Irans Führung feiert ihren Angriff auf Israel vom letzten Wochenende als grossen Sieg. Doch aus militärischer Sicht war die Operation ein Fehlschlag. Zudem bleiben Teheran im Falle eines Gegenangriffs jetzt nur noch wenige Optionen.

Der Weg nach Jerusalem führe über Kerbala, sagte der verstorbene iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeiny einst. Und tatsächlich: Hunderte iranischer Drohnen und Raketen flogen am letzten Wochenende über die heilige Schiiten-Stadt im benachbarten Irak hinweg in Richtung Israel. Bis an ihr Ziel schafften es aber nur die wenigsten. Die meisten Geschosse holte die israelische Flugabwehr mit Unterstützung der Amerikaner und weiterer Verbündeter schon vorher vom Himmel.

Inzwischen hat Israel Vergeltung für den Grossangriff angekündigt – und im Nahen Osten geht die Angst vor einem Krieg um. In Teheran jedoch scheinen alle hochzufrieden. Man habe den Zionisten eine Lektion erteilt, sagte Präsident Ebrahim Raisi bereits am Sonntag. Hohe Militärs bezeichneten die Attacke ebenfalls als grossen Erfolg. Und der Chef der mächtigen Revolutionswächter warnte: Sollte Israel tatsächlich auf den Angriff antworten, dann werde Iran umso härter zurückschlagen.

Eine ernüchternde Bilanz

Im Internet feiern die Anhänger des Teheraner Regimes derweil die Bilder iranischer Drohnen über dem Jerusalemer Felsendom. Dass sie allerdings allesamt abgeschossen wurden, scheint für sie keine Rolle zu spielen. Zumindest der Propagandaerfolg, erstmals in Israels Luftraum eingedrungen zu sein, ist den Iranern somit sicher.

Sonst fällt die Bilanz für Teheran jedoch ernüchternd aus. Nicht nur wurden die meisten Flugkörper neutralisiert, ohne grossen Schaden anzurichten. Auch arabische Staaten beteiligten sich entweder aktiv oder passiv an den israelisch-amerikanischen Abwehrmassnahmen, obwohl deren Regierungen wegen des Gaza-Krieges jüngst alles andere als gut auf Israel zu sprechen waren. Der Grossangriff aus Iran liess die Differenzen jedoch zumindest für eine Nacht in den Hintergrund treten.

Auch militärisch steckt Iran nach seinem massiven Angriff in einer Zwickmühle. Denn die vielerorts so gefürchteten Raketentruppen Teherans haben sich am Wochenende nicht gerade mit Ruhm bekleckert. «Iran hatte schon von Anfang an kaum gute Optionen», sagt der Militärexperte Fabian Hinz von der Denkfabrik IISS. «Aber durch den militärischen Misserfolg hat das Abschreckungspotenzial des Landes nur weiter Schaden genommen.»

Kann Iran überhaupt weiter eskalieren?

Die Raketen und Drohnen bilden – neben dem libanesischen Hizbullah – das Herzstück der iranischen Militärstruktur. Jenseits dessen hat das Land aber offenbar kaum Pfeile im Köcher. So verfüge Iran etwa nicht über zureichende Mittel, um sich gegen einen israelischen Gegenschlag zu wehren, sagt Hinz. «Die Luftverteidigung ist ein eklektischer Mix aus alten amerikanischen Waffen aus der Shah-Zeit, Eigenproduktionen und Systemen aus China oder Russland.» Sie werde gegen Israels Arsenal kaum etwas ausrichten können.

Teheran hat aber noch ein weiteres Problem. Zwar droht es den Israeli im Falle eines Vergeltungsangriffs mit noch härteren Schlägen. Allerdings bestehen Zweifel, ob Irans Militär von sich aus dazu überhaupt fähig ist. «Es ist nicht einfach, Hunderte oder gar Tausende Raketen genau koordiniert abzuschiessen», sagt Hinz. Zudem habe sich Israels Verteidigung als ausgezeichnet erwiesen. «Um sie zu überwinden, muss man deshalb mit Masse arbeiten – wie es etwa die Hamas tat. Aber das ist auf grosse Distanz sehr schwierig.»

Iran müsste dann etwa auf den in Libanon stationierten Hizbullah zurückgreifen, der mit seinem Raketenarsenal allerdings als allerletzte Lebensversicherung Teherans gilt. Stattdessen tun dessen Emissäre zurzeit alles, um die Lage zu beruhigen. Immer wieder betont das Regime, dass es mit der Attacke bloss den Tod mehrerer iranischer Generäle bei einem mutmasslich israelischen Angriff in Syrien habe rächen wollen – und die Sache jetzt als erledigt betrachte. An einer weiteren Eskalation hat Ali Khamenei, der oberste Führer des Landes, offenbar kein Interesse.

Der Revolutionsführer will sein Erbe sichern

«Khamenei hat immer wieder gesagt, dass das Überleben der Islamischen Republik über allem stehe», sagt die Iran-Expertin Katajun Amirpur von der Universität Köln. Er habe deshalb bereits in der Vergangenheit stets versucht, das Land aus unkontrollierbaren Konflikten möglichst herauszuhalten. Doch hinter dem alternden Führer scharren vermehrt jüngere, radikalere Kader mit den Hufen, die sich offenbar eine härtere Gangart wünschen.

Bis jetzt handle es sich bei diesen oftmals endzeitgläubigen Extremisten allerdings eher um eine Splittergruppe, sagt Amirpur. «Khamenei hat sie vor allem für den inneren Machtkampf genutzt.» Der Revolutionsführer sei derzeit vielmehr daran interessiert, sein politisches Erbe zu sichern und die Macht womöglich geordnet an seinen Sohn zu übergeben, so die Expertin. «Sollte Israel aber Iran tatsächlich direkt angreifen, dann könnte er unter Zugzwang geraten.»

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