Dienstag, Oktober 8

Vor siebzehn Jahren kaufte der Hedge-Fund-Manager das Schloss Sonnenberg in Stettfurt. Für die Gemeinde war es der Beginn eines Leidenswegs.

Der berühmteste Kran der Ostschweiz steht hoch über Stettfurt, auf der Baustelle beim Schloss Sonnenberg. Das Schloss war einmal eine der bekanntesten Ausflugsbeizen im Thurgau, betrieben von Mönchen. Tausende Hochzeiten, Geburtstage, Vereinsanlässe wurden hier gefeiert, fast jede Familie in der Region hat eine Geschichte, die sie mit dem Schloss verbindet.

Heute ist das Schloss berühmt für seinen Kran. Und Stettfurt das Gespött des Kantons.

Der Kran und das Schloss gehören dem österreichischen Millionär Christian Baha. 2007 kaufte er den Sonnenberg dem Kloster Einsiedeln ab. Die riesige Anlage mit Gutsbetrieb und 150 Hektaren Land war den Mönchen zu teuer geworden. Fünfzehn Jahre suchte das Kloster nach einem Käufer – bis Baha auftauchte. Dass der Sonnenberg unter ihm zur verbotenen Zone werden würde, ahnte damals niemand.

Wenn das Adjektiv «schillernd» auf jemanden zutrifft, dann auf Christian Baha, Jahrgang 1968, Selfmade-Millionär, Gelegenheitsschauspieler und Schlossliebhaber. Baha wächst laut Wikipedia «in einfachen Verhältnissen» auf, arbeitet als Polizist, holt die Abendmatura nach und studiert ein paar Semester Betriebswirtschaft. 1996 gründet er eine Finanzfirma und lanciert einen Hedge-Fund für Kleinanleger. An den Filmfestspielen in Venedig lernt er den Regisseur Oliver Stone kennen. Stone gibt ihm eine Rolle in «Wall Street II», Baha spielt sich selbst. Es folgen weitere Rollen, für die Actionreihe «Transformers» wird er als Bösewicht gecastet.

Liiert ist er heute mit Stephanie Graf, einer ehemaligen Spitzenleichtathletin und Olympiazweiten im 800-Meter-Lauf. Gewohnt wird in Monaco, New York und Los Angeles sowie Costa Rica. Aber nicht in Stettfurt. Obwohl er das eigentlich versprochen hatte.

Gerhard Schröder zum Jubiläum eingeflogen

So richtig reich wird Baha in der Asien- und Russland-Krise Ende der 1990er Jahre. Seine Firma Superfund wächst in den ersten acht Jahren «um den Faktor 5000», wie es auf der Website heisst. Er steigt beim österreichischen Bundesligaklub FC Pasching als Sponsor ein, der Verein wird in FC Superfund umbenannt.

Bahas kometenhafter Aufstieg weckt auch Misstrauen. Als er zum Zehn-Jahre-Jubiläum von Superfund 2006 den deutschen Altkanzler Gerhard Schröder als Festredner in die Wiener Hofburg einfliegen lässt, schreibt der «Spiegel»: «In der Finanzbranche gilt der 37-jährige ehemalige Wiener Streifenpolizist als dubios und umtriebig, manch geladener Gast ist zum Superfund-Geburtstag erst gar nicht erschienen.»

Als Baha 2007 nach Stettfurt kommt, wird er empfangen wie ein Erlöser. Für die Medien stellt er sich mit dem Gemeindepräsidenten und dem Betriebsleiter des Schlossgutes vor drei Apfelbäumchen und bedankt sich für die Unterstützung und die einwandfreie Übergabe. Der «Thurgauer Zeitung» sagt er: «Ich wurde hier aufgenommen, als wär’s meine Heimat. Auch die Landschaft hier ist herrlich. Es ist einfach alles wunderbar.»

