Montag, November 25

Am Mittwoch beginnt in Rom die Abschlussversammlung der katholischen Weltsynode. Ein Luxemburger Kirchenmann hält an der Mammutveranstaltung die Fäden zusammen.

Als hätte er sich etwas Inspiration für die am Mittwoch in Rom beginnende Abschlussversammlung der Weltsynode holen müssen, hat Papst Franziskus vor wenigen Tagen das Grossherzogtum Luxemburg besucht. Dort, genauer: im Städtchen Echternach nahe der deutschen Grenze, wird jedes Jahr zu Pfingsten eine etwas merkwürdige Prozession durchgeführt, bei der sich die Gläubigen langsam tanzend durch die Strassen in Richtung des Grabes des Heiligen Willibrord bewegen.

Die Tradition ist unter dem Namen «Echternacher Springprozession» bekannt. Franziskus lobte den Anlass in einer Rede als Ausdruck der Freude und des «fröhlichen, tanzenden Glaubens». Der genaue Tanzschritt ist nirgendwo festgeschrieben und hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Heutzutage sind die Teilnehmer meist hüpfend seitwärts unterwegs, früher war es anders: langsamer, chaotischer. Und daran knüpft der allgemeine Sprachgebrauch an. Von einer Echternacher Springprozession spricht man immer dann, wenn von besonders mühsamen Prozessen die Rede ist. Drei Schritte vorwärts, zwei zurück.

So ungefähr muss man sich auch die Versammlung der katholischen Weltsynode vorstellen, welche die Vorarbeiten der letzten Jahre aufnimmt und Ende Oktober zu einem vorläufigen Abschluss kommen wird. Drei Schritte vorwärts, zwei zurück.

«Mission impossible»

Die Synode ist eine Mammutveranstaltung, eine Art Powwow der Sancta Mater Ecclesia. Nicht weniger als 368 stimmberechtigte Mitglieder nehmen teil, darunter 272 Bischöfe und, auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes, 96 Laien, unter ihnen auch Frauen wie die Schweizerin Helena Jeppesen-Spuhler, die seit über zwanzig Jahren beim Hilfswerk Fastenaktion in Luzern arbeitet. Die Synode soll zur Klärung wichtiger Fragen beitragen, wie etwa derjenigen der künftigen Entscheidungsprozesse und der Mitbestimmung in der Kirche. Darüber hinaus gibt der Anlass auch Hinweise darauf, in welche Richtung sich die katholische Kirche generell bewegt: Schlägt sie einen konsistenten Reformkurs ein, beharrt sie auf Traditionen, lässt sie föderalistische Vielfalt zu?

Ein Mann spielt dabei eine besonders wichtige Rolle, einer, der nahe bei Franziskus ist – aber auch nahe bei der Echternacher Springprozession: Kardinal Jean-Claude Hollerich, Erzbischof von Luxemburg. Er weiss um die Mühsal kirchlicher Veränderungsprozesse in einer zunehmend säkularen Welt. Drei Schritte vorwärts, zwei zurück.

Franziskus hat Hollerich 2021 zum sogenannten Generalrelator der Weltsynode ernannt. Als solcher ist er Taktgeber, Koordinator, Mediator und Vertrauensperson in Personalunion. Ausserdem trägt er die Verantwortung für den Abschlussbericht, der nach Abschluss der Beratungen in Rom erstellt werden wird.

«Mission impossible», hört man im Vatikan sagen. Auch für Hollerich werde es schwierig bis unmöglich werden, die konservativen Kräfte aus den Schützengräben zu holen, die Erwartungen der Frauen zu erfüllen, die Nöte der Kirche in fernen Weltgegenden aufzunehmen – und gleichzeitig den diffusen Rahmenbedingungen gerecht zu werden, die der Papst dem Anlass gegeben hat. Kein Parlament soll sie sein, die Synode, aber auch keine Plauderrunde: Der Pontifex ist ein Meister des Ungefähren – und dazu immer wieder auch für eine Überraschung gut.

Als er letzte Woche auf seiner Reise auch in Belgien zu Gast war, brüskierte er einen Teil der Gläubigen mit konservativen Äusserungen zur Rolle der Frau und zum Thema Abtreibung. Noch bevor die Synode so richtig Fahrt aufnimmt, muss Kardinal Hollerich jetzt erst einmal jene Kreise wieder beschwichtigen, die man eigentlich (auch) zurückgewinnen möchte.

Vielleicht gelingt es ihm ja. Helena Jeppesen-Spuhler jedenfalls, die Hollerich gut kennt, schätzt ihn als Mann «mit grossem Weitblick» und viel diplomatischem Geschick. Von seinem Wirkungsort Luxemburg her kenne er auch die Bedürfnisse der Ortskirchen ganz gut.

