Sonntag, November 24

Vor 75 Jahren flog die Piper PA-18 Super Cub zum ersten Mal. Das ikonische Flugzeug ist überall anzutreffen – an Land, auf Wasser oder am Gletscher.

Wenn irgendwo an einem eidgenössischen Flugplatz Piloten gefragt werden, was eine Piper PA-18 so besonders mache, dann nennen sie vor allem deren Vielseitigkeit: Der Zweisitzer mit Kultstatus fliegt in der Schweiz etwa auf Schwimmern als Wasserflugzeug vor Hergiswil im Vierwaldstättersee. Mit Skikufen geht es beispielsweise von Speck-Fehraltorf aus mitten auf den Hüfigletscher in der Zentralschweiz.

Am Flugplatz Fricktal-Schupfart dient die PA-18 wiederum zum Schleppen von Segelflugzeugen. Und in Grenchen oder Ecuvillens wie auch an etlichen anderen Schweizer Flugplätzen lernen künftige Piloten auf der Maschine das Fliegen – entweder von Grund auf oder als sogenanntes Tailwheel-Rating, also das Umsteigen bereits routinierter Piloten auf Spornradflugzeuge, bei denen das Heck auf einem Rad den Boden berührt.

Flugbanner schleppen ist in der Schweiz zwar nicht erlaubt, aber im Nachbarland Deutschland etwa ist eine PA-18 auch dafür prädestiniert. Sogar als Sprühflugzeug für die Landwirtschaft gibt es eine spezielle Version.

Cub bedeutet im amerikanischen Sprachgebrauch ein Bärenjunges. Warum das Flugzeug zu diesem Beinamen kam, ist nicht genau zu klären. Die Cub, also das fliegende Bärchen des amerikanischen Flugzeugbauers Piper, hat jedenfalls eine weltweite Fangemeinde mit besonders grosser Anhängerschaft in der Schweiz.

Entstanden in ihrer Urform bereits Anfang der 1930er Jahre, lief ab 1938 die Vorgängerin, die ebenfalls zweisitzige Piper J-3 Cub, in den Vereinigten Staaten vom Band. Dieser Hochdecker war meist von Boxermotoren angetrieben. Dessen Zylinder standen frei im Fahrtwind und konnten so bestens von der Luft gekühlt werden.

Im Laufe der darauffolgenden Jahre wurde das Konzept immer weiter modifiziert und verbessert. So entstand vor 75 Jahren schliesslich die PA-18 Super Cub, die 1949 ihren Erstflug absolvierte. Anders als die J-3 hat sie den Tank nicht vorne im Rumpf, sondern je nach Version in einer Tragfläche oder in beiden eingebaut. Die vier Zylinder des Boxermotors stehen bei der Super Cub auch nicht mehr frei im Fahrtwind, sondern sitzen geschützt unter einer Motorhaube.

In den stärkeren Versionen der PA-18 freut sich der Pilot nun über mechanisch ausfahrbare Landeklappen. Damit kann die Landebahn steiler angeflogen werden als mit der J-3, zudem verkürzt sich mit ihrer Hilfe auch die nötige Startrollstrecke. Die deutlichste Veränderung ist aber eine massive Kraftkur: Anders als die relativ schwachbrüstigen 40 bis 65 PS starken J-3 sind Super Cubs im Vergleich deutlich leistungsfähiger. Zwischen 95 und 150 Pferdestärken leisten ihre Motoren je nach Version. Dort, wo in der Schweiz besonders viel Power benötigt wird, also etwa beim Wasserflug oder zum Gletscherfliegen, tunen Cub-Piloten ihre Piper auch gerne einmal mit 180 PS starken Triebwerken.

Für kurze Pisten gut geeignet

Aber egal mit welcher Motorisierung, die PA-18 Super Cub ist immer ein sogenannter Stol-Flieger. Das ist die Abkürzung für «short take-off and landing» und bedeutet Kurzstart und -landung. Meist nicht viel mehr als 100 Meter Rollstrecke brauchen die stärkeren Varianten des Spornradflugzeugs zum Abheben. Das Landen klappt mit etwas Gegenwind sogar auf noch kürzere Distanz.

Anders als bei den meisten Flugzeugen befinden sich die beiden Sitze nicht nebeneinander, sondern hintereinander. So hat der Pilot perfekte Sicht nach allen Seiten. Gleichzeitig ist die Maschine bei Bedarf ein fliegendes Cabrio. Denn während des Flugs ist es möglich, die zweigeteilte Einstiegstür auf- und zuzuklappen. So kommt zwar nicht von oben, aber zumindest von der Seite jede Menge Luft ins Cockpit.

Als Bonus gibt es in diesem Flugmodus einen völlig ungestörten Blick des Passagiers nach unten auf die Landschaft. Daher lieben besonders Luftbildfotografen die Maschine. Derart geruhsam und mit tollem Blick im Himmel unterwegs zu sein, ist ein Erlebnis für alle Sinne. Wohl genau für diese beschauliche Art des Fliegens wurde der treffende Begriff Luftwandern erfunden.

Die Super Cub ist neben der Cessna 172 und der Beechcraft Bonanza die Einmotorige mit der längsten Produktionsdauer. Und sie ist über fast fünf Jahrzehnte Bauzeit auch deshalb so erfolgreich, weil sie hervorragende Flugeigenschaften besitzt. So liegt sie eigenstabil in der Luft und ist gutmütig zu fliegen. Auch beim absichtlich herbeigeführten Strömungsabriss im Pilotentraining gibt sie sich nicht zickig, sondern reagiert im Abkippen vorhersehbar.