Er kündigt eine Generalsanierung des Schlosses an, die Wiedereröffnung des Restaurants samt Bar, Weinkeller und Bio-Musterbetrieb, alles in Abstimmung mit der Denkmalpflege. Die schlosseigene Kapelle und den Rittersaal will er für Lesungen, Konzerte, Theateraufführungen zugänglich machen, die bisherigen Angestellten weiterbeschäftigen. Er selbst werde mit der Familie die oberen Etagen des Schlosses beziehen. In drei bis vier Jahren werde alles fertig sein.

Zerrüttetes Verhältnis

Heute wünscht man sich im Dorf, Baha hätte den Sonnenberg nie entdeckt. Seit siebzehn Jahren ist das Schloss Sperrgebiet, eingerüstet und eingezäunt, Zutritt für Unbefugte verboten. Auf der Baustelle steht manchmal wochenlang alles still, der Kran rostet vor sich hin. Das Verhältnis zwischen dem Schlossherrn und der Gemeinde ist zerrüttet, das Image von Stettfurt ramponiert. Es ist das Dorf, das sein Schloss verloren hat, dafür seinen Kran nicht mehr loswird. In der Region nennen sie den Sonnenberg Kranenberg.

«Wir haben Herrn Baha im Laufe der Zeit mehrere Briefe geschrieben. Er hat keinen davon beantwortet», sagt Markus Bürgi. Er ist seit sechs Jahren Gemeindepräsident von Stettfurt. Kein Geschäft hat ihn seither mehr Zeit und Energie gekostet als der Streit um das Schloss. Bürgi ist zwar Anwalt. Aber wegen des Sonnenbergs hat die Gemeinde einen Rechtsbeistand beigezogen. «Wenn es um das Schloss geht, bin ich manchmal auch emotional und weniger objektiv», sagt er.

Der Kontakt habe in den vergangenen Jahren über wechselnde Stellvertreter stattgefunden, neuerdings sei Bahas Lebenspartnerin die Ansprechperson, sagt Bürgi. Persönlich getroffen hat er den Schlossherrn nie. «Es würde mich wirklich interessieren, was er über das Schloss und über Stettfurt sagt.»

Schlachtabfälle von Auerochsen

Nach mehrmaligem Nachfragen bei Baha meldet sich Samuel Zbinden, Vertreter der Schloss & Gut Sonnenberg AG. An den Plänen für das Schloss habe sich nichts geändert, schreibt er per E-Mail. «Das Schloss Sonnenberg soll für den gesamten Thurgau im neuen Glanz erstrahlen.» Die Renovation habe sich aber «als äusserst anspruchsvoll und sehr zeitintensiv erwiesen». Vor allem die überraschenden prähistorischen Funde hätten viel Zeit gekostet.

Tatsächlich fanden Bauarbeiter 2009 auf dem Schloss Spuren einer 6000 Jahre alten Siedlung. Es waren Gefässe, Geräte aus Stein, Knochen und Geweih, dazu Schlachtabfälle von Auerochsen oder Wisenten – Funde von nationaler Bedeutung. Die Grabungen verzögerten den Baubeginn, erst 2013 bewilligte die Gemeinde die Umbaupläne.

Doch das seien nicht die einzigen Probleme gewesen, schreibt Zbinden. «Es ist kein Geheimnis, dass die Gemeinde und die Schloss & Gut Sonnenberg AG in der Vergangenheit nicht immer einer Meinung waren, was die Ausführungen der Renovation betrifft.» Das habe zu «langwierigen Gerichtsverfahren geführt und das gesamte Unternehmen um viele Jahre verzögert».

