Donnerstag, November 21

Bis auf weiteres darf eine ausländische Firma nicht mehr mit Schweizer Rüstungsmaterial beliefert werden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft setzt sie auf eine «Schwarze Liste», weil sie Munition aus Schweizer Produktion an die Ukraine weiterverkauft hat.

Die polnische Waffenfirma UMO SP kaufte im Sommer 2023 bei der Swiss P Defence AG, der ehemaligen Ruag Ammotec, Munition: 145 000 Schuss für Scharfschützen, 500 000 Stück Nato-Standard-Kaliber für Sturmgewehre. Einige Tage später verkaufte sie diese Munition weiter an die Ukraine. Das Onlineportal «Defense One» machte diesen Verkauf Ende 2023 publik. Daraufhin schaltete sich das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ein und wollte den Fall abklären. Nun setzt das Seco zum ersten Mal eine ausländische Firma auf eine «Schwarze Liste», wie ein SRF-Bericht vom Donnerstag zeigt. Exporte aus der Schweiz an diese polnische Firma werden bis auf weiteres nicht mehr bewilligt.

Das Seco ist verantwortlich für die Exportkontrolle. Gemäss dem Kriegsmaterialgesetz (KMG) dürfen unter keinen Umständen Schweizer Rüstungsgüter an Staaten geliefert werden, die in einen Konflikt verwickelt sind. Auch nicht, wenn sie sich selbst verteidigen. Jene Länder, die in der Schweiz Kriegsmaterial einkaufen, dürfen dieses Material auch zu keinem Zeitpunkt weitergeben. Die Ukraine ist gemäss der eigens erlassenen Ukraine-Verordnung Russland gleichgestellt, kann also auch nicht beliefert werden mit Schweizer Rüstungsmaterial.

Die Swiss P Defence AG wusste nichts von der Weitergabe

Das Seco hatte ursprünglich dem Verkauf an die polnische UMO SP zugestimmt. Bei der jetzigen Überprüfung klärte das Staatssekretariat aber ebenfalls ab, ob die in Thun ansässige Swiss P Defence AG wusste, dass die polnische Firma die Munition an die Ukraine weiterverkaufen würde. Im Prüfbericht steht: «Sollte das Schweizer Unternehmen von einem Weiterverkauf / Reexport in die Ukraine gewusst haben, wäre dies ein Verstoss gegen das KMG.»

Gemäss SRF geben die Seco-Kontrolleure jetzt aber Entwarnung. Die Prüfung habe keine Hinweise ergeben, dass die Swiss P Defence AG die Munition im Wissen darum exportiert hat, dass diese anschliessend an die Ukraine reexportiert werden sollte. Swiss P Defence AG habe auch Massnahmen getroffen, um das Risiko zu minimieren. Beispielsweise habe es eine Vereinbarung gegeben, welche die Wiederverwendung ausschliesslich «auf polnischem Territorium» erlaubt habe. Swiss P äussert sich nicht zum Lieferstopp.

Die Schweizer Rüstungsindustrie findet den Entscheid des Seco «vernünftig», jedoch sei die UMO SP ein «nicht unwesentlicher Partner», sagt Matthias C. Zoller, Generalsekretär der Rüstungssparte des Industrieverbandes Swissmem. Jeder Kunde falle ins Gewicht, da europäische Nachbarn derzeit nicht mehr gewillt seien, in der Schweiz einzukaufen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Schweizer Kriegsmaterial illegal weitergegeben wurde. Im Frühling 2023 deckte die NZZ auf, dass ein deutscher Zwischenhändler elf Eagle-Aufklärungsfahrzeuge aus Schweizer Produktion ohne Genehmigung an die Ukraine weitergegeben hatte. Das Seco hat auch diesen Geschäftsmann gesperrt.

Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs sorgen die restriktiven Exportbedingungen der Schweiz immer wieder für Unmut bei westlichen Partnerländern. Deutschland wollte 12 400 Schuss 35-mm-Munition für den Fliegerabwehrpanzer Gepard an die Ukraine weitergeben, was der Bundesrat ablehnte. Daraufhin entschied Deutschland, nicht einmal mehr Tarnnetze in der Schweiz zu kaufen.

Das Parlament sucht schon lange nach einer Lösung

Das Parlament versucht seit über zweieinhalb Jahren eine Lösung für die strenge Gesetzgebung zu finden. Noch hängig ist eine parlamentarische Initiative der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates. Diese will, dass Kriegsmaterial nach einer Frist von fünf Jahren weitergegeben werden kann, wenn es sich um einen Staat handelt, der ein ähnliches Exportregime hat wie die Schweiz. Bis Ende Oktober konnten sich die Parteien zu diesem Vorschlag äussern.

Die Vernehmlassung zeigt, dass es erneut zu einer unheiligen Allianz zwischen SVP und SP kommen könnte. So findet die SVP den Vorschlag viel zu bürokratisch und eine Gefahr für die Neutralität, während die Sozialdemokraten das Kriegsmaterialgesetz grundsätzlich nicht lockern wollen. Sie streben eine «Lex Ukraine» an, also eine Ausnahmeregelung nur für die Ukraine.

An den Bundesrat wurde darüber hinaus eine Motion der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats überwiesen. Darin wird der Bundesrat aufgefordert, das Kriegsmaterialgesetz so zu ändern, dass er mehr Kompetenzen erhält, wenn «ausserordentliche Umstände» vorliegen und es «die Wahrung der aussen- oder der sicherheitspolitischen Interessen des Landes» erfordert.

Exit mobile version