Grossbritannien hat am Freitag den Machtwechsel von den Konservativen zur Labour-Partei vollzogen. Der frischgebackene Regierungschef Starmer schlägt demütige Töne an.

Dass in der Downing Street Nummer 10 Bewohner ein- und ausziehen, daran haben sich die Britinnen und Briten gewöhnt. Auch der Kater Larry, der am britischen Regierungssitz das Amt des obersten Mäusejägers bekleidet, hat in den letzten zehn Jahren fünf konservative Premierminister kommen und gehen sehen. Und doch kommt dem Stabwechsel im engräumigen Stadthaus in Westminster stets eine feierliche und symbolträchtige Note zu, die den Transfer der politischen Macht sichtbar und greifbar macht.

König erteilt Regierungsauftrag

Als Sunak am Freitag mit seiner Gattin Akshata Murty
die Downing Street zum letzten Mal verliess, ging eine vierzehnjährige konservative Ära zu Ende, für welche die Partei bei der Unterhauswahl vom Volk regelrecht abgestraft worden war. Sunak reichte im Buckingham-Palast bei König Charles III. seinen Rücktritt als Regierungschef ein, worauf der Monarch den Labour-Chef Keir Starmer offiziell mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragte. Unmittelbar danach fuhr Starmer mit seiner Gattin Victoria in der Downing Street vor – als erst siebter Labour-Premierminister in der britischen Geschichte.

In seiner ersten Ansprache als Premierminister würdigte Starmer seinen Vorgänger und Rivalen Sunak als ersten asiatischstämmigen Regierungschef des Landes und präsentierte sich selber als Diener der Bürgerinnen und Bürger. «Die Kluft zwischen den durch die Bevölkerung erbrachten Opfern und den Dienstleistungen, die sie von den Politikern erhalten haben, ist zu gross geworden», erklärte Starmer. Daher sei es sein Ziel, das angeschlagene Vertrauen in die Politik, aber auch die Infrastruktur des Landes und den Glauben der Bevölkerung an die Zukunft wieder aufzubauen.

Trotz seiner grossen Parlamentsmehrheit schlug Starmer keine triumphalistischen, sondern eher demütige Töne an. Er erklärte, Grossbritannien sei es in seiner Geschichte immer wieder gelungen, von turbulenten in ruhigere Wasser zu steuern. Für ein solches Manöver empfahl sich Starmer als Kapitän, ohne aber sein vages Wahlkampfprogramm weiter zu konkretisieren.

Starmer hat gelobt, die Haushaltsregeln zur Begrenzung der Schulden einzuhalten und auf Steuererhöhungen für arbeitstätige Briten zu verzichten. Daher ist unklar, woher er das Geld für die nötigen Investitionen in die Infrastruktur nehmen will.

Als erste Amtshandlung ernannte Starmer die Mitglieder seines bisherigen Schattenkabinetts zu Ministern seiner Regierung. Überraschungen blieben weitgehend aus: Rachel Reeves wird als erste Frau Finanzministerin, David Lammy avanciert zum Aussenminister, John Healy übernimmt das Verteidigungsministerium.

Sunak bleibt interimistisch im Amt

Derweil begann bei den Konservativen die Suche nach den Gründen für das Wahldebakel. Sunak hatte bei seiner Rücktrittsrede in der Downing Street gar nicht erst versucht, die Wahlschlappe schönzureden. Er bat die Britinnen und Briten um Entschuldigung und erklärte, er verstehe ihre Wut und respektiere den Wunsch nach einem Regierungswechsel.

Sunak kündigte seinen Rücktritt als konservativer Parteichef an. Allerdings will er vorderhand im Amt bleiben, bis die Tories die Modalitäten zur Bestimmung seiner Nachfolge geregelt haben. Damit verschafft er seiner Partei nach der grössten Wahlniederlage ihrer Geschichte eine Reflexionspause, bevor der Kampf um seine Nachfolge ernsthaft losgeht.

Absehbar ist, dass sich ein Richtungskampf zwischen dem rechtsnationalen Flügel rund um die einstige Innenministerin Suella Braverman und dem zentristischen Lager rund um die nun abgelösten Minister für Sicherheit beziehungsweise Finanzen, Tom Tugendhat und Jeremy Hunt, entspinnen wird. Braverman verweist auf die Wahlerfolge der Rechtspartei Reform UK von Nigel Farage und will die Tories nach rechts führen oder womöglich gar mit Reform UK zusammenspannen.

Die Zentristen verweisen auf die Sitze, welche die Tories an Labour und die Liberaldemokraten verloren haben. Und sie argumentieren, in Grossbritannien mit seinem Mehrheitswahlrecht könne man Wahlen nur aus der politischen Mitte heraus gewinnen.

Exit mobile version