Freitag, April 18

Beide Marken stehen für italienische Luxusmode. Nun kommt das 1978 von Gianni Versace gegründete Haus unter das Dach der grösseren und älteren Konkurrenz.

Nach drei Monaten Verhandlungen ist der Bund nun perfekt. Der italienische Luxuskonzern Prada erzielte am Donnerstag eine Einigung mit der US-amerikanischen Modeholding Capri über die Kaufsumme für Versace. Prada-Chef Andrea Guerra gelang es, den Preis auf 1,25 Milliarden Euro zu drücken. Capri hatte der Familie Versace die Marke mit dem goldenen Medusenhaupt im Logo 2018 für 1,8 Milliarden Euro abgekauft.

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Die Exklusivverhandlungen waren im Februar mit einer vereinbarten Preisbasis von 1,5 Milliarden Euro aufgenommen worden. Zuletzt drohte der Deal noch an Trumps Handelskrieg und dem weltweiten Börsencrash zu scheitern. Mit der Übernahme füge man dem Prada-Konzern eine neue, komplementäre Dimension hinzu, kommentierte Guerra. «Versace hat ein enormes Potenzial», sagte der Prada-Chef.

Erhebliches Risiko in Zeiten extremer Unsicherheit

Die Höhe der Kaufsumme galt als entscheidende Grösse für die Bewertung des Deals. Denn der prosperierende Prada-Konzern, der derzeit in der kriselnden Luxusbranche fast allen Wettbewerbern mit üppigen Umsatz- und Gewinnsteigerungen überlegen ist, geht mit der Versace-Übernahme in Zeiten extremer Unsicherheit ein erhebliches Risiko ein.

28 Jahre nach dem gewaltsamen Tod von Gianni Versace ist die Medusa ein fader Abklatsch jener Marke, die sie zu Lebzeiten des provozierenden Erneuerers gewesen ist. Als der Gründer am 15. Juli 1997 vor seiner Villa in Miami erschossen wurde, verlor die Modewelt die verschwenderische Vitalität eines Ausnahmetalents. Gianni Versace hatte die Mode in den 1980er Jahren zu Entertainment gemacht. Er rangierte damals hinter Giorgio Armani, seinem diskreten Erzrivalen, auf Platz zwei der italienischen Designermode.

Nach dem plötzlichen Tod übernahm Donatella Versace, Giannis neun Jahre jüngere Schwester, die kreative Leitung. Sie bewahrte das Label vor dem Untergang – nicht aber vor dem schleichenden Verfall. Im Lauf der Jahre verloren die Marke an Strahlkraft, die Kollektionen an Originalität und die Unternehmensbilanzen an Solidität. Das stürmische Wachstum des globalen Luxusgeschäfts ging komplett an Versace vorbei.

Eine Marke als Parodie ihrer selbst

Der Grund: Die schrille Mode des Labels hörte 1997 auf, das zu sein, was sie seit der Firmengründung 1978 immer gewesen war: Zeitgerecht, modern und anziehend. Donatella Versace lebte fortan im Kult ihres Bruders. Unermüdlich brachte die platinblonde Designerin Neuinterpretationen von Giannis Kreationen heraus. Ihre Entwürfe begeisterten jedoch nur noch wenige. «Kann eine Marke als Parodie ihrer selbst existieren?», fragte die einflussreiche amerikanische Modekritikerin Suzy Menkes 2004.

Eine Neubelebung des Labels ist schon lange überfällig. An aufregende Kollektionen kann sich kaum noch jemand erinnern. «Versace wartet seit fast dreissig Jahren darauf, wachgeküsst zu werden», schrieb die Branchenkennerin Giorgia Motta in der römischen Tageszeitung «Il Foglio» vor einem Monat.

Nun ist also der Prinz aufgetaucht. Auch wenn das Potenzial des Modehauses schlummert, so lebt doch der Versace-Mythos weiter, sagt man in der Modeszene. Versace blieb «eine unentfaltete Ikone», schrieb Imran Amed im Branchendienst «Business of Fashion». Allerdings verfehlte Capri Holdings das Ziel, den Jahresumsatz von 850 Millionen Dollar im Jahr 2018 auf zwei Milliarden Dollar zu erhöhen.

