Das 3:0 deckt die Schwächen der Türkei in der Abwehr schonungslos auf.

Die Szene wirkte fast wie arrangiert. Als ein Junge während der zweiten Halbzeit auf Cristiano Ronaldo zugelaufen kam, nahm ihn der Superstar in den Arm und posierte mit ihm für ein Selfie – ja, der Knirps hatte sogar ein Telefon dabei. Das Dortmunder Westfalenstadion war gerührt und erlebte so doch noch einen emotionalen Höhepunkt. Denn die Partie an sich zwischen Portugal und der Türkei bot zwar allerlei Kuriositäten, aber wenig Drama. Was ein atmosphärischer Höhepunkt der EM werden sollte, geriet zur Prozession der Portugiesen. 3:0 gewann der Titelmitfavorit gegen den heimlichen Co-Gastgeber und sicherte sich damit vorzeitig den Sieg in Gruppe F.

Die Türken leisteten dazu einen unfreiwillig hohen Beitrag. Ihr Defensivverhalten war kaum auf der Höhe einer EM-Endrunde. Folgte das 0:1 durch einen Abstauber von Bernardo Silva noch einem konventionellen Zuordnungsfehler, handelte es sich beim 0:2 um regelrechten Klamauk. Samet Akaydin spielte einen gekonnten Rückpass auf den Goalie Altay Bayindir – der allerdings weit vor seinem Gehäuse stand. Der Ball kullerte aufs Tor zu, verzweifelte Türken stürzten hinterher, vergebens.

Der Senior dirigiert die Abwehr

Portugal besitzt das vielleicht stärkste Kader der EM, hat nach dem Abgang des ultrapragmatischen Fernando Santos in Roberto Martínez (vormals Belgien) einen innovativen Trainer und strahlt klar die Ambition aus, dieses Turnier zu gewinnen. Martínez predigt dafür bei jeder Gelegenheit das hohe Gut des Gemeinwohls. Wie sehr sich sogar der einstige Nimmersatt Ronaldo diesem Gedanken unterordnet, zeigte das 3:0. Diesmal setzte ein Ausrutscher von Zeki Celik die Portugiesen in Szene, Ronaldo tauchte mit Ball im Strafraum auf, er musste nur noch den Torwart überwinden – und legte selbstlos ab auf den noch besser postierten Bruno Fernandes.

Den Rest besorgte Pepe. Der 41-jährige Turniersenior kommandierte die portugiesische Abwehr atemberaubend souverän. Kurz vor dem 1:0 verhinderte er mit einem perfekten Tackling gegen Orkun Kökcü die mögliche türkische Führung, und auch fortan gewann er jeden Zweikampf. Die portugiesischen Fans feierten Pepe immer wieder mit Sprechchören; ein Privileg, das sonst nur Ronaldo zuteilwird.

Ein Sturm für 235 Millionen

Portugal sorgte allerdings auch seinerseits für eine Slapstick-Einlage. Linksaussen Rafael Leão sah im zweiten Spiel nacheinander wegen einer Schwalbe die Gelbe Karte. Leão schaffte es damit, wegen des dümmlichsten aller Delikte schon nach den Auftaktmatches für die nächste Partie gesperrt zu werden.

Diogo Jota, João Felix oder Gonçalo Ramos könnten ihre Chance in der nächsten Partie gegen Georgien am Mittwoch nutzen – das sind die drei Stürmer, denen Martínez in Dortmund nicht einmal eine Spielminute gab. Zusammen kosteten sie bei ihren jeweils letzten Vereinswechseln rund 235 Millionen Euro. So viel zum Niveau des portugiesischen Aufgebots. Es bleibt abzuwarten, ob es in der K.o.-Runde ebenbürtige Rivalen findet.

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