Dienstag, März 4

Porsche hat sich der avisierten Luxusbewertung nicht als würdig erwiesen. Die Risiken durch verfehlte Modellpolitik, mögliche US-Zölle und in China sind enorm. Die Bewertung sinkt dennoch erst allmählich auf ein realistischeres Niveau.

Auf Sicht von einem Jahr sind die Porsche-Aktien mit einem Kursminus von 31% der schlechteste Wert im Dax. Der Leitindex legte im selben Zeitraum um 28% zu. Seit Monaten ist Porsche das Papier mit den stärksten Leerverkäufen. Ist der maximale Pessimismus allmählich erreicht?

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Die Shortseller lagen bisher richtig: Am 6. Februar gab CEO Oliver Blume einen Strategieschwenk und eine Gewinnwarnung bekannt. Porsche wird neue Verbrenner und Plug-in-Hybride entwickeln, was den operativen Gewinn sowie den Netto-Cashflow des Autogeschäfts 2025 mit bis zu 0,8 Mrd. € belasten werde. So bleiben in diesem Jahr bei einem stagnierenden Umsatz von 39 bis 40 Mrd. € voraussichtlich nur 10 bis 12% Ebit-Marge.

Diese Ebit-Prognose unterbot die Konsensusschätzung um 23%. Analysten senkten reihenweise ihre Gewinnschätzungen und stuften den Titel herab: Erstmals seit Porsches Börsengang im September 2022 weist Bloomberg als Konsensus nicht mehr eine Kauf-, sondern eine Halteempfehlung aus.

Manche Analysten werteten den Strategiewechsel sowie den nahezu zeitgleichen Austausch von CFO und Vertriebschef als Zeichen der Besserung: «Porsche startet seine Erneuerung», titelte Deutsche-Bank-Analyst Tim Rokossa. Porsches Ankündigungen seien «ein positiver Schritt, um die notwendigen Investitionen in der Antriebsstrategie zu tätigen», befand JPMorgan-Analyst Jose Asumendi. Damit könne Porsche «in den nächsten 24 Monaten zum Wachstum zurückkehren».

JPMorgan und Deutsche Bank spielten beim Börsengang eine führende Rolle, hatten massiv für die Aktien geworben. The Market sieht dagegen Anhaltspunkte dafür, dass das Schlimmste noch vor den Porsche-Aktionären liegen könnte.

Ferrari-Vergleich zum Börsengang hinkte von Anfang an

Als Volkswagen die Tochter Porsche an die Börse brachte, war die Stimmung euphorisch. Eine der begehrtesten Sportwagenmarken der Welt wieder direkt kotiert, das lieferte Stoff für Anlegerfantasien.

Der Ausgabepreis von 82.50 € für 25% der stimmrechtslosen Vorzugsaktien (entsprechend 12,5% des Porsche-Gesamtkapitals) spielte ein Emissionsvolumen von 9,4 Mrd. € ein, der grösste Börsengang in Deutschland seit dem Listing der Deutschen Telekom 1996. Im Wertpapierprospekt positionierte sich Porsche unter den Luxusautoherstellern wie Lamborghini oder Ferrari.

Bis Februar 2023 kletterte Porsches Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis des Gewinns der nächsten zwölf Monate auf mehr als 20. Damit wurde Porsche halb so hoch wie Ferrari bewertet – und dreimal so hoch wie Mercedes.

Seither hat sich die Schere zulasten Porsches geöffnet. Zugleich verlor Porsche gegenüber Mercedes tendenziell an Bewertungsvorsprung. Der KGV-Anstieg im Februar resultiert daraus, dass Porsches Kurs weniger stark fiel als die Gewinnschätzungen.

«Die Diskussion, ob Porsche eher eine Bewertung wie Ferrari oder wie Mercedes verdient hat, führe ich fast täglich mit Investoren», sagt Pal Skirta, Autoanalyst des Bankhauses Metzler.

