FDP und Linke sind beide für eine moderne Ehepaarbesteuerung, doch ihre Allianz im Parlament bröckelt. SP und Grüne fordern von den Freisinnigen erhebliche Zugeständnisse: mehr Steuern von den Reichen und mehr Geld für Krippen. Macht die FDP mit?

Wenn es dieses Mal mit der Abschaffung der steuerlichen Heiratsstrafe nicht klappt, dann kann man das Thema wohl auf sehr lange Zeit vergessen. Gerade zwei Volksinitiativen und ein Gegenvorschlag des Bundesrates wollen die Doppelverdiener-Ehepaare entlasten, die heute wegen des progressiven Steuersatzes zum Teil deutlich mehr direkte Bundessteuern bezahlen als gleichgestellte Konkubinatspaare.

Die erste Initiative ist jene der FDP-Frauen (für «Steuergerechtigkeit»). Sie möchte die Individualbesteuerung einführen, das heisst, jede Person soll unabhängig von ihrem Zivilstand einzeln besteuert werden. Der Bundesrat unterstützt die Stossrichtung des Begehrens und hat einen Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe dazu erarbeitet. Doch die Mitte-Partei ist den Freisinnigen auf den Fersen. Sie hat vor wenigen Wochen ihrerseits eine Initiative (für «faire Bundessteuern») präsentiert, die an der gemeinsamen Besteuerung der Ehegatten festhält und die Progression auf andere Weise – etwa durch ein Splittingmodell oder durch die alternative Steuerberechnung – brechen will. Der Bundesrat empfiehlt das Begehren der Mitte-Partei ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung, wie er jüngst mitteilte.

«Traditionalisten» gegen «Progressive»

Die politische Ausgangslage ist seit Jahrzehnten unverändert, zwei unversöhnliche und fast gleich grosse Lager stehen sich gegenüber. Die «Traditionalisten» der Mitte-Partei und der SVP verteidigen die gemeinschaftliche Besteuerung, von der vornehmlich jene Ehepaare profitieren, bei denen der Mann den Lohn nach Hause bringt und die Frau wenig oder nicht erwerbstätig ist. Die «Progressiven» von FDP und Linken fordern die Individualbesteuerung, die tendenziell den gutverdienenden Doppelverdienern entgegenkommt. Wer im Moment vorne liegt, ist schwer zu sagen. Solid scheinen beide Gruppen vor allem darin zu sein, das Modell der Gegenseite abzulehnen.

Das zeigt sich in der Wirtschaftskommission des Nationalrats. Sie ist kürzlich mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung auf den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zur Individualbesteuerung eingetreten. Die Linien verlaufen exakt zwischen den erwähnten politischen Lagern. Doch während man sich bei den Gegnern aus den Reihen der Mitte und der SVP einig ist und den Gegenvorschlag (fast) geschlossen ablehnt, ist das Befinden bei den Befürwortern konfliktreicher. So haben Kommissionsmitglieder aus den Reihen der SP, der Grünen und der Grünliberalen Anträge gestellt, um den Gegenvorschlag des Bundesrates abzuändern. Dieser sieht Mindereinnahmen beim Bund von rund einer Milliarde Franken vor.

Kuhhandel mit dem Kita-Gesetz

Die einen lehnen Einnahmenausfälle kategorisch ab, die anderen wollen die Mindereinnahmen auf 500 Millionen Franken begrenzen. Dazu soll die ohnehin schon steile Progression bei den höchsten Einkommen weiter verschärft werden. Zusätzlich liebäugelt man bei der SP auch mit einem Kuhhandel: Man ist bereit, Einnahmenausfälle von einer Milliarde Franken mitzutragen, will aber im Gegenzug das umstrittene Kita-Gesetz in die Vorlage einbeziehen. Beim Kita-Gesetz handelt es sich um eine neue Sozialleistung im Umfang von jährlich mehr als 700 Millionen Franken, die der Bund finanzieren müsste.

Die Wirtschaftskommission führt die Debatte zur Individualbesteuerung im August weiter. Ob sie sich am Ende mit dünner Mehrheit für die bundesrätliche Vorlage mit Einnahmenausfällen von einer Milliarde Franken aussprechen wird, ist offen. Der grosse Unsicherheitsfaktor sind die Linken. Entscheidend wird sein, wie sie sich verhalten, wenn ihre Anträge auf eine Halbierung der Steuerausfälle oder auf einen «Kita-Gesetz-Kuhhandel» definitiv scheitern. Machen sie ihre Zustimmung von solchen Zugeständnissen abhängig, sieht es für den Gegenvorschlag düster aus.

