Bei dem gleichzeitig stattfindenden Referendum über die EU-Bestrebungen des Landes zeichnet sich wider Erwarten ein deutliches Nein ab.
(dpa) Bei der Präsidentenwahl in der früheren Sowjetrepublik Moldau liegt die Amtsinhaberin Maia Sandu nach Auszählung von gut zwei Dritteln der Stimmen erwartungsgemäss vorn. Sie kam auf über 36,5 Prozent der Stimmen, nachdem rund 76 Prozent der Wahlzettel ausgezählt waren, wie die Wahlkommission mitteilte. Dabei handelt es sich um einen Zwischenstand, nicht um eine Hochrechnung.
Auf Rang zwei lag der frühere Generalstaatsanwalt Alexandru Stoianoglo als Kandidat der traditionell starken Sozialistischen Partei des prorussischen Ex-Präsidenten Igor Dodon. Er kam nach dem Zwischenergebnis auf rund 29 Prozent der Stimmen und ist damit deutlich stärker als in Umfragen vorher erwartet.
In zwei Wochen dürfte es zur Stichwahl kommen. Insgesamt gab es elf Bewerber um das Amt. Moldau ist EU-Beitrittskandidat. Nach einem ruhigen Verlauf und hoher Beteiligung hatten die Wahllokale um 21 Uhr Ortszeit geschlossen.
Bei einem Referendum wurde zudem darüber abgestimmt, ob der EU-Kurs des Landes unabänderlich als strategisches Ziel in der Verfassung verankert werden soll. Gefragt wurde unter anderem, ob etwa dieser Satz künftig in der Verfassung stehen soll: «Die Integration in die Europäische Union wird als strategisches Ziel der Republik Moldau erklärt.» Nach Auszählung von fast 80 Prozent der Wahlzettel lagen die Nein-Stimmen wider Erwarten vorn. Demnach stimmten rund 55 Prozent der Wählerinnen und Wähler gegen die Verfassungsänderung und rund 45 Prozent dafür. Prognosen vor dem Referendum hatten eine stabile Mehrheit von 50 bis 60 Prozent der Moldauer für einen EU-Kurs vorhergesagt.
Sollte sich das als Endergebnis bestätigen, wäre das ein herber Rückschlag für Sandu von der prowestlichen Partei Aktion und Solidarität (PAS) und ein Sieg für das prorussische Lager.
Prorussische Desinformation und Wählerbestechung
Moldau müsse seine Zukunft unter den Bedingungen von Frieden und Freiheit selbst bestimmen, sagte Sandu von der Partei Aktion und Solidarität (PAS) nach der Stimmabgabe. «Ich habe gewählt, weil die Moldauer ihr Schicksal selbst bestimmen sollten und nicht Lügen und schmutziges Geld.» Die 52 Jahre alte Staatschefin lag in Umfragen vor der Wahl bei rund 36 Prozent Zustimmung.
Moldauische Sicherheitsbehörden deckten vor den Abstimmungen Fälle von prorussischer Desinformation und Wählerbestechung auf. Als wichtiger Akteur gilt der ins Ausland geflüchtete moskautreue Oligarch Ilan Shor, der in seiner Heimat wegen Geldwäsche und Betrug verurteilt wurde und gesucht wird.
Russland wiederum wirft der EU vor, mit Milliardenversprechen Einfluss auf die Abstimmung zu nehmen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Chisinau und bei einem Treffen mit Sandu kurz vor der Abstimmung 1,8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Finanziert werden sollen etwa Arbeitsplätze, Wachstum, Dienstleistungen und Infrastruktur.
Kritik am EU-Referendum
Auch am Wahlsonntag gab es teils scharfe Kritik daran, dass Sandu die Präsidentenwahl und das EU-Referendum verknüpfte. Mehrere Politiker von Parteien aus dem russlandfreundlichen Lager boykottierten das EU-Referendum. Ex-Präsident Dodon von der Sozialistischen Partei sprach von einem «rechtswidrigen Prozess», weil es nicht um ein Referendum gehe, sondern um eine Verfassungsänderung.
«Die Gespräche mit der Europäischen Union sollen fortgesetzt werden, doch die Entscheidung über eine Mitgliedschaft in der EU sollten erst nach dem Abschluss dieser Verhandlungen getroffen werden, wenn alle Bedingungen klar sind», unterstrich Dodon. Erst dann sei ein Referendum möglich.
Abstimmungen in Moskau und prorussischen Regionen
In der russischen Hauptstadt Moskau bildeten sich lange Schlangen vor der moldauischen Botschaft für die Stimmabgabe. Zugleich gab es Beschwerden, dass die Zahl der Wahllokale in Russland gezielt klein gehalten werde und nicht genügend Stimmzettel vorhanden seien. Das Aussenministerium in Chisinau bezeichnete die Schlangen laut Medien in der Moldau als künstliche Inszenierung.
Stark ist der russische Einfluss auch in der von der Moldau abtrünnigen und von Moskau abhängigen Region Transnistrien, die an die Ukraine grenzt, sowie in der moldauischen autonomen Provinz Gagausien, in der die regionale Regierungschefin Irina Vlah als Kandidatin «für Frieden» antrat.
Das Bewerberfeld dürfte auch deshalb so gross gewesen sein, weil viele Menschen mit Sandus Politik unzufrieden sind und seit ihrer Wahl 2020 zu wenig Fortschritte etwa im immer wieder angekündigten Kampf gegen Korruption in dem verarmten Agrarstaat sehen. Damals kam Sandu im ersten Wahlgang auf 36,2 Prozent und im zweiten Wahlgang auf 57,7 Prozent der Stimmen. Weil sie einen Verzicht auf russisches Gas durchsetzte, stiegen die Energiepreise, was viele Verbraucher ärgert.
Um Reformen umzusetzen, ist Sandu auf eine Mehrheit im Parlament angewiesen, die sie derzeit hat. Der politische Machtkampf in der Moldau wird nach Einschätzung von Beobachtern seinen Höhepunkt bei der Parlamentswahl im kommenden Sommer erreichen. «Für eine starke politikgestaltende Rolle als Präsidentin ist ein loyaler Premierminister und eine Mehrheit im Parlament notwendig», sagte die Moldau-Expertin Brigitta Triebel von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Chisinau der Deutschen Presse-Agentur. Sie erwartet nicht, dass Russland bei seinen Versuchen der Einflussnahme in dem Land nachlässt.