Freitag, Januar 10

Die ungesteuerte Migration schafft ein Klima der Gewalt: eine explosive Mischung aus Islamismus und militanter Ausländerfeindlichkeit.

Als sich die Flugzeuge am 11. September 2001 in die Twin Towers und das Pentagon bohrten, war eines schnell klar: Die Beziehung der abendländischen Welt zum Islam würde sich davon lange nicht erholen. Ein Misstrauen schlich sich ein, das langsam wucherte und sich heute in den Erfolgen von rechten Parteien niederschlägt.

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Zunächst aber war Blauäugigkeit angesagt. Obwohl die Kaida ihr Höllenwerk in aller Seelenruhe in Hamburg vorbereitet hatte, versank die deutsche Öffentlichkeit wieder in den Schlaf der Selbstgerechten.

Die in der Bundesrepublik lebenden Muslime, so hiess es damals, waren friedlich. Islamistischen Terrorismus gab es doch nur in Frankreich, wo algerische Gotteskrieger schon in den neunziger Jahren erbarmungslos gemordet hatten. Muslimische Parallelgesellschaften galten als rein französische Erscheinung. Glückliches Deutschland!

Zwei Jahrzehnte später muss man konstatieren, dass die Bundesrepublik den Vorteil verspielt hat. Das Land ist heute gemeinsam mit Frankreich der Brennpunkt islamistischen Terrors in Europa schlechthin. Politische Fehlentscheidungen und mangelnder gesellschaftlicher Widerstandswillen sind dafür verantwortlich, dass die Sicherheitslage prekärer ist denn je.

Wo liegt der Unterschied zwischen einem islamistischen und einem rechtsradikalen Mörder?

Die Blutspur im Jahr 2024 ist breit: Mannheim, Solingen und zuletzt Magdeburg – und das sind nur die Attentate, die in der Öffentlichkeit ein besonderes Echo gefunden und die Politik aus ihrer Lethargie aufgeschreckt haben.

Viele werden einwenden, die Todesfahrt durch die Gassen des Weihnachtsmarkts von Magdeburg sei gerade kein islamistischer Anschlag. Der Attentäter Taleb al-Abdulmohsen ist Muslim, beschimpfte aber Muslime, Deutsche und sein Heimatland Saudiarabien.

Wer jedoch die Verbindung zum gewalttätigen Islam ignoriert, begeht denselben Fehler wie nach 9/11 und wiegelt ab, wo Beschwichtigung nur dem nächsten Terrorakt den Weg ebnet.

Längst sind die jihadistischen Attentate und die antimuslimischen Anschläge zu einem Phänomen zusammengewachsen. Der Islamismus ist im Nahen Osten wie in Europa die wirkmächtigste Ideologie. Er bringt Gewalt und Gegengewalt vor. Der norwegische Rechtsradikale und Massenmörder Anders Behring Breivik ist ohne seine Gegnerschaft zum Islam nicht vorstellbar.

Die kollektive Psychose gründet auf Imitation. Der Islamist und der Islam-Hasser benutzen dieselben Methoden und rasen mit Fahrzeugen in Menschenmengen – ob in Nizza, in Berlin oder jetzt in Magdeburg oder New Orleans.

Der Islamist und der Islamhasser bewegen sich in Welten, in denen sich Pathologie und Politik, Wahn und Weltanschauung vermengen. Da unterscheidet sich der rechtsradikale Attentäter von Hanau, der wahllos Muslime tötet, nicht von dem Muslim, der genauso wahllos die Besucher eines Volksfests in Solingen ersticht.

Das Zentrum ist stets der Islamismus: ob direkt als jihadistische Gewalt oder indirekt als Reaktion auf die vermeintliche Islamisierung Europas.

Die von Deutschland seit 2014 mutwillig geförderte Masseneinwanderung nach Europa schuf das Klima, in dem sich die Extreme berühren und vermischen. Der postmoderne Irrsinn passt in keine Schublade.

Besonders sichtbar wird das seit dem Gaza-Krieg. Die Linke propagiert einen Antisemitismus, wie ihn früher nur Rechtsradikale vertraten. Islamfreunde, die Juden hassen; Judenhasser, die deswegen zu Islamfreunden werden. Es ist längst einerlei. Taleb al-Abdulmohsen steht sinnbildlich für die Verwirrung, welche Europa befallen hat.

Der deutsch-französische Motor zieht den Kontinent, aber in eine andere Richtung, als sich das die Gründerväter der EU vorgestellt hatten. In Deutschland und Frankreich ist der Kampf zwischen Islamismus und Antiislamismus eskaliert. Das Sicherheitsdefizit gehört zu den Gründen für die Regierungskrise in beiden Ländern. Und die Verirrung färbt auf die Nachbarn ab.

In der Schweiz verdoppelte sich die Zahl der Strafverfahren wegen Terrorismus innert zwei Jahren auf 120 Fälle. Nach dem Fanal der Kaida glaubten die Schlaumeier von der SVP noch, wenn sich die Schweiz abschotte, werde das jihadistische Unwetter sie verschonen. Doch die selbsternannte Insel der Glückseligen ist längst keine mehr.