Porsche war nie Ferrari …

Der Vergleich mit Ferrari lag schon immer schief. Der italienische Supersportwagenbauer ist eine Manufaktur, hat 2024 13ʼ750 Autos ausgeliefert. Bei Porsche waren es 22-mal so viele.

Ferrari erwartet 2025 eine Ebit-Marge von 29%, nach 28% im Jahr 2024. Porsche verdiente 2024 nur 14% Ebit-Marge, nach 18% in den Boomjahren 2022 und 2023. Die 2023 ausgerufene «Road to 20» mit einer mittelfristigen Zielmarge von 20% rückt in immer weitere Ferne.

Ferrari erzielt pro Wagen einen durchschnittlichen Verkaufspreis von 443ʼ000 €, gegenüber 115ʼ000 € pro ausgelieferten Porsche. Und die Italiener sind auf Jahre ausgebucht.

Bei Porsche können die E-Modelle ein Hauptargument für den Kauf eines Luxusguts bisher kaum einlösen: die Wertbeständigkeit. Da sich die Batterietechnik rasant weiterenwickelt, verlieren Elektro-Porsches weit schneller an Wert als bisher die Verbrennermodelle.

Ferrari dagegen profitiert von einer Ausnahmeregelung in der EU-Regulierung: Hersteller, die weniger als 10ʼ000 Autos jährlich in Europa verkaufen, sind von den strengen CO2-Flottengrenzwerten ausgenommen. «Porsche ist für eine Luxusmarke einfach zu gross», glaubt Metzler-Analyst Skirta.

Dass die EU-Kommission nicht mehr darauf pochen will, dass Hersteller die CO2-Ziele in jedem der kommenden drei Jahre erfüllen, wäre immerhin eine kleine Hilfe. Wie die Kommission am 3. März verkündete, werden die Ziele für 2025, 2026 und 2027 zu einem Ausgleichszeitraum zusammengefasst.

… und Porsche wird auch nicht Ferrari

Porsches Schwierigkeiten ähneln vielfach denen von Mercedes-Benz:

Auch Porsche-Chef Blume musste seine Elektrostrategie mehrfach adjustieren. Hatte er zunächst als Ziel ausgegeben, bis 2030 80% aller neuen Modelle mit Elektroantrieb auszuliefern, ruderte er im Juli 2024 zurück: Dies sei «abhängig von der Kundennachfrage und der Entwicklung der E-Mobilität». Soeben verkündete er, man werde zusätzliche Modelle mit Verbrennungsmotor und Plug-in-Hybrid einführen.

Die falsche Strategie sowie ständige Verzögerungen bei E-Fahrzeugen haben seit Mitte 2024 drastische Lücken in der Modellpalette verursacht. Die Verbrennermodelle des Macan und des 718 (Boxster, Cayman) dürfen in Europa seit Juli 2024 wegen einer neuen Cybersecurity-Regulierung nicht mehr zugelassen werden. Blume hatte wegen der Kosten entschieden, die Verbrenner nicht mehr darauf umzustellen, und ganz auf Elektromodelle gesetzt.

Doch der Elektro-Macan kam infolge von Softwareproblemen mit fast drei Jahren Verspätung erst im September 2024 auf den Markt. Die elektrischen 718 sollen nach mehrfachen Verschiebungen nun Ende 2025 eingeführt werden – wobei sich dies weiter verzögern könnte. Nach dem Insolvenzantrag des schwedischen Batterie-Start-up Northvolt ist fraglich, ob dieses liefern kann oder ob rechtzeitig ein neuer Lieferant an Bord kommt. Porsche hatte die Zellen für den 718 exklusiv bei Northvolt bestellt.

Umsteuern in der Modellpolitik belastet auf Jahre

Das Umsteuern in der Modellstrategie kommt Porsche teuer zu stehen. «Wir erwarten für die nächsten zwölf bis 24 Monate zusätzlichen Margendruck, weil Porsche in drei verschiedene Technologien gleichzeitig investieren muss», sagt Analyst Skirta.

