Samstag, Dezember 21

Die Swiss verkauft sich als Premiumprodukt, aber viele Kunden sehen das anders. Die Airline hat ein ernsthaftes Imageproblem.

Er hat einen Nerv getroffen. Der französische Chef des italienischen Luxusgüterkonzerns Bulgari, Jean Christophe Babin, hat vor ein paar Wochen seinem Ärger über die Airline Swiss Luft gemacht. In einem Beitrag auf der Plattform Linkedin hielt er sich nicht mit Kritik zurück: «Die Swiss ist eine der teuersten Airlines der Welt. Für durchschnittlichen Service, alte Maschinen und armseliges Essen.»

Babin, der über den Vielfliegerstatus «Senator» verfügt, hat den Post nach kurzer Zeit wieder gelöscht, seine Pressestelle reagiert nicht auf Anfragen zum Thema Swiss. Doch die «Handelszeitung» hatte den Wutausbruch gespeichert und einen vielbeachteten Artikel daraus gemacht. Seither, so scheint es, sind die Hemmungen gefallen. Die Swiss wird vor allem von ihrer wichtigsten Klientel, den Businessclasspassagieren, angeprangert. Einer von ihnen ist der Zürcher Unternehmer sowie FDP-Ständerat Ruedi Noser. Er hatte schon Jean Christophe Babins Linkedin-Artikel zustimmend kommentiert und doppelt auf Anfrage nach: «Der Service ist schlechter geworden. Ich fliege viel und kann das beurteilen.»

Swiss steht zum Prädikat «Premium»

Es liege nicht am Personal, sagt Noser. Die seien immer nett. Aber die Swiss müsse den Anspruch haben, besser zu sein als die Mutter-Airline Lufthansa. «Das ist sie nicht. Hinzu kommen die hohen Preise. Die Swiss hat definitiv ein Upgrade nötig», sagt Ruedi Noser.

Der Werber Frank Bodin pflichtet dem bei. «Es gibt eine grosse Kluft zwischen dem Versprechen der Swiss und dem Erlebnis. Ich war früher selber Vielflieger und habe einen Vielflieger-Freundeskreis. Der Ärger über die Verschlechterung im Service ist gross.»

Bodin führt jedes Jahr die Studie «Brand Indicator Switzerland» durch, welche die beliebteste Marke der Schweiz kürt. Die Swiss schneidet nicht schlecht ab, dieses Jahr kam sie auf Rang 40. «Die Marke Swiss ist immer noch sehr stark. Das liegt daran, dass man in der Schweiz sehr stolz darauf ist», sagt Bodin.

Die Airline wisse um diesen Mythos und pflege ihn, so der Starwerber. Die Werbekampagnen der Swiss seien immer super. «Aber was man dann am Flughafen und im Flugzeug erlebt, hat mit alldem nichts zu tun.»

Laut Bodin verfügt die Swiss über einen grossen Vorteil: Sie fliegt viele Destinationen direkt an. «Für eine Reise ohne Umsteigen sind viele zähneknirschend bereit, auf den Komfort anderer Airlines zu verzichten.» Er selber ertappe sich aber immer häufiger dabei, wie er der Swiss untreu werde und auch einmal einen Zwischenstopp einlege. «Denn die Preise der Swiss sind einfach nicht mehr verhältnismässig.»

Die Swiss sagt ganz unverhohlen, dass sie sich als Premium-Airline versteht. «Wir haben uns ambitionierte Ziele gesetzt, um das Prädikat Premium zu leben und zu repräsentieren», teilt sie mit. Klar ist aber auch: Viele Kunden sehen das anders.

Doch wer hat nun recht? Die Fluggesellschaft oder die Passagiere?

Es ist gar nicht so einfach, den schwammigen Begriff «Premium» zu messen. Gemäss der britischen Unternehmensberatung Skytrax, die jedes Jahr ein Airline-Rating vorlegt, gibt es an der Swiss nichts auszusetzen. Sie belegt 2024 Rang 10 der besten Airlines der Welt.

Besser als Delta, schlechter als Singapore

Aber Skytrax steht in der Kritik für ein intransparentes, nicht nachvollziehbares Bewertungsverfahren. Auf der Webseite der Unternehmensberatung können auch Passagiere ihre Beurteilung abgeben. Da schneidet die Swiss deutlich schlechter ab. Mit sechs von zehn Punkten ist sie knapp überdurchschnittlich.

Es komme immer drauf an, wen man mit wem vergleiche, sagt Moritz Lindner, Gründer des in Berlin beheimateten Luxusreisenportals Reisetopia. «Je weiter westlich man geht, desto tiefer ist die Qualität der Airlines. Je weiter Richtung Osten, desto besser.» Vergleiche man die Swiss mit einer amerikanischen Delta Airlines, schneide sie gut ab. Gegenüber einer Singapore Airlines falle sie hingegen ab.

Lindner ist berufsbedingt Vielflieger und kennt die Produkte der grossen Luftfahrtgesellschaften. Vergleichen könne man fast nur die Business- und die Firstclass, sagt er. Die Economy sei bis auf Details überall gleich. In Europa würde er die Swiss im oberen Drittel einordnen. In Sachen Premium seien etwa die Air France oder Turkish Airlines besser.

Aber die Swiss wird laut Lindner auch für Dinge kritisiert, die branchenüblich sind. So würden etwa fast alle Airlines ihre Flugzeuge überbuchen. Und: «Klappt einmal etwas nicht, dann sind auch die asiatischen Airlines plötzlich nicht mehr so toll.»

Auf Anfrage zählt die Swiss in einem E-Mail von epischer Länge detailliert auf, warum sie die Bezeichnung Premium verdient habe. Sie weist auf die moderne Flotte hin, die vielen schweizerischen Produkte an Bord sowie auf die neue Kabinenausstattung, die in den kommenden Jahren in allen Langstreckenflugzeugen verbaut wird.

An der Antwort lässt sich ablesen, wie sehr die Swiss unter Rechtfertigungsdruck steht. Denn dass die Passagiere nicht glücklich sind, ist der Airline längst bekannt. Der Lufthansa-Konzern weist im Jahresbericht jeweils den sogenannten Net-Promoter-Score (NPS) aus. Es ist eine Kennzahl aus der Betriebswirtschaft, die misst, ob die Kunden mit dem Erlebten zufrieden sind.

Die NPS-Maximalzahl ist 100. Dies bedeutet, dass von 100 befragten Personen alle die Airline weiterempfehlen würden. Die Lufthansa hat sich zum Ziel gesetzt, mindestens 50 zu schaffen. Zusammen hat die Airline-Familie Lufthansa, Swiss, Austrian Airlines und Brussels Airlines 2023 aber gerade einmal einen NPS von 27 erreicht. Viel zu wenig für die hohen Ansprüche.

Dass sich nun auch prominente Schweizer Vielflieger öffentlich von der Airline abwenden, verdeutlicht umso mehr: Die Swiss hat ein ernsthaftes Imageproblem.

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