Der Magdeburger Attentäter hat sich vom Islam losgesagt, wählte aber einen Ort, der in der islamischen Vorstellung eng mit dem Christentum verbunden ist. Seit dem vereitelten Anschlag auf den Strassburger Weihnachtsmarkt im Jahr 2000 – vorbereitet wurde er wie 9/11 in Deutschland – sind mehrere dieser Schauplätze glühweinseliger Fröhlichkeit angegriffen worden: in Berlin ebenso wie in Ludwigshafen, Paris oder Nantes.

Der AfD-Sympathisant, der sich wie ein Islamist verhält: Der Magdeburger Attentäter passt perfekt zum individualisierten Terrorismus ohne festen Bezug zu einer Terrororganisation und ohne klar umrissenes Weltbild. Er ist ein Blatt, das von den Stürmen der Gegenwart mitgerissen wird.

Im Kleinen fängt es an: Nulltoleranz auch gegen Silvester-Chaoten

Der Terror, der von der spontanen Tat lebt und nicht von abstrakter Politik, ist so gefährlich, weil er in unterschiedlichster Form auftritt. Doch die deutsche Innenministerin Nancy Faeser verschwendete viel Zeit mit der haarspalterischen Erörterung, welche Spielart des Terrorismus nun die gefährlichste sei, die islamistische oder die rechtsradikale.

Im Mittelalter fragten die Scholastiker, wie viele Engel auf einer Nadelspitze sitzen können. Mit derselben Dogmatik konzentrierte sich Faeser drei Jahre allein auf ihren Kampf gegen rechts, blind für das, was sich sonst zusammenbraute.

Einen willigen Vollstrecker fand die Sozialdemokratin in Thomas Haldenwang, dem Chef des Verfassungsschutzes. Mit Inbrunst stürzte er sich in die Schlacht gegen die AfD, den ärgsten Gegner der Unionsparteien. Zum Lohn darf er bei der Bundestagswahl als Kandidat der CDU antreten.

Die schwarz-rote Blutsbrüderschaft zeigt, dass die Erosion der Sicherheit nicht allein aufs Konto der Ampelkoalition geht. So beklagt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz zwar das Misstrauen gegen die Nachrichtendienste, aber niemand begegnete diesen misstrauischer als die CDU-Kanzlerin Angela Merkel.

Es ist daher kein Wunder, dass die deutschen Dienste selbst zwei Jahrzehnte nach 9/11 existenziell auf die Warnungen der amerikanischen Kollegen angewiesen sind.

Der postmoderne Terrorismus hat sich ins Internet verlagert. Hier finden die künftigen Täter die Vorlagen, die sie später nachahmen. Hier lassen sich die Spuren ihrer Radikalisierung beobachten. Wer wachsam ist, entdeckt im Internet die Warnzeichen.

Die deutschen Geheimdienste können aber die Möglichkeiten der elektronischen Überwachung nicht ausschöpfen. Der Gesetzgeber verwehrt ihnen Kompetenzen, die in anderen westlichen Ländern Usus sind. Wenn die Befugnisse dann doch ausgeweitet werden, schränken Gerichte – allen voran Karlsruhe – diese umgehend wieder ein.

Dies alles ist nur möglich, weil die Gesellschaft insgesamt gegenüber den Gefahren gleichgültig ist. Sonst hätte sie längst einen Politikwechsel erzwungen. Hierin unterscheidet sich Deutschland von Frankreich, das die Bedrohung entschlossen bekämpft.

Die Bundesrepublik, das Land in der Mitte des Kontinents, ist eine seiner grössten Schwachstellen in Sicherheitsfragen. Die Tatenlosigkeit manifestiert sich im Grossen wie im Kleinen.

Klaglos nehmen die Deutschen es hin, dass Krawallmacher alljährlich an Silvester die Hauptstadt verwüsten: die Kugelbombe als fester Bestandteil der Berliner Folklore.

Als in New York Verbrechen und Verwahrlosung überhandnahmen, rief die Stadtverwaltung in den neunziger Jahren eine Nulltoleranz-Strategie aus. Auch kleine Vergehen wurden konsequent geahndet, um so der Schwerkriminalität den Nährboden zu entziehen. Das Konzept funktionierte.

Auch in Deutschland täte eine Nulltoleranz-Strategie bitter not. Wer sich an Silvester-Ausschreitungen beteiligt, gehört ebenso bestraft wie Asylbewerber, die den Behörden eine lange Nase drehen und nach Belieben untertauchen.

Wenn Migranten bei Allerweltsdelikten die Ohnmacht des Rechtsstaats erleben, haben sie vor diesem keinen Respekt, wenn es um schwere Straftaten geht. Wer rechtsfreie Räume duldet, erntet Unfrieden und Chaos.

Konsequenz bei der Strafverfolgung und ausreichende Kompetenzen für die Beobachtung des Internets bilden die Grundlage, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Noch aber ist Gleichgültigkeit die deutsche Krankheit.

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