Voraussichtlich wird Porsche den zehn Jahre alten Verbrenner-Macan wiederbeleben, der derzeit nur noch ausserhalb Europas verkauft wird. Dabei könnte die Konzernschwester Audi helfen. Allerdings dürfte es bis Anfang 2028 dauern, bis der neue Macan auf dem Markt ist.

Auch bei anderen Modellen wie dem Cayenne, die Blume nur noch als E-Modelle weiterentwickeln liess, muss für Verbrenner nachinvestiert werden. Wenigstens das Topmodell 911 hat Porsche auch als Verbrenner mit einem Facelift und Hybrid 2024 à jour gehalten, da es der letzte Verbrenner der Marke werden sollte.

China-Geschäft bleibt unter Druck

Beim Börsengang spielten die Wachstumshoffnungen auf dem jahrelang lukrativsten Markt China eine zentrale Rolle in Porsches Investment Case. Nun leidet Porsche unter dem dortigen Absatzeinbruch auch wegen eines zeitweiligen Händlerboykotts sogar noch stärker als viele andere. Gegenüber dem Höchstwert von 2021 waren die Auslieferungen 2024 40% niedriger.

Besserung ist kaum in Sicht. Nach 2024 wird Porsches globaler Absatz voraussichtlich auch 2025 schrumpfen.

Porsche ist dem höchsten Risiko von US-Zöllen ausgesetzt

Sollte US-Präsident Donald Trump seine Ankündigung wahr machen, auf Autoimporte aus der EU ab April 25% Zoll zu erheben, würde dies Porsche unter allen deutschen Autoherstellern am härtesten treffen. Porsche importiert sämtliche in den USA verkauften Fahrzeuge aus Deutschland und der Slowakei. Die Schwaben haben in Nordamerika vergangenes Jahr 27% aller Autos abgesetzt (+1%).

«Ich glaube nicht, dass ein Zollsatz von 25% bereits vollständig im Porsche-Aktienkurs eingepreist ist», sagt Metzler-Analyst Skirta. «Investoren, mit denen ich gesprochen habe, gehen von reziproken Zöllen in Höhe von 10% aus.»

Gemäss dem «Handelsblatt» prüfen Porsche und die VW-Konzernschwester Audi, im amerikanischen VW-Werk in Chattanooga eine eigene Fertigung aufzubauen. Dies würde allerdings – ebenso wie Zölle – die Marge auf Jahre belasten. Der Hochlauf wäre teuer und kann leicht ein Jahr in Anspruch nehmen. Skaleneffekte gingen verloren, die in der Automobilproduktion besonders relevant sind. Weitere Überkapazitäten in Europa entstünden.

Hohe Kapitalrenditen sind Vergangenheit

Dass Porsche im jüngsten Boom so viele Entwicklungen und Investitionen unterlassen hat, hat die Kapitalrendite (Return on Invested Capital) 2023 bis auf 14,8% getrieben. Unter anderem deshalb tauchte Porsche im jüngsten Qualitätsaktien-Screening von The Market auf.

Höhere Entwicklungs- und Restrukturierungskosten und erhöhte Anlageinvestitionen dürften nun jedoch auf Jahre Marge und Rendite belasten.

Hatte Blume ursprünglich eine kräftige Ausweitung der 300ʼ000 Fahrzeuge jährlich umfassenden Produktionskapazität avisiert, wird sie nun auf 250ʼ000 Fahrzeuge gekürzt. Die hoch profitable Sonder- und Exklusivmanufaktur im Zuffenhausener Stammwerk, etwa für Sondervarianten des margenstarken 911er, wird ausgebaut.