2024 erlitt man einen Rückgang auf eine Milliarde Dollar. Zudem verbuchte das Unternehmen wieder Verluste. «Prada will Versaces Erbe fortführen, seine kühne und zeitlose Ästhetik feiern und neu interpretieren», sagte Konzernpräsident Patrizio Bertelli am Donnerstag.

Die Hoffnung vieler Italiener erfüllt sich

Pradas Übernahmeversuch löste in Italien starke Sympathien aus. Nachdem ein Grossteil der italienischen Luxuslabel in den vergangenen 25 Jahren ins Ausland verkauft worden war, eroberte der von Miuccia Prada und ihrem Ehemann Patrizio Bertelli kontrollierte Konzern nun eine weltbekannte Marke wieder zurück.

Insbesondere die beiden französischen Luxuskonzerne LVMH und Kering hatten sich auf ihren Beutezügen in Italien Modehäuser wie Gucci, Bottega Veneta, Pomellato, Fendi, Loro Piana, Bulgari und viele andere gegriffen. «Pradas Ambition, einen führenden italienischen Luxuskonzern aufzubauen, ist ein bedeutender Schritt auf dem von Franzosen beherrschten Markt», sagte Achim Berg, ein Berater der Mode- und Luxusindustrie. «Es ist genau das, was sich viele Italiener erhofft haben», sagte er.

Während die internationale Luxusbranche auffällig schwächelt, strotzt Prada derzeit vor Kraft. Das Mailänder Modehaus ist mit Brunello Cucinelli und Hermès eines der wenigen Luxusunternehmen, die weiterhin ein zweistelliges Wachstum vorweisen können. 2024 steigerte der Konzern mit den vier Marken Prada, Miu Miu, Church’s und Car Shoe seinen Umsatz um 17 Prozent auf 5,4 Milliarden Euro. Pradas Nettogewinn stieg im vergangenen Jahr um ein Viertel auf 839 Millionen Euro. Der operative Gewinn kletterte auf 23,6 Prozent, die Konzernkasse ist mit 600 Millionen Euro Barmitteln gefüllt.

Damit sticht Prada in der kriselnden Modeindustrie hervor. War Luxusmode lange ein Selbstläufer gewesen, so kämpfen nun viele erfolgreiche Label gegen den Abstieg. Miuccia Prada und ihr Co-Designer Raf Simons verwandeln ihre Kreativität mit erstaunlicher Sicherheit in Geschäftserfolge.

Prada verdreht gerade der Generation Z den Kopf

Als zukunftsweisend erwies sich eine Personalentscheidung: Miuccia Prada und ihr Mann Patrizio Bertelli gaben vor zwei Jahren die Konzernführung an den externen Topmanager Andrea Guerra ab. Der ehemalige Luxottica-Chef soll Lorenzo Bertelli, den 36-jährigen Sohn des Paares, auf die Nachfolge vorbereiten.

Hinter der glänzenden Entwicklung steht aber vor allem der kometenhafte Aufstieg des jugendlichen Labels Miu Miu. Pradas kleine Schwestermarke legte 2024 um 93 Prozent zu. In drei Jahren verdreifachte sich ihr Umsatz von 422 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 1,2 Milliarden Euro in 2024.

Miu Miu, bereits 1993 von Miuccia Prada als Zweitlinie unter ihrem Kosenamen aus Kindheitstagen kreiert, hatte lange Zeit ein Schattendasein im Konzern geführt. Dann erweckte die Designerin ihre eigene Schöpfung zum Leben. Respektlos, ironisch und experimentell: Mit diesem Look verdreht Prada gerade der Gen Z den Kopf. Miu Miu führt heute die Rangliste der angesagtesten Modelabel an. Für ein grünes Poloshirt aus Baumwolle muss man 1300 Euro hinlegen. Ein knappes Miniröckchen aus recyceltem Garn kostet 890 Euro. In China sollen die Mädchen besonders verrückt nach Miu Miu sein.

Übernahme mit klarer Logik

Die Logik hinter der Versace-Übernahme ist klar. Bei Prada will man aus der schlummernden Medusa nun eine neue Miu Miu machen. Dazu passt: Im März gab Donatella Versace, 69, ihren Rücktritt bekannt. An ihrer Stelle übernahm der hochgelobte Designer Dario Vitale die kreative Leitung. Er kam ausgerechnet von Prada, wo er bei Miu Miu als rechte Hand von Miuccia die junge Marke zum Shootingstar der Modewelt gemacht hat.

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