Zudem kann die PA-18 sehr langsam unterwegs sein. Erst bei weniger als 70 km/h reicht der Auftrieb nicht mehr zum Fliegen aus. Zumindest für Rechtshänder passt auch die Ergonomie mit dem Steuerknüppel in der rechten Hand und der Linken am Gas bestens. Der am Kabinenboden angebrachte Hebel für das Ausfahren der Landeklappen ist leicht zu betätigen. Alles in der Super Cub lässt sich intuitiv bedienen. Damit ist sie auch hervorragend für die Ausbildung von Spornrad-Piloten geeignet.

Durch ein robustes Stahlrohrgerüst für den Rumpf und die stoffbespannten Tragflächen mit Aluminiumrippen, das Ganze nennt sich Rohr-Tuch-Bauweise, kann eine PA-18 zudem einfach repariert werden. Das ist wichtig beim Einsatz als Buschflugzeug. Denn in Kanada und im amerikanischen Gliedstaat Alaska landen Buschpiloten ihre Super Cub gerne auf Sandbänken von Flüssen oder überall in der Natur, wo rund 150 Meter hindernisfreie Fläche zu finden sind. Im nördlichen Teil der USA und in Kanada besteht zudem kein Flugplatzzwang wie etwa in Mitteleuropa – PA-18-Piloten landen dort einfach und völlig legal mitten in der Wildnis.

Cub-Piloten und -Halter fühlen sich als eine Art internationale Fliegerfamilie. Schweizer, Österreicher, Deutsche, Italiener, Belgier, selbst Skandinavier und Briten nehmen am jährlich stattfindenden Cub-Meeting teil. Das Treffen findet seit 1984 jedes Jahr an wechselnden Flugplätzen in den drei deutschsprachigen Ländern statt. Etliche Piloten, unter ihnen erstaunlich viele Linienflugkapitäne, sind bereits seit Jahrzehnten mit dabei.

Sie liebt die gemächliche Gangart

Bei aller Begeisterung für die vielfältigen Qualitäten der PA-18: Hohe Geschwindigkeit gehört nicht zu ihren Vorzügen. Angesichts vieler Verstrebungen und recht dicker Tragflächen ist sie eher ein Schleicher der Lüfte. Bei Triebwerken von 95 PS zu Beginn der PA-18-Baureihe im Jahr 1949 und maximal 150 PS der späteren Versionen sind gemütliche Tempi zwischen 140 und 180 Kilometer pro Stunde angesagt.

Dabei laufen etwa 30 bis 35 Liter verbleites Flugbenzin, sogenanntes Avgas, je Stunde durch die Vergaser des Lycoming- oder Continental-Vierzylinders. Mittlerweile dürfen die meisten PA-18-Versionen aber auch mit unverbleitem Automobil-Treibstoff betrieben werden.

Neben vielen restaurierten Exemplaren, deren Zustand besser als neu ist, gibt es in der Schweiz heute auch fabrikneue PA-18 zu sehen – allerdings stammen diese nicht mehr von Piper. Gleich mehrere Firmen bauen Zweisitzer nach Cub-Vorbild, die wie ein Klon des Originals erscheinen. Sie sind aber zumeist deutlich stärker motorisiert als frühere PA-18-Modelle und werden zur Gewichtsersparnis oft mit Carbonteilen ausgerüstet. Der Hersteller Piper Aircraft zog sich bereits Mitte der 1990er Jahre aus der Produktion zurück.

Da der Bau einer stoffbespannten Super Cub viel aufwendige Handarbeit erfordert, war die Fertigung für den Flugzeugbauer unrentabel geworden. Der robuste Hochdecker wurde von Piper aber immerhin in einer Stückzahl von mehr als 10 000 Exemplaren von 1949 zunächst bis 1984 in Lock Haven im amerikanischen Gliedstaat Pennsylvania und ab 1987 im neuen Werk Vero Beach in Florida bis 1994 gebaut. Zuletzt gab es die Super Cub aus Kostengründen auch nicht mehr als Fertigflugzeug, sondern nur noch als Bausatz für Flugzeug-Selbstbauer.

Ihrem Status als Kultflugzeug seit einem Dreivierteljahrhundert in der Schweiz hat das nicht geschadet. Denn Cub-Fliegen bedeutet für viele eidgenössische Piloten: Der Weg ist das Ziel. Im Sommer, bei Hitze, bleibt die zweigeteilte Einstiegsklappe während des Flugs einfach offen. Das kostet zwar ein bisschen Geschwindigkeit, sorgt aber für frische Luft und angenehme Temperaturen im Cockpit. Im Winter wiederum bleibt die Türe geschlossen, und die eingebaute Heizung sorgt bei Alpenflügen schon nach kurzer Zeit für wohlige Wärme. So ist der Oldie sowohl ganzjahres- als auch gletscherflugtauglich.

Geflogen wird eine PA-18 allerdings immer im Sichtflug. Für Instrumentenflüge etwa in Wolken ist sie weder gedacht noch zugelassen. «Low and slow», also langsam und tief über die Landschaft tuckern, das ist seit 75 Jahren ihre wirkliche Bestimmung.

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