Aus Investorensicht reicht das nicht: «Porsche muss dahin kommen, dass das Auftragsbuch voller Top-End-Produkte wie des 911 Turbo oder des GT3 ist und man bei Margenproblemen einfach davon ein paar mehr verkauft als geplant», sagt Moritz Kronenberger, Fondsmanager von Union Investment. Seit dem Börsengang sei dies nicht gelungen, «davor gab es darüber keine Transparenz».

Finanzielle Details des Umbaus über 2025 hinaus sind offen. JPMorgan rechnet mit einem «aufgestockten Capex-Plan über die nächsten drei Jahre». Berenberg schreibt über die Marge: «Wir glauben nicht, dass Porsche mittelfristig in den Korridor von 17 bis 19% zurückkehren wird.»

Fragwürdiger Machtgewinn für den CEO

Eigentlich ist für strategische Fehler der CEO verantwortlich, weshalb Blume unter Investoren zunehmend hinterfragt wurde. Porsches langjähriger CFO und Vizechef Lutz Meschke hatte dies gemäss Insidern zu nutzen versucht, um den CEO abzulösen.

In diesem Machtkampf konnte Blume jedoch die Milliardärsfamilien Porsche und Piëch hinter sich bringen – und geht daraus gestärkt hervor. Meschke wurde nach 24 Porsche-Jahren auf seinen Nebenjob, die Verantwortung für das Beteiligungsmanagement der Familienholding Porsche Automobil Holding SE, zurückgestutzt.

Auch an den Nachfolgern für Meschke und Vertriebschef Detlev von Platen zeigt sich, dass Blume sich auf ganzer Linie durchgesetzt hat. Der neue CFO Jochen Breckner erhält – anders als Meschke – nicht den Titel als Blumes Stellvertreter. Der profilierte Controller diente Blume ab 2018 als Leiter des Generalsekretariats und der Unternehmensentwicklung und ist am Kapitalmarkt ein unbeschriebenes Blatt.

Der neue Vertriebschef Matthias Becker gilt ebenfalls als Blume-Vertrauter und ist seit 2015 bei Porsche. Wie Blume hatte er seine Karriere bei Audi gestartet. Damit sitzt im Porsche-Topmanagement niemand mehr, der Blume den Job streitig machen würde. Bei VW hat Blume schon ausgesiebt, als er den Chefjob dort 2022 zusätzlich übernommen hat.

Viele Investoren hoffen trotzdem auf ein Ende der Doppelrolle Blumes. Die jüngste Rochade spricht allerdings dagegen, dass das bald passiert. Als die Familien Blume 2022 kurz vor Porsches Börsengang an die VW-Spitze baten, machte er es laut «manager magazin» zur Bedingung, dass er gleichzeitig Porsches CEO bleiben darf.

Aussenstehende Aktionäre haben nichts zu sagen

Wie VW ist Porsche fest in der Hand der Porsches und der Piëchs, angeführt vom 81-jährigen Chefkontrolleur Wolfgang Porsche, seinem 83-jährigen Cousin Hans Michel Piëch sowie ihrem Vertrauten Hans Dieter Pötsch (73). VW hält 75% des Porsche-Kapitals, die Porsche SE 12,5%. Die aussenstehenden Vorzugsaktionäre haben nichts zu sagen. Bei der einstigen Perle Audi haben die Familien bereits bewiesen, dass sie in der Lage sind, eine Topmarke schwer zu beschädigen.

Neben den beträchtlichen Risiken USA und China gibt es eine Menge selbst verursachter Risiken und hausgemachter Probleme, die das Porsche-Management lösen muss. Blumes Doppelrolle und die Eignerstruktur stehen einer fundamentaler Besserung entgegen.

Bei weiteren Fehlschlägen dürfte der Pessimismus der Anleger weiter wachsen. Selbst für optimistische Investoren, die wie JPMorgan-Analyst Asumendi an Porsches Rückkehr zum Wachstum in den nächsten 24 Monaten glauben, wäre ein Einstieg jetzt verfrüht.

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