Mittwoch, November 27

Die schlechte Wasserqualität der Flüsse wird diesen Sommer in Frankreich und Grossbritannien zum Politikum. Und die Schweiz geht selbstverständlich baden, in der Aare, in der Limmat, im Rhein. Was ist hierzulande anders?

Endlich wird es heiss in der Schweiz und eine Abkühlung dringlicher. In den Städten gibt es sie gratis in der Innenstadt. Die Berner hüpfen in die Aare, die Zürcher in die Limmat, die Basler in den Rhein. Der Schwumm im Fluss gehört zum Schweizer Städtesommer dazu wie das Après-Ski zum Winter in den Bergen.

Doch was die Schweiz längst institutionalisiert hat, darum kämpfen andere Länder momentan mit Hochdruck. In Paris versucht der Präsident Emmanuel Macron, die Seine für die Olympischen Spiele sauber zu bekommen. Hundert Jahre war das Bad im Pariser Stadtfluss wegen Gesundheitsrisiken verboten.

Ähnlich ist die Situation in Grossbritannien: Dort liess sich Ed Davey, Chef der Liberaldemokraten, theatralisch in den Lake Windermere im Nordwesten Englands fallen, der zwar als besonders schön gilt, aber nicht als besonders sauber. Darauf wollte Davey aufmerksam machen. Seine Partei hat die schlechte Qualität der britischen Seen und Flüsse zum Wahlkampfthema auserkoren. In England sind rund 80 Prozent der Gewässer verschmutzt. Schwimmer klagen über Durchfall, Ohreninfektionen, Erbrechen. Was macht die Schweiz besser?

Von der Kloake zum Badesee

Noch vor fünfzig Jahren sahen die Gewässer der Schweiz unappetitlicher aus als heute die Seine oder die Themse. Siedlungs-, Gewerbe- und Industrieabwasser wurden damals grösstenteils ungereinigt direkt in Flüsse und Seen geleitet. Die Folge: Bäche und Flüsse schäumten und stanken, Algenteppiche überzogen die Gewässer, und tote Fische schwammen darin. Das Baden war vielerorts verboten. Warnschilder an den Ufern wiesen auf die gesundheitlichen Risiken hin.

Ab den 1970er Jahren wurde der Gewässerschutz reformiert, angestossen von einer eidgenössischen Initiative, die sauberere Flüsse und Seen forderte. Die Kanalisationen wurden ausgebaut, Kläranlagen errichtet. So konnten Nährstoffe wie Kohlenstoff, Phosphor und Stickstoff sowie biologisch abbaubare Schadstoffe herausgefiltert werden.

Ein weiterer Meilenstein war schliesslich das definitive Phosphatverbot in Textilwaschmitteln, das der Bundesrat 1986 durchsetzte. Seither nahm die Wasserqualität in der Schweiz stetig zu. Heute können wir im Wasser baden und es problemlos trinken. Michael Schärer vom Bundesamt für Umwelt sprach 2017 gegenüber Swissinfo von einer «Erfolgsgeschichte».

Die Schweiz investiert nach wie vor viel Geld, um das Wasser sauber zu halten: Zwischen 2010 und 2020 gab sie laut Angaben des Verbands Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) jährlich 700 Millionen Franken für Renovationen am Kanalisationsnetz aus, knapp ein Drittel mehr als in den zehn Jahren zuvor. Sie ist eines der ersten Länder, die gewisse Anlagen ausbauen, um auch Mikroverunreinigungen, wie Rückstände von Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln oder Hormonen, aus dem Wasser filtern zu können. Bis 2040 soll der Ausbau abgeschlossen sein. Die EU hat nachgezogen und vorgeschrieben, dass Kläranlagen Mikroverunreinigungen entfernen müssen.

Die Schweiz ist einen Schritt voraus – oder?

Dafür, dass in den Schweizer Flüssen gebadet werden kann, ist jedoch nicht nur der Ausbau der Kanalisation entscheidend. Die Wasserqualität in den Flüssen schwankt, sie sind besonders anfällig für äussere Einflüsse. Wenn es stark regnet, landet das ungereinigte Wasser in den Flüssen. Und wenn es im Feld zu einem Gülleunfall kommt, finden diese Stoffe auch meistens den Weg in den nächsten Bach oder Fluss. Die grossen Schweizer Flüsse profitieren jedoch von geografischen Gegebenheiten, wie das Bundesamt für Umwelt auf Anfrage schreibt. Die grossen Seen, die Rhein, Aare und Limmat speisten, dienten als grosse Reinigungsbecken, viele Partikel blieben dort liegen. Zudem sei die Strömung der Schweizer Gewässer vergleichsweise schnell und die Verdünnung hoch, was die Reinigung antreibe.

Auch werden in der Schweiz die Flüsse weniger intensiv für die Schifffahrt genutzt als anderswo. Deutschland etwa verfügt über Badegewässer mit exzellenter Wasserqualität, in Flüssen ist das Schwimmen aber vielerorts verboten, etwa in der Elbe bei Hamburg, in Frankfurt am Main oder in der Spree in Berlin: Sie gelten als Bundeswasserstrassen. Das Baden ist aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen. Die Schifffahrt hat Priorität, zum Frust der Bevölkerung. Die Berliner etwa kämpfen seit Jahren für ein Flussbad, die Wasserqualität würde stimmen – vergeblich.

Die Isar ist in Deutschland die grosse Ausnahme: Im Sommer treffen sich die Münchner an und in der Isar. Der Ablauf aus den Kläranlagen wird im Sommer extra mithilfe von UV-Desinfektionsanlagen geklärt. Fast einen Kilometer kann man sich durch die Innenstadt treiben lassen, an der Weideninsel vorbei. Ein Erlebnis, schon fast wie in Bern oder Basel – und vielleicht bald Inspiration für Paris oder London.

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