Dass die Linke bei der Individualbesteuerung für die FDP eine schwierige und wenig verlässliche Partnerin sein und ihre Zustimmung an Bedingungen knüpfen würde, war absehbar. Im Grundsatz mag man für die individuelle Veranlagung der Ehegatten sein, doch die steuerliche Entlastung von Doppelverdienern gehört nun einmal nicht zum Kernanliegen der Linken. Zumal es dabei auch um hohe Steuerausfälle geht, die angesichts der angespannten Finanzlage vor der eigenen Wählerschaft schwer zu rechtfertigen sein dürften.

Verhandlungen für einen Kompromiss

Bei der FDP sieht man denn auch das Risiko, dass die Linken abspringen. Das Verhalten der SP und der Grünen verdiene «scharfe Aufsicht», teilte die FDP letzte Woche in einem Communiqué mit. Wenn es den Linken mit der Gleichberechtigung ernst sei, müssten sie sich nun ohne Wenn und Aber für den Gegenvorschlag zur Individualbesteuerung einsetzen, statt Klassenkampf zu betreiben und die hohen Einkommen stärker belasten zu wollen.

Hinter den Kulissen wird zwar über einen Kompromiss nachgedacht, doch der Spielraum für die FDP ist begrenzt. Eine weitere Verschärfung der Progression bei der direkten Bundessteuer, die schon heute eine eigentliche Reichensteuer ist, dürfte in der freisinnigen Basis wenig Unterstützung finden. Im Gespräch sind auch andere Modelle (wie eine Anpassung des Steuertarifs über alle Einkommensklassen hinweg), die es ermöglichen würden, die Einnahmenausfälle stärker zu begrenzen.

Dabei gibt es einen erheblichen Zeitdruck: Kann man sich in der Kommission oder im Rat nicht auf einen Gegenvorschlag einigen, dann verkürzt das die Behandlungsfrist. Das Parlament muss in diesem Fall bis spätestens im März 2025 eine Empfehlung zur Annahme oder Ablehnung der Volksinitiative abgeben.

Kommt kein Gegenvorschlag zustande, wollen die FDP-Frauen ihre Initiative zur Abstimmung bringen. Diese müsste in der zweiten Hälfte 2025 stattfinden. Ein Abstimmungskampf gegen die steuerliche Heiratsstrafe würde der Partei Aufmerksamkeit sichern, doch dürfte es nicht einfach werden, das Volk und namentlich die Stände vom Wechsel zur Individualbesteuerung zu überzeugen.

Gegenvorschlag zur Initiative der Mitte-Partei?

Hinzu kommt nun die Volksinitiative der Mitte-Partei, das Gegenprojekt zur FDP-Initiative, das an der gemeinschaftlichen Besteuerung der Ehepaare festhält. Der Bundesrat muss die Botschaft dazu bis im Frühling 2025 verfassen. Im Parlament gibt es Bestrebungen, das ganze Steuerdossier dem Ständerat zu übergeben. Er soll sich nicht nur als Zweitrat mit der Initiative der FDP-Frauen und dem allfälligen Gegenvorschlag befassen, sondern gleichzeitig als Erstrat auch mit der Initiative der Mitte-Partei. Das würde zwar sachlich Sinn ergeben, da es um dasselbe Thema geht.

Im FDP-SP-Lager betrachtet man dieses Szenario allerdings mit Argwohn. Denn es ist denkbar, dass der eher konservativer eingestellte Ständerat der Initiative der Mitte-Partei einen Gegenvorschlag gegenüberstellt. Das wäre relativ einfach, denn die Vorarbeiten zu einem Splitting-Modell für Ehepaare oder zur alternativen Steuerberechnung wurden in der Vergangenheit schon geleistet, entsprechende Entwürfe sind bereits vorhanden. Ohne Gegenvorschlag muss das Parlament bis zur Herbstsession 2026 einen Beschluss zur Initiative der Mitte-Partei fassen, das Volksbegehren käme dann 2027 zur Abstimmung.

Es ist also noch vieles möglich: dass sich die «Progressiven» durchsetzen, dass die «Traditionalisten» gewinnen – oder dass nichts gelingt und bei der steuerlichen Heiratsstrafe am Ende alles beim Alten bleibt.

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