Die Gemeinde Thiberville in der Normandie erhält ein unerwartetes Erbe. Ein Namensvetter hinterlässt ihr einen Grossteil seines Vermögens – obwohl er den Ort nie besuchte.
Manchmal genügt eine glückliche Wendung, um Geschichte zu schreiben. Der französischen Gemeinde Thiberville verhalf ihr Name zu einem unverhofften Vermögen.
Thiberville, ein kleines Dorf in der Normandie im Norden Frankreichs, zählt etwas mehr als 1700 Einwohner. Bislang führte das Dorf ein ruhiges, unauffälliges Dasein. Es gibt dort keine weltbekannten Sehenswürdigkeiten. Doch plötzlich schaut die Welt nach Thiberville. Grund dafür ist Roger Thiberville – ein 91-jähriger Pariser, der im August verstarb.
Weinberg- und Immobilienbesitzer
Viel ist über Roger Thiberville nicht bekannt. Er war ledig, entstammte einer Familie von Weinbergbesitzern und arbeitete als Meteorologe. Kinder hatte er nicht, dafür aber ein beachtliches Vermögen. Sein Besitz umfasste vier Immobilien in Paris und mehr als zehn Millionen Euro.
In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte ihn die Frage, was nach seinem Tod mit seinem Reichtum geschehen solle – Monsieur Thiberville wurde kreativ. Einen Teil des Vermögens erhielt sein Buchhalter. Den Rest vermachte er der Gemeinde Thiberville. Er hatte das Dorf nie besucht. Die einzige Verbindung war sein Nachname. Doch dort, wo sein Name für immer weiterlebt, wollte er etwas hinterlassen.
«Diese Summe ist aussergewöhnlich»
Auch in Thiberville kannte niemand den wohlhabenden Namensvetter – bis wenige Tage nach Thibervilles Tod das Telefon im Rathaus klingelte. Ein Notar informierte den Bürgermeister Guy Paris über das Erbe. Paris ist seit 28 Jahren im Amt, doch dieses Telefonat dürfte das spektakulärste seiner Laufbahn gewesen sein. «Ich war ein wenig überrascht, aber noch mehr, als ich die Summe erfuhr», sagte er laut französischen Medien.
Zuerst hielt Paris das Gespräch für einen Schwindel. Doch die kleine Gemeinde in der Normandie wurde auf einen Schlag reich. Roger Thiberville vermachte der Gemeinde zehn Millionen Euro, das Fünffache des Jahresbudgets. «Diese Summe ist aussergewöhnlich», sagte Paris. «Der Betrag übersteigt unsere Vorstellungskraft.» Da die Gemeinde eine öffentliche Einrichtung ist, entfällt die Erbschaftssteuer. Doch was macht sie mit so viel Geld?
Kunstrasenfeld und eine neue Feuerwache
«Wir werden dieses Geschenk mit Vorsicht und Verantwortung verwalten», sagte Paris. Die Spende sei für das Dorf mehr als ein Glücksfall – sie sei eine Chance für eine bessere Zukunft. Für die Gemeinde kommt das Geld zur richtigen Zeit. Sie kann damit ein Darlehen in der Höhe von 400 000 Euro für die Reparatur eines Schuldachs zurückzahlen. Bürgermeister Paris will zudem weitere Projekte finanzieren: ein Kunstrasen-Fussballfeld, einen Bouleplatz, eine neue Feuerwache, einen öffentlichen Garten, die Einrichtung eines Bürgeramts, die Renovierung der Grundschule.
Der Verstorbene hatte nur einen Wunsch für sein grosszügiges Erbe: Seine Asche soll in einer Gedenkstätte auf dem Friedhof von Thiberville beigesetzt werden. «Das ist das Mindeste, was wir ihm schulden. Monsieur Thiberville hat keine Gegenleistung für sein Vermächtnis verlangt», sagte Bürgermeister Paris. Man wolle den Wohltäter entsprechend ehren. In Thiberville wird zukünftig eine Stele an den verstorbenen Namensvetter und sein aussergewöhnliches Geschenk erinnern.