Mittwoch, Oktober 30

Vor sieben Jahren war der damals 22-jährige Théo bei seiner Festnahme in einem Pariser Vorort mit einem Schlagstock schwer verletzt worden. Nun entschied ein Gericht, dass sich die drei Beteiligten der vorsätzlichen Gewaltanwendung schuldig gemacht haben.

Wegen vorsätzlicher Gewalt bei einer Festnahme sind drei französische Polizisten zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Ein Geschworenengericht in Bobigny bei Paris verhängte am Freitag Freiheitsstrafen zwischen drei und zwölf Monaten auf Bewährung. Ausserdem sollen zwei der Beamten zwei beziehungsweise fünf Jahre lang nicht als Polizisten arbeiten dürfen.

Vor knapp sieben Jahren war der damals 22-jährige Théodore Luhaka bei einer Personenkontrolle in einem Pariser Vorort von Polizisten mit einem Schlagstock schwer am Anus verletzt worden. Der Mann trug bleibende Schäden davon. Der Vorfall, bald als «Fall Théo» bekannt, war von Überwachungskameras gefilmt worden und sorgte landesweit für Empörung. Immer wieder kam es in den Tagen und Wochen nach der Festnahme zu Ausschreitungen im Land.

Der «Fall Théo» ist deshalb besonders, weil es in Frankreich selten vorkommt, dass es zu Justizverfahren wegen Polizeigewalt kommt. Viele Ermittlungen werden eingestellt, weil die Umstände allfälliger Straftaten nicht restlos aufgeklärt werden können oder Beamte sich gegenseitig decken.

Strafen weit unter dem gesetzlichen Höchstmass

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Hauptangeklagten eine dreijährige Bewährungsstrafe gefordert, die mit einem fünfjährigen Berufsverbot und einem fünfjährigen Verbot des Tragens einer Waffe einhergehen sollte. Für die beiden anderen Angeklagten verlangte sie sechs Monate und drei Monate Bewährung. Die Verteidiger der drei Polizisten hatten für ihre Mandanten einen Freispruch beantragt.

Angesichts dessen, dass die gesetzlich vorgesehenen Höchststrafen für derartige Delikte bei sieben bis fünfzehn Jahren Gefängnis liegen, erklärte der Staatsanwalt schon vor der Urteilsverkündung, die niedrigen Strafmasse könnten «lächerlich erscheinen», seien aber gerechtfertigt, weil die Polizisten nicht vorbestraft seien.

Das Opfer, Théodore Luhaka, sagte vor dem Entscheid, dass er jegliches Strafmass akzeptiere, solange es zu einer Verurteilung der Polizisten komme.

Während des ganzen Prozesses hatte der Hauptangeklagte darauf bestanden, dass die Gewalt, die er gegen den jungen Mann angewandt hatte, vorschriftsmässig und legitim gewesen sei: «Ich habe einen Schlag angewendet, der mir in der Schule beigebracht wurde», so der 34-Jährige. Ein weiterer Angeklagter erklärte zum Schluss der Verhandlung, dass er die Konsequenzen, die die Festnahme für Théodore hatte, bedaure, aber glaube, seine Arbeit gemacht zu haben.

Das Urteil, das nach etwas mehr als neunstündigen Beratungen verkündet worden war, wurde laut den anwesenden Beobachtern in dem überfüllten Saal mit grosser Stille aufgenommen. Auf der einen Seite hätten sich Théodore und seine Familie sowie Angehörige von Opfern von Polizeigewalt, die regelmässig zu den Anhörungen in dem Fall angereist seien, befunden. Auf der anderen Seite des Saals seien Polizisten in Zivil und Mitglieder von Polizeigewerkschaften zur Unterstützung für die Angeklagten gestanden.

Die Polizei in der Kritik

Die Aussagen der Angeklagten im Prozess hatten erneut Kritik an der Ausbildung und der internen Kultur des französischen Polizeikorps laut werden lassen. Denn der «Fall Théo» ist kein Einzelfall. Immer wieder kommt es bei Polizeieinsätzen in Frankreich zu tödlichen Vorfällen. Zuletzt sorgte der Tod des 17-jährigen Nahel, der im letzten Sommer von einer Polizeikugel tödlich getroffen worden war, international für Aufsehen. Wochenlang tobten gewaltsame Unruhen in zahlreichen französischen Vorstädten.

Dort operieren die Polizisten in einem zusehends feindlich gesinnten Umfeld, wo der Frust und die Wut über Armut und Perspektivlosigkeit oft in Gewalt gegen die Sicherheitskräfte umschlägt. Die Antwort der Sicherheitskräfte erfolgt nicht selten mit Tränengas, Gummischrot oder dem Schlagstock.

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