«Seine Unaufgeregtheit und freundliche Offenheit geben ihm eine hohe Glaubwürdigkeit», sagt Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz. Er kennt Hollerich seit dem gemeinsamen Besuch der «Baby-Bischofsschule» in Rom. Dabei handelt es sich um eine Art Kadervorkurs für neu geweihte Bischöfe. Bei der letztjährigen Synodalversammlung habe er ihn als jemanden erlebt, der die Themen, die auf den Tisch gekommen seien, «nicht umschiffte, sondern beim Namen nannte», sagt Gmür über Hollerich. Er habe einen klaren Sinn für das Mögliche und wisse um die Kraft der Beharrlichkeit, «welche allerdings Geduld und Ausdauer braucht».

Asiatische Prägungen

Als er 1958 im luxemburgischen Differdingen geboren wurde, «lag das Katholische irgendwie noch in der Luft», sagte er einmal. Zur Kirche sei er als Kind zunächst allerdings nur dann gegangen, wenn die Grossmutter einmal zu Besuch war. Über den Religionsunterricht in der Grundschule und als Ministrant fand er schliesslich seinen Weg. Nach einem Theologie- und Philosophiestudium in Rom und Frankfurt trat er 1981 der Ordensgemeinschaft der Jesuiten bei. Nach der Priesterweihe in Brüssel absolvierte Hollerich ein Germanistikstudium in München.

Früh fühlte er sich zu Japan und der dortigen Kultur und Spiritualität hingezogen. Auf einen ersten langen Sprach- und Studienaufenthalt folgte 2002 die definitive Übersiedlung nach Tokio, wo er als Dozent für Deutsch, Französisch und europäische Studien tätig war und später auch Führungsfunktionen an der Sophia University wahrnahm. 2011 ernannte ihn Papst Benedikt zum Erzbischof von Luxemburg, 2019 wurde er von Franziskus ins Kardinalskollegium berufen. An Pressekonferenzen im Vatikan wechselt er jeweils mühelos vom Französischen ins Deutsche, Italienische oder Englische. Auch Japanisch soll ihm locker über die Lippen gehen. Hollerich ist der Inbegriff des polyglotten Kirchenmanns.

Zu Franziskus pflegt er ein sehr enges Verhältnis. Die kürzliche Reise des Pontifex ins kleine Grossherzogtum sei auch ein Zeichen der Dankbarkeit Franziskus’ gegenüber Hollerich gewesen, meinen Vatikanbeobachter in Rom, von denen ihn einige schon als einen der Favoriten im nächsten Konklave sehen.

Dabei bleibt letztlich aber recht unklar, wie er in wichtigen Dingen wirklich denkt. Die asiatische Prägung und die stoische Ruhe prädestinieren ihn zwar für sein jetziges Amt als Generalrelator der Synode. Gleichzeitig erschweren sie genaue Zuschreibungen. Er gehöre zum linken Flügel der Franziskus-Fraktion, sagen die einen. Aber was bedeutet das genau? Wenn die Medien ihn bisweilen als «Buddha-Bischof» bezeichnen, meinen sie damit auch eine gewisse Undurchschaubarkeit – in die sich mitunter auch Kritik mischt.

Mühen mit der «brutalen Klarheit»

Als Hollerich sich in seiner Heimat nach einem Regierungswechsel vor sechs Jahren gezwungen sah, die Trennung von Kirche und Staat zu vollziehen, warfen ihm konservative Kreise vor, allzu nachgiebig gewesen zu sein. Bei der Frage der Finanzierung der Kirchenimmobilien oder beim Streitpunkt Religionsunterricht in den Schulen etwa habe er dem Druck der Politik zu rasch nachgegeben. Von liberaler Seite heisst es wiederum, er sei zu tolerant gegenüber rechtskonservativen Gruppierungen in Luxemburg.

«Ich habe manchmal noch die Reflexe von damals, als ich in Japan war», bekennt Hollerich in einem Buch, in dem er Stellung bezieht zur Zukunft des Christentums in der säkularen Welt. «Es fällt mir zum Beispiel manches Mal sehr schwer, Nein zu sagen.» Ausserdem, so sagt er an gleicher Stelle, tue er sich schwer «mit dieser brutalen Klarheit, mit der Dinge in Europa formuliert werden».

Letzteres, die brutale Klarheit, ist bis jetzt in den Arbeitsdokumenten der Weltsynode nicht sichtbar geworden. Und ob es je sichtbar werden wird, ist offen. Hollerich muss nur schauen, dass es irgendwie vorwärtsgeht – ein bisschen wenigstens. Wie an der Echternacher Springprozession. Drei Schritte vorwärts, zwei zurück.

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