Samstag, Februar 22

Pop-Star, Schauspielerin, Unternehmerin. Cher erfreut sich eines glamourösen und abwechslungsreichen Lebens. Dabei begann es in schwierigen Umständen, wie sie in ihren Memoiren berichtet.

Der Auftritt mit meterhohem Kopfschmuck, die bauchfreien Kostüme, die Welthits, die Filme, der Ikonen-Status – das alles kam erst später. Chers frühe Jahre waren karg und glichen Achterbahnfahrten. Ihre alleinerziehende Mutter Georgia suchte besessen nach Filmrollen, ohne je den Durchbruch in Hollywood zu schaffen. Sie zog so oft um, dass ihre Tochter Cherilyn Sarkisian – so der volle Name von Cher – oft aus dem Schlaf schreckte und nicht wusste, wo sie war. Einige Monate verbrachte sie in einem Waisenhaus.

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Zu Beginn von Chers Autobiografie ändern sich die Lebensumstände praktisch in jedem zweiten Absatz. Die Beschreibungen ihrer späteren Karriere und ihres Ruhms als Pop-Star nehmen sich dagegen geradezu verkehrsberuhigt aus.

Cher hatte früh auch die Verantwortung für die jüngere Schwester zu übernehmen, während die Mutter damit beschäftigt war, ihre Ehemänner und Liebhaber auszutauschen. Georgia sei sieben, acht Mal verheiratet gewesen, erinnert sich die Tochter, die irgendwann den Überblick verlor. «Ein spiessiges Leben wollte ich nie», schreibt sie. «Aber ein Funke Normalität hätte ab und an gutgetan.»

Abgeklärt und selbstironisch

Einige ihrer Ersatzväter sollen zwar passabel gewesen sein. Andere aber erwiesen sich als Totalausfälle. Am schlimmsten war ausgerechnet Chers leiblicher Vater, Johnnie Sarkisian: ein Spieler, der nach der Scheidung immer wieder auftauchte bei seiner Ex-Frau. Im Drogenrausch liess er einmal das Haus abbrennen; fast wäre die gesamte Familie dabei umgekommen. «Er war vieles», schreibt Cher, «aber hauptsächlich war er ein echtes Problem.» Die Mutter heiratete ihn trotzdem ein zweites Mal.

Auf die Schrecken ihrer Kindheit blickt die heute 78-jährige Sängerin und Schauspielerin so abgeklärt, amüsiert und selbstironisch, wie sie über ihr ganzes wildes Leben schreibt – mit der Attitüde eines Menschen, den nichts mehr aus dem Sattel hauen kann.

Die freimütige Autobiografie passt zu ihrem Image als eine steinreiche Königin der Coolness, die nie um eine Pointe verlegen ist. Als Cher eines Tages Triumphe feierte, von denen ihre Mutter nur hatte träumen können, riet Georgia: «Weisst du, mein Schatz, eines Tages solltest du dich niederlassen und einen reichen Mann heiraten.» Ihre Tochter erwiderte: «Mama, ich bin ein reicher Mann.»

Leben mit Sonny

Chers Leben änderte sich dramatisch, als sie den Musiker Sonny Bono kennenlernte. Zuerst teilten sie nur eine Wohnung, später wurden sie Freunde, dann Liebhaber und schliesslich Eheleute. Sonny, der für den legendären Pop-Produzenten Phil Spector arbeitete, hörte sie zufällig zu Hause singen und beschloss, sie zum Star zu machen.

Die beiden starteten als Gesangsduo eine Karriere, die bei einer London-Reise 1965 erst richtig abhob – mit ihrem Auftritt bei «Top of the Pops», der von 1964 bis 2006 stilprägenden britischen Musiksendung. Allein in den ersten zwei Wochen nach dem Auftritt verkaufte sich «I Got You, Babe» zwei Millionen Mal und löste die Beatles-Single «Help!» an der Spitze der Charts ab. «Babe» wurde zur Hymne für Sonny und Cher – und Cher würde das «sentimentale, kleine Stück», wie sie es nennt, fünfzig Jahre später immer noch singen.

Zurück in den USA, rauschten sie in ein buntes, verschwenderisches Star-Dasein. Nach dem rasanten Aufstieg erlebten sie zwar erste Talfahrten, aber darauf folgte ein Comeback nach dem anderen. Sonny und Cher bekamen ein Baby, produzierten Platten, entwickelten eine eigene Fernsehsendung, arbeiteten wie verrückt, kauften und verkauften Häuser und schnelle Autos – alles in und um Los Angeles, den geliebten Schauplatz, um den nun auch Chers Memoiren kreisen.

Chers Ruhm kam übrigens für viele unerwartet. Anfangs galt die Sängerin als zu dünn, ihre Stimme war den DJ zu tief. Überdies sei ihre Nase zu gross gewesen – womit Bono sie gern triezte. Aber dann wurde Cher von der «Vogue»-Chefin Diana Vreeland entdeckt. Vreeland machte sie zur Trendsetterin eines neuen Frauentyps und pflasterte Magazinseiten mit ihren Fotos voll. Auf einmal rissen sich die berühmtesten Fotografen um sie. Cher, die die Mode liebte und in Geschmacksfragen gern unkonventionell dachte, kam das gelegen.

Im Lärm des glamourösen Lebens zeichnete sich – zuerst fast unbemerkt – ein Abhängigkeitsverhältnis ab. Der «lustige, alberne Sonny», auf den sich die Sängerin felsenfest verliess, entwickelte sich immer mehr zum kühlen, Zigarren paffenden Geschäftsmann. Er kontrollierte und manipulierte die Partnerin, verbot ihr Freundschaften, bootete sie finanziell aus und betrog sie, wie sie Jahre später feststellte.

Auf die Ablösung von der Mutter, die sie wie ein Gepäckstück von Ort zu Ort befördert hatte, folgte nun die Befreiung von einem Ehemann, der sie, von Bandmitgliedern beobachtet, wie eine Sklavin gehalten hatte. Cher liess sich scheiden, blieb ihrem Entdecker Sonny aber weiterhin verbunden.

Unterdrückung und Aufbruch

«Schwierige Menschen zu verstehen, ist nicht einfach, und mein Leben bestand offenbar nur aus komplizierten und überempfindlichen Personen, die sich nicht richtig unter Kontrolle hatten – mich eingeschlossen», schreibt sie. «Vielleicht bin ich die Königin dieser Spezies.» Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist Chers Geschichte eine Heldinnen-Geschichte – auf Jahre der Unterdrückung folgte der Aufbruch in die Freiheit.

Damit endet nach knapp 500 Seiten der erste Teil von Chers Memoiren. Ob sie diese selbst verfasst hat oder ob sie von einem Ghostwriter geschrieben wurden, ist nicht ganz klar. Von ihrer Filmkarriere und den Comebacks im Musikgeschäft wird man in Teil 2 dieser Memoiren lesen, die so üppig und abwechslungsreich daherkommen wie Chers Leben und Karriere. Kein Wunder, braucht sie für ihre biografischen Schilderungen gleich zwei Bände.

Cher: Die Autobiografie. Teil eins. Harper Collins, Hamburg 2025. 496 S., Fr. 46.90.

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