein.

Im Geist früherer Studien

2021 hatten Forscher der Nationalbank und der Europäischen Investitionsbank mit einer ähnlichen Methode ebenfalls bedeutende Vorteile der impliziten Staatsgarantie für die UBS (und die Credit Suisse) geortet. Ähnliches stellten die Forscher auch für ausländische Grossbanken fest. Eine Kernaussage aus jener Analyse: Der Wert der Staatsgarantie für die Grossbanken lässt sich wegen methodischer Unsicherheiten nicht genau in Franken ausdrücken, aber er dürfte sehr bedeutend sein. Und: Der Wert nimmt in Krisenzeiten stark zu, geht aber in guten Zeiten auch wieder zurück.

Der Bundesrat hatte in seinem Bericht vom April 2024 zur Bankenstabilität diverse externe Schätzungen aus den 2010er Jahren zum Wert der Staatsgarantie für die Schweizer Grossbanken zitiert – mit einer Bandbreite von total 2 bis 45 Milliarden Franken pro Jahr. Die grosse Bandbreite illustriert die hohen Schätzunsicherheiten und auch die Kursschwankungen an den Märkten.

Laut einem Überblick der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich über knapp zwanzig Studien aus diversen Ländern seit 2011 hat die grosse Mehrheit der Untersuchungen Finanzierungsvorteile von Grossbanken als Folge von mutmasslichen Staatsgarantien geortet. Das Gros der Schätzungen reicht von weniger als einem Viertelprozentpunkt günstigerer Finanzierung bis zu mehr als zwei Prozentpunkten pro Jahr.

Die neuen Berner Schätzungen liefern frisches Futter für die Kontroverse zum künftigen Umgang mit der UBS. Das beginnt schon mit dem laufenden Gesetzesprojekt für eine staatliche Liquiditätsgarantie für systemrelevante Banken. Nebst der UBS sind auch die Postfinance, die Zürcher Kantonalbank und die Raiffeisen-Gruppe von der Reform betroffen. Wenn diese Institute in einer Krise mangels Sicherheiten keine ordentliche Liquiditätshilfe von der Nationalbank (SNB) bekommen, könnte die SNB mit der geplanten Gesetzesänderung trotzdem Hilfen geben und bekäme vom Bund dafür eine Verlustausfallgarantie.

Abgeltung oder Regulierung

Vorgesehen ist diese Liquiditätsrückversicherung nur für Institute, die bereits in einem behördlich angeordneten Sanierungs- oder Konkursverfahren stecken. Die Vorlage ist in der Wirtschaftskommission des Ständerats für den Februar traktandiert.

Zu den Streitpunkten gehört die Höhe der Versicherungsgebühr für die staatliche Krisenliquidität. Der Bundesrat hat für alle vier systemrelevanten Institute zusammen eine Grössenordnung von 70 bis 210 Millionen Franken pro Jahr in Aussicht gestellt. Diese Gebühr ist indes nicht mit der Abgeltung für die gesamte (wesentlich weiter gehende) Staatsgarantie zu verwechseln. Laut den Autoren der neuen Berner Studie ist die Antwort auf ihre Milliardenschätzung zu den UBS-Subventionen nicht isoliert in der Festlegung der Gebühr für die Liquiditätssicherung zu suchen. Vielmehr sei eine Gesamtbetrachtung angebracht.

Der Berner Wirtschaftsprofessor und Studien-Co-Autor Dirk Niepelt nennt im Gespräch als Ansatzpunkte eine jährliche Abgeltung der Staatsgarantie in Abhängigkeit der UBS-Bilanzstruktur oder strengere Eigenmittelvorgaben. Das Ausmass der eventuell angebrachten Verschärfung zu den Eigenmitteln lässt Niepelt indes offen. Die Sache wird noch viel zu reden geben.

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