In Stettfurt sieht man es anders. Christian Baha habe sich nie sehr kooperativ gezeigt, dafür umso prozessfreudiger. «Die jahrelangen Verzögerungen haben nichts mit Gerichtsverfahren zu tun, allein mit der Passivität der Bauherrschaft», sagt Gemeindepräsident Bürgi. «Wir respektieren das Eigentumsrecht. Das Schloss gehört Herrn Baha, er kann damit grundsätzlich machen, was er will, sofern er die gesetzlichen Vorgaben einhält», sagt Bürgi. «Aber man spürt bei ihm das Verständnis für die Bedeutung und die Geschichte des Schlosses nicht.»

Ein jüngeres Beispiel für das Verhältnis zwischen Baha und der Gemeinde: Als 2019 endlich alles bereit ist für die Sanierung der Fassade und der Innenräume, wechselt Baha unvermittelt das Personal aus, die Arbeiten geraten erneut ins Stocken. Die Gemeinde hakt mehrmals nach, sie muss die Baustelle abnehmen.

Schliesslich meldet sich Baha im Oktober 2020, mehr als ein Jahr später. Man vereinbart die nächsten Schritte. Darauf folgen wieder Monate der Funkstille. Im Mai 2021 teilt die Gemeinde Baha mit, dass zwei Baubewilligungen erloschen seien, wegen «Untätigkeit des Bauherrn». Sie verfügt den Abbau des Krans und der Baucontainer. Baha wirft der Gemeinde Willkür vor und legt Rekurs ein. Der Kran bleibt stehen.

Streit um 87 Kilogramm gestohlenes Gold

Baha ist im Thurgau nicht nur mit der Gemeinde in Streit geraten. Als er in der alten Scheune in der Landwirtschaftszone Wohnungen einbauen will, legt sich der WWF mit ihm an. Die Wohnungen werden wieder aus den Plänen gestrichen. 2017 verklagt Baha die Gewerkschaft Unia, weil sie ihn als «Lohndumper» und «Finanzspekulant» bezeichnet hatte. Die Gewerkschaft hatte auf dem Sonnenberg 33 Bauarbeiter entdeckt, die «krass unter den gesamtarbeitsvertraglichen Mindestansätzen und den orts- und branchenüblichen Löhnen angestellt» gewesen sein sollen. Das Bezirksgericht Frauenfeld gibt der Gewerkschaft recht. Auch eine Collage, auf der sie Baha mit angebrannter Krone auf einem Thron zeigte, darf die Unia weiterhin verwenden.

Während der ganzen Zeit führt Baha einen bizarren Streit um einen Goldraub. 2004 hat er das Schloss Frohsdorf in Wiener Neustadt gekauft und zahlungskräftigen Gästen als Veranstaltungsort angeboten. 2016 gerät das Schloss in die Schlagzeilen, zwei Mitarbeiter Bahas haben in Frohsdorf 87 Kilogramm Gold gestohlen. Einer davon ein ehemaliger Geschäftsführer der Schloss & Gut Sonnenberg AG. Baha hat das Gold auf dem Frohsdorfer Areal vergraben lassen, «um im Falle einer Wirtschaftskrise schnellen und direkten Zugriff zu haben», wie ein Zeuge vor Gericht sagt. Auch sonst hat Baha kein Glück mit Frohsdorf. Das Geschäftsmodell mit den Luxusgästen floppt, 2018 verkauft er das Anwesen wieder.

Im Thurgau hofft man immer noch, dass sich alles klärt, dass es plötzlich vorangeht. «Wir haben noch nicht resigniert. Irgendwann soll der Sonnenberg wieder Teil von Stettfurt sein», sagt Gemeindepräsident Bürgi. «An uns soll es nicht liegen.»

Vielleicht hat der Schlossherr derzeit auch andere Sorgen. Unter dem Titel «Abflug der Superkräfte bei Superfund» meldete der österreichische «Kurier» Anfang Juli den Abgang von Kaderleuten bei Bahas Finanzfirma: «Gründer Christian Baha gilt als schwierig im Umgang, die besten Jahre sind vorbei.» Es ist ein Satz, den man auch in Stettfurt unterschreiben würde.

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