Sonntag, November 24

Das neue Elektroflugzeug Bristell B23 Energic fliegt mit Schweizer Antriebs- und Akkutechnik der Firma H55 im Wallis, einem Spin-off des Projekts Solar Impulse.

Mit zweisitzigen Elektro-Propellerflugzeugen ist es so eine Sache: Viele Hersteller weltweit arbeiten daran. Mit einer einfach zu erlangenden Ecolight- oder Motorseglerzulassung fliegen zwar schon einige Typen. Bei den zertifizierten Flugzeugen, also zwei- oder mehrsitzigen Einmotorigen wie klassischen Cessnas und Pipers, sind sie aber noch absolute Mangelware.

Denn diese einmotorigen Flugzeuge müssen entweder von der europäischen Flugsicherheitsagentur Easa oder von der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA in einer aufwendigen Prozedur nach vielen Tests und etlichen Stunden Flugerprobung zugelassen werden. Das dauert Jahre und kann siebenstellige Summen in US-Dollar kosten. Nur mit derart zertifizierten Flugzeugen dürfen Piloten in Flugschulen für eine Privat-, Berufs- oder Linienpilotenlizenz ausgebildet werden.

Lediglich ein einziger Hersteller kann in diesem Segment bis jetzt ein einmotoriges Elektroflugzeug anbieten, und zwar für die Light-Sport-Aircraft-Kategorie bis 750 Kilogramm. Es ist die zweisitzige Velis des slowenisch-amerikanischen Herstellers Pipistrel. Flugschulen setzen sie auch in der Schweiz ein. Auf der Velis dürfen Pilotenschüler im Sichtflug und am Tag ausgebildet werden.

Geht es nach dem eidgenössischen Unternehmen H55 aus Sitten, soll sich die Elektro-Auswahl für Flugschulen aber bald vergrössern. H55 ist nach eigenen Angaben von visionären Ingenieuren und Aviatik-Experten gegründet und geleitet und ist ein Ableger aus dem einstigen Solar-Impulse-Projekt. Ein Elektroflugzeug der Firma mit Schweizer Antriebs- und Akkutechnik war erstmals an der Luftfahrtmesse Aero am Bodensee zu sehen: Die B23 Energic flog mit sieben Zwischenlandungen von Sitten nach Friedrichshafen.

Elektro-Umbau eines tschechischen Schulungsflugzeugs

Basis der Maschine ist der bewährte Tiefdecker Bristell vom tschechischen Flugzeugbauer BRM Aero. Allerdings soll die Schweizer B23 mit ihrem von H55 entwickelten Elektromotor ein maximales Abfluggewicht von 850 Kilogramm aufweisen. Die Schwesterversion mit Vierzylinder-Verbrennungsmotor fliegt mit höchstens 750 Kilogramm.

Der flüssigkeitsgekühlte Elektromotor von H55 leistet beim Start bis zu 104 Kilowatt und hat anschliessend 80 kW Dauerleistung. Der selbst entwickelte Lithium-Ionen-Akku besitzt eine Kapazität von 50 kWh. Er kann abhängig vom Ladestrom bestenfalls in nur einer Stunde aufgeladen werden. Die maximale Zuladung beträgt 190 Kilogramm.

Die H55-Ladetechnologie soll an allen Flugplätzen einfach adaptierbar sein. Als Hauptzielgruppe sehen BRM Aero und H55 für ihr künftiges Gemeinschaftsprojekt Flugschulen, die leise und umweltfreundlich im Sichtflug am Tag schulen wollen.

Dieser Markt wird bis jetzt vor allem von der zweisitzigen Pipistrel Velis aus Slowenien bedient. Auf Flugschulen, die geräuscharm und CO2-neutral schulen wollen, zielt künftig auch das Unternehmen aus Sitten. Allerdings soll sein Tiefdecker mehr Zuladung ermöglichen. Dies wird durch das gegenüber der Velis um 250 Kilogramm höhere maximale Abfluggewicht realisiert. Auch die Flugzeit soll mit einer Stunde plus Reserve rund zehn Minuten länger sein. Zu einem späteren Zeitpunkt könnten auf der B23 auch Nacht- sowie Instrumentenflugausbildung folgen.

Allerdings richten bereits weitere Wettbewerber ihren Fokus auf den Markt umweltfreundlicher Propeller-Schulmaschinen. So wurde erstmals auch die elektrische eDA40 von Diamond Aircraft an der Aero gezeigt. Der Flugzeugbauer aus Wiener Neustadt, ein österreichisch-chinesisches Unternehmen, ist einer der grossen Anbieter in der privaten Luftfahrt neben Cessna, Piper, Cirrus und Tecnam.

Seine eDA40 wird von einem 125 kW starken Elektromotor der Firma Safran angetrieben. Die Akkukapazität liegt bei 80 kWh. Mit 1310 Kilogramm Abfluggewicht ist die eDA40 deutlich schwerer als eine B-23 Energic. Im vergangenen Jahr fand der Erstflug in Wiener Neustadt statt. Erstbesteller für die eDA40 ist Lufthansa Aviation Training. Die Lufthansa-Tochter will mehrere Exemplare des Zwei- bis Dreisitzers kaufen, um die Pilotenausbildung umweltfreundlicher und nachhaltiger zu gestalten.

Chinesische Firmen sind bereits führend bei E-Flugzeugen

China scheint diesen Markt bereits verstärkt ins Visier zu nehmen: Das rein chinesische Unternehmen Rhyen Aircraft Industry zeigte an der Aero eine Premiere mit Elektroantrieb: Der maximal 630 Kilogramm schwere Zweisitzer RX1E soll mit einer Höchstleistung von 50 kW, einem 34,5 kWh grossen Akku und bis zu 2,5 Stunden Flugzeit punkten.

Der Hochdecker ist vor allem für die Light-Sport-Aircraft-Kategorie bis 750 Kilogramm gedacht, die in den USA viele Anhänger hat. Er ähnelt der Pipistrel Velis. Und auch der bis zu 1260 Kilogramm schwere elektrisch angetriebene Viersitzer RX4E fliegt bereits in China.

Die treibende Kraft hinter dem Schweizer Projekt ist bei H55 der Solar-Impulse-Weltumrunder André Borschberg. Er geht für die Bristell B23 Energic davon aus, dass bereits früh im Jahr 2025 eine Zulassung nach der Zertifizierungsvorschrift CS-23 durch die europäische Flugsicherheitsagentur Easa möglich sein könnte. Diese Norm gilt für 2- bis 19-sitzige Propellerflugzeuge.

Die Akkus sollen für bis zu 1500 Ladezyklen halten. Dann werden sie nicht etwa entsorgt, sondern können für andere Anwendungen, etwa im Automobilbereich, genutzt werden. Ein komplett neuer Akkusatz würde nach jetziger Kalkulation etwa 100 000 Euro kosten.

Der Anschaffungspreis einer B23 Energic soll etwa 400 000 Euro betragen. Ein komplett neuer Akkusatz würde nach jetziger Kalkulation etwa 100 000 Euro kosten. Allerdings dürften die direkten Betriebskosten deutlich niedriger sein als bei der Variante mit dem ähnlich starken Rotax-Verbrennungsmotor. Denn der Ladestrom ist günstiger als der Treibstoff.

H55 kalkuliert allerdings recht optimistisch, dass die Energiekosten für eine B23-Flugstunde lediglich bei etwa 7 Dollar liegen würden, wenn ein Energiepreis von 20 Cent pro Kilowattstunde angesetzt wird. Das wäre ein Vielfaches weniger als etwa die Energiekosten für eine Flugstunde im gleich starken Verbrennermodell.

In einer Beispielrechnung für den Verbrenner – mit einem Verbrauch von rund 20 Litern in der Stunde und einem Literpreis von knapp 2 Dollar für unverbleites Mogas – dürfte der Sprit bereits um 40 Dollar kosten. Allerdings sind für Flugzeuge mit Kolbenmotor auch exakte Vorgaben bekannt, wie viele Flugstunden etwa ein Motor und der Propeller bis zur Überholung fliegen dürfen und was diese dann kostet.

Es fehlen Erfahrungswerte bei E-Flugzeugen

Wie haltbar die Akkus von Elektroflugzeugen sind und mit welchen Laufzeiten des Motors man rechnen muss, ist noch sehr unsicher. Denn mit dem Einsatz in der Aviatik wurden noch keine entsprechenden Erfahrungen gesammelt. Das macht es für eine Flugschule schwieriger, diese Kosten exakt vorherzusehen und einzukalkulieren.

Zudem reicht ein Elektroflugzeug allein nicht aus, um in einer Flugschule alle Vorgaben der Pilotenausbildung zu erfüllen. Denn bereits für eine Privatpilotenausbildung sind sogenannte Dreiecksflüge vom Heimatflugplatz aus zu zwei weiteren Flugplätzen Pflicht, die der Schüler zuerst mit Fluglehrer und später allein fliegen muss. Dafür reicht aber eine Stunde Flugzeit plus Reserve beim Elektroflugzeug bislang üblicherweise nicht aus. Die Ausbildung muss also auch auf einem möglichst typgleichen Modell mit Verbrennungsmotor absolviert werden.

André Borschberg und der CEO von BRM Aero/Bristell, Martin Bristela, betonten, dass mit dem Auftritt an der Aero nun auch das Bestellbuch für die Bristell-Variante B23 Energic geöffnet sei. Es gebe bereits einen Erstbesteller. Die ersten zehn Kunden sollen zudem von einem Nachlass auf den Listenpreis